Nobelpreiskolumne

Der leere Stuhl in Oslo: Die Botschaft eines Möbelstücks

publiziert: Montag, 13. Dez 2010 / 13:50 Uhr
Jonathan Mann.
Jonathan Mann.

Oslo – Vielleicht hat die chinesische Regierung der Welt ganz unabsichtlich ein neues Symbol des Widerstandes gegen Unterdrückung beschert: einen leeren Stuhl. Es gibt jedoch noch ein anderes Möbelstück, das plötzlich leer ist – und dieses übermittelt eine andere Botschaft.

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Der Stuhl war für den chinesischen Schriftsteller und Menschenrechtsaktivisten Liu Xiaobo gedacht, dem diesjährigen Gewinner des Friedensnobelpreises. Wegen seiner Schriften wurde er inhaftiert und durfte nicht nach Oslo ausreisen, um den Preis persönlich entgegenzunehmen. Stattdessen stellte man die Auszeichnung auf den Stuhl, der Liu für die Verleihung zugedacht war, um auf seine Abwesenheit hinzuweisen.

Schnell wurde der leere Stuhl zum Symbol und erschien auf vielen chinesischen Webseiten. In der Volksrepublik herrscht eine strikte Zensur des Internets. Innerhalb weniger Stunden war sogar das Schlagwort «leerer Stuhl» nicht mehr im Internet zu finden.

Aber es gibt auch einen leeren Tisch, und der erregt etwas weniger Aufmerksamkeit. Norwegen, ein kleines Land mit weniger als fünf Millionen Einwohnern, war im Begriff Europas erstes Freihandelsabkommen mit China auszuhandeln – einem Land mit einer immer schneller wachsenden Volkswirtschaft und mehr als einer Milliarde Menschen.

Als das norwegische Nobelkomitee die Vergabe des Preises an Liu bekannt gab, setzte Peking die Gespräche aus. Das Abkommen ist zumindest vorübergehend vom Tisch, unter Umständen ein herber Schlag für etliche Unternehmen und Arbeitsplätze in Norwegen.

Der norwegische Aussenminister Jonas Gahr Støre berichtete mir, dass die Regierung keinerlei Einfluss auf das Nobelkomitee habe und die Tradition der Unabhängigkeit des Komitees schätze. Er sagte, dass die norwegische Regierung ihre Prinzipien nicht opfern werde, um Peking zu gefallen.

Norwegen ist ein reiches Land und verfügt über enorme Öl- und Gasreserven, die China und viele andere Nationen äusserst gerne kaufen wollen. Mit oder ohne Freihandelsabkommen, die norwegische Wirtschaft befindet sich in einer beneidenswerten Situation.

Für Regierungen ohne diese Wirtschaftsgüter und die Absicherung, die man durch sie erhält, bleibt der leere Stuhl nun nicht das einzige Möbelstück, das an Chinas Reaktion auf die diesjährige Entscheidung des Nobelkomitees erinnert. Es gibt auch diesen leeren Tisch.

Jonathan Mann - POLITICAL MANN
Dieser Text stammt von Jonathan Mann, Moderator und Journalist bei CNN International. Er moderiert das wöchentliche Politmagazin «Political Mann» auf CNN International. Der Text steht in der Schweiz exklusiv für news.ch zur Verfügung.

(Kolumne von Jonathan Mann/CNN-News)

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