Der kleine Monsieur mit bizarren Bildern

Doch Marc Chagall war in dem kleinen Ort sehr beliebt. Er galt als liebenswürdig und zudem noch wohlhabend, denn er kaufte dort La Colline, ein altes vornehmes Landhaus, in dem er am 28. März 1985 starb.

Fantasiereiche Bilder

Wohl kaum ein Künstler hat mit seinen fantasiereichen Bildern, auf denen er Menschen, Fische, Kühe und Wanduhren zum Schweben brachte, mehr Menschen berührt als der russisch-französische Maler, der einer der Hauptvertreter der gegenständlichen-expressionistischen Malerei war und zu den bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts zählt.

Seine lyrischen Bilder voll glühender Farbigkeit - blau, grün, gelb, rot und weiss - umkreisen immer das Universum des Mannes und der Frau. Engel und geflügeltes Getier bevölkern die aus der Tiefe seiner Erinnerung hervorgeholten Visionen.

Aufgebahrte Tote und schwebende Melkerin

Zu seinen bekanntesten Gemälden gehören die auf der Dorfstrasse aufgebahrten Toten von 1908 und die kopflos durch die Luft schwebende Melkerin aus dem Jahr 1911.

Einen besonderen Platz hat die Bibel im Werk Chagalls. Seine innere Welt war früh vom Chassidismus mitgeprägt worden, der jüdischen Bewegung, die in Osteuropa mit ihrer Betonung des Gefühls in der Religion weite Verbreitung gefunden hatte. Obwohl Jude, malte Chagall auch mehrere Kreuzigungen.

Kindheitstraum

Chagall wurde am 7. Juli in Liosno in Witebsk in einer sehr einfachen jüdischen Familie geboren. Schon als Kind träumte er davon, Maler zu werden. So ging er 1907 nach Petersburg und wurde Schüler von Bakst. 1910 kam er mit einem kleinen Stipendium nach Paris, wo er in der Künstlerkolonie La Ruche wohnte, in der auch Modigliani, Soutiné und Léger arbeiteten.

Bei Kriegsausbruch kehrte er wieder nach Russland zurück, wo er 1915 seine erste Ausstellung in Moskau hatte.

Chagall, der 1937 die französische Staatsbürgerschaft erworben hatte, regte mit seinem gleichzeitig empfindsamen und vitalen Genie viele künstlerische Strömungen an. Seine Vielseitigkeit und Kreativität zeigten sich ausser in seinen Gemälden auch in Mosaiken, riesigen Glasfenstern - etwa im Zürcher Fraumünster - Gobelins, Radierungen und Entwürfen für Theater- und Opernhäuser.

(rr/sda)