Deutschland im Spiel- und Partyrausch

publiziert: Montag, 26. Jun 2006 / 16:30 Uhr

Nach dem 2:0-Sieg im Achtelfinal gegen Schweden ist bei Gastgeber Deutschland die Euphorie grenzenlos. Ein Land verfiel am Samstagabend in den kollektiven Freudentaumel, dem derzeit kaum Grenzen gesetzt scheinen.

Ein Land demonstrierte seine Ausgelassenheit.
Ein Land demonstrierte seine Ausgelassenheit.
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«Oh! Wie ist das schön!», hallte es am Samstagabend um 18.45 Uhr rund 50 000-fach durch das Münchner WM-Stadion, derweil die Gesichtsfarbe der schwedischen Anhänger zusehends mit der gelben Farbe ihrer Fanshirts konkurrenzierte.

«Ihr seid nur ein Möbellieferant», hatten die Deutschen in der prächtigen Arena skandiert und lautstark die Fahrt nach Berlin angekündigt. Die Hauptstadt ist zwar schon Etappenort des Gastgebers im Viertelfinal, doch feierten die Fans die Kapitale als Zielort am 9. Juli im Final.

Die stehenden Ovationen schwappten am Samstagabend im Nu über die luftkissenartige Aussenhülle des Neubaus an der nördlichen Peripherie Münchens hinaus in die Stadt und übers ganze Land. Noch während sich die Spieler von den Fans im Stadion feiern liessen, begannen vor den Toren die ersten Autokorsos - begleitet von einem lauten Hupkonzert.

Ein Land demonstrierte seine Ausgelassenheit; die Behörden zumindest Gelassenheit. Eingreifen musste die Polizei einzig in Stuttgart, wo Deutsche und Engländer unter dem Einfluss von zu viel Alkohol aneinander geraten waren.

«Klinsmänner» im Spielrausch

Beeindruckend war der Auftritt des deutschen Teams gegen Schweden in der Startphase, als es - aufgeheizt von zehntausenden Kehlen - dem Gegner kaum Luft zum Atmen liess. Die «Klinsmänner», wie die deutschen Nationalspieler nicht mehr nur im Boulevard genannt werden, gerieten in einen wahren Spielrausch und versetzten die Einheimischen in einen Stunden andauernden Partyrausch.

Die Welle ging durchs Stadion und schwappte über den rund 15 000 Zuschauer grossen Fan-Block der Schweden - gleich wie die deutschen Angriffswellen zu Beginn des Spiels über die höchstens passive Gegenwehr leistende schwedische Abwehr gerollt waren.

Das Fest hatte allerdings schon Stunden vor dem Anpfiff gegen Schweden seinen Beginn. Tausende, die ohne Billett nach München gereist waren, pilgerten in den Olympiapark, wo die Partie auf Grossleinwand übertragen wurde.

Doch selbst das weitläufige Gelände im Süden der Stadt stiess vorzeitig an seine Grenzen. «Als ich um 15.30 Uhr noch in den Park wollte, liessen sie bereits niemanden mehr hinein», erklärte ein Fan, der sich anschliessend als Alternative in einen der zahlreichen Biergärten setzte.

Münchner Verkehrschaos

In der Münchner Innenstadt nahm das Verkehrschaos mit dem Abpfiff seinen Lauf, das sich anschliessend praktisch über das ganze Land ausbreitete. Am Karlsplatz, von den Einheimischen nur «Stachus» genannt, badeten Hunderte im Brunnen vor dem Karlstor und verschafften sich unter den vielen Fontänen bei knapp 30 Grad kurzzeitige Kühlung.

Der Kollaps auf den Strassen wurde von Minute zu Minute nach Spielschluss grösser - ohne dass sich je einer darob geärgert hätte. Geduld wurde in der Feststimmung zur neuen ersten Tugend der Deutschen.

Überhaupt zeigen sich die Deutschen nicht nur als ausgezeichnete und freundliche Gastgeber; sie feiern ihr Team mit einer Ausgelassenheit, die man sonst nur von Bevölkerungen mediterraner Provenienz kennt.

Kaum ein Auto, das nach einem Deutschland-Spiel nicht schwarz-rot-gold beflaggt und hupend durch die Stadt fährt. Kaum ein Zuschauer, der nicht genaustens über die WM informiert ist oder nicht zumindest irgendwo ein Insignium Deutschlands zeigt.

Deutsche Tugenden «nur» im Team

Ein Volk freut sich am offensiv ausgerichteten Fussball, den Jürgen Klinsmann seinem Team oktroyiert hat. Ein Volk notabene, das bis vor kurzem noch Spielertypen wie Berti Vogts, Dieter Eilts oder Horst Hrubesch verehrte.

Der landläufigen Vorstellung deutscher Tugenden entspricht derzeit einzig noch die Organisation im deutschen Team, die letztlich die Grundlage des derzeitigen Erfolgs bildet. Gegen 30 Personen umfasst die Crew, die Klinsmann um sich schart und die während des Spiels nicht alle Platz auf der Reservebank finden.

So sitzen Physiotherapeuten, Konditionstrainer, Fitnessgurus und andere Wasser- und Krawattenträger auf der Tribüne, um jeweils fünf Minuten vor Pausen- und Schlusspfiff geschlossen aufzustehen, um ihre Aufgaben in der Kabine wahrzunehmen.

(von Sascha Rhyner, München/Si)

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