Dicke Luft in Peking: Durchatmen!

publiziert: Montag, 3. Nov 2014 / 08:56 Uhr / aktualisiert: Montag, 3. Nov 2014 / 09:51 Uhr
Pekinger Luft-Träume (und die häufige Realität).
Pekinger Luft-Träume (und die häufige Realität).

Dicke Luft in Peking. Beginn der mit Kohle befeuerten Heizperiode. Für eine Woche wenigstens soll alles besser werden. Dank dem APEC-Powwow auf höchster Ebene.

9 Meldungen im Zusammenhang
Freude herrscht bei der geplagten Bevölkerung. Die Luft soll besser werden. Wenigstens vorübergehend. Das jährliche Gipfeltreffen der Organisation für Asiatisch-Pazifische Wirtschafts-Zusammenarbeit, kurz APEC, tagt in der chinesischen Hauptstadt (5.-11. November). Staats- und Regierungschefs der 21 Mitgliedsländer werden erwartet. Den Exzellenzen darf die miserable Luft, welche die Pekinger und Ihr Korrespondent meist einatmen, nicht zugemutet werden.

Wie an andern Grossanlässen muss deshalb Peking sauber sein. In jeder Beziehung und mithin auch punkto Luftverschmutzung. Die Strassen und Pärke sauber zu halten oder aufmüpfige Zeitgenossen, u.a. Bettler und politisch Inkorrekte, von der Strasse zu entfernen, ist relativ einfach. Doch die notorisch dreckige Luft für einen befristeten Anlass zu säubern, ist schwierig. Nicht aber unmöglich, wie so vieles im modernen China.

Kein geringerer als Vize-Premier Zhang Gaoli gibt den Ton an. Er ordnete kurzerhand eine vorübergehende Schliessung von Fabriken an. Ähnlich wie während den Olympischen Spielen 2008 wird der Autoverkehr um die Hälfte reduziert. Gerade und ungerade Autonummern sind das Kriterium. Zudem werden die Schulen zur Freude der Kinder eine Woche lang geschlossen. Auch die Universitäten und die Verwaltung schliessen die Tore. Arbeiter und Angestellten von Staatsbetrieben erhalten grosszügig sechs bezahlte Freitage, die aber als Arbeitstage - so spendabel ist der Staat nun auch wieder nicht - an den Wochenenden vor- oder nachgeholt werden müssen. Vize-Premier Zhang forderte zudem - wie so viele Politiker anderswo, u.a. auch in der Schweiz - die «Massen», d.h. das Volk auf, aufs Auto zu verzichten und die Öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. Das Ziel der chinesischen Regierung für die Tage der APEC-Verhandlungen: Reduktion der Luftverschmutzung um mindestens ein Drittel.

Die Luftqualität für APEC zu sichern, so Vize-Minster Zhang, ist «die Priorität aller Prioritäten». Diese Aufgabe zu lösen sei ein «ungeheurer Druck und eine grosse Herausforderung». Das alles, so der rührige Mandarin, bei fallenden Temperaturen und dem Beginn der mit Kohle befeuerten Heizsaison. Zhang forderte die Lokalbehörden auf, umweltverschmutzende Unternehmen in Peking und Umgebung (Provinz Hebei, Megalopolis Tianjin) - z.B. in den Sektoren Energie, Stahl, Chemie und Bau - vorübergehend still zu legen. Die Anstrengungen zur Verbesserung der Luftqualität versprach Vize-Minister Zhang auch nach dem Ende des APEC-Gipfels «entschlossen» fortzusetzen.

Das Volk hört das gern, doch fehlt ihm aufgrund der Erfahrungen der letzten Monate ein wenig der Glaube. Allein im Monat Oktober gab es laut offiziellen Angaben drei Perioden schwerster Luftverschmutzung, vor allem mit dem Feinststaub PM2,5. Wenigstens beim Zeitungslesen kann man ein wenig aufatmen. In den 74 wichtigsten Städten, lesen da erstaunte Chinesinnen und Chinesen, ist im ersten Halbjahr 2014 die Belastung mit PM2,5 um 7,9% und mit dem etwas gröberen PM10 um 6,5% gegenüber der Vorjahresperiode gesunken. Soso!

Ebenfalls für Hoffnung sorgt Chai Fahe, Vizepräsident der Chinesischen Forschungsakademie der Umwelt-Wissenschaften. «Die Luftqualität», so Optimist Chai, «wird hoffentlich verbessert». Wie denn das? Wissenschaftler Chai erklärt, dass seit Juni in Peking einige mit Kohle betriebene Kraftwerke geschlossen worden seien. Darüber hinaus sind alte Fahrzeuge aus dem Verkehr gezogen, alte Boiler ausser Betrieb gesetzt und über 300 Dreck verschleudernde Fabriken geschlossen worden. Die Hauptstadt hat überdies eine schöne Stange Geld in saubere Energie investiert.

Der Kampf gegen Umweltverschmutzung in Peking und anderswo ist tatsächlich eine der Top-Prioritäten von Partei und Regierung. Natürlich kann man sich beim Schreiben dieser Zeilen im Luft gereinigten Büro bei einer Aussenbelastung von 380 PM2,5 - empfohlener WHO-Maximalwert 25 - über die Anstrengungen von Vize-Minister Zhang ironisierend mokieren. Doch vor fünfzig Jahren waren die Verhältnisse in Old Europe kaum besser. Zu meiner Jugendzeit stank die Basler Chemie zum Himmel und während der Studienzeit, u.a. in London, sah die Atmosphäre ähnlich aus wie heute in Nordchina. Auch damals gab es in Europa, so wie heute in China oder Indien, keine Patentrezepte zur schnellen Beseitigung des Übels.

Dass jetzt Asien-Pazifik den Pekingern Linderung bringt, hat seinen Grund. Beim APEC-Gipfel geht es um viel: unter anderem darum, der stotternden Weltwirtschaft neue Impulse zu verleihen. Die 1989 von Australien gegründete APEC zählt 40 Prozent der Weltbevölkerung, bestreitet 44 Prozent des Welthandels und erwirtschaftet 54 Prozent des weltweiten Brutto-Sozialproduktes. Ziel des um den Pazifischen Ozean gruppierten Verbandes ist es, den Freihandel zu fördern, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu verbessern und Investitionen zu erleichtern. Die Vereinbarungen sind nicht bindend. Auf gut asiatische Art wird im Konsens entschieden.

Der APEC-Gipfel sollte den Europäern einmal mehr in Erinnerung rufen, wie kostbar saubere Luft ist. Vor allem aber auch, dass sich in den letzten sechzig Jahren das wirtschaftliche und politische Schwergewicht endgültig von der atlantischen in die pazifische Region verschoben hat. Eurozentriker haben das bis heute nicht begriffen. Darunter auch viele EU- sowie Schweizer Politiker. Darunter befindet sich, Buddha sei Dank, nicht Aussenminister Burkhalter oder Seco-Staatssekretärin Ineichen-Fleisch. Auch der international vernetzte Unternehmer Blocher hat das kapiert. Sein Alter Ego freilich, SVP-Vordenker Blocher, tut so, als ob alles noch beim alten wäre.

Diskutiert wird im fünfzig Kilometer von Peking entfernten Internationalen Huairou-Konferenzzentrum. Es liegt in Yanqihu, umgeben auf drei Seiten von Bergen, wo an Wochenenden die Grossstadtbewohner frische Luft schnappen. Selbst wenn in Peking wider Erwarten zur Konferenzzeit doch noch gehustet werden sollte, können Obama, Xi Jinping, Wladimir Putin, Shinzo Abe und Co. in der malerischen Touristenregion ruhig ein-, aus- und durchatmen.

(Peter Achten/news.ch)

Kommentieren Sie jetzt diese news.ch - Meldung.
Lesen Sie hier mehr zum Thema
Peking - Wegen des dichten Smogs ... mehr lesen
Achtens Asien Indonesiens Präsident Joko Widodo ... mehr lesen
Indonesieins Präsident Joko Widodo: Stimmt die Landsleute auf harte Zeiten ein.
Die Konzentrationen des besonders gefährlichen Feinstaubs überstiegen schon das 15-fache des Grenzwertes der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Peking - Der schlimmste Smog seit acht Monaten raubt den Pekingern den Atem. Die Behörden riefen am Freitag den zweiten Tag in Folge die zweithöchste Alarmstufe Orange für ... mehr lesen
Achtens Asien Pekings Gesundheitsbehörden schlagen zu. Wegen «Umweltverschmutzung» und «Lebensmittelsicherheit» wird Essen ... mehr lesen
Rauch von Uigurischen Lammspiesschen: Himmlischer Duft oder stinkt das zum Himmel?
Weitere Artikel im Zusammenhang
Soll- und Ist-Zustand in Peking: Ob da eine Versicherung helfen kann? Oder gar künstlicher Regen?
Achtens Asien Die Chinesische Umwelt-Krise treibt ... mehr lesen 1
Peking - Nach einem kurzen Aufatmen ... mehr lesen
Der Smog ist wieder nach Peking zurückgekehrt. (Archivbild)
Die extreme Schadstoffbelastung mache Peking «fast unbewohnbar für menschliche Wesen», wurde in einer Studie der Akademie der Sozialwissenschaften in Shanghai jüngst festgestellt.
Peking - Der verheerende Smog in Peking lässt die Verärgerung seiner 20 Millionen Einwohner über die Untätigkeit der Behörden wachsen. Gefährliche Luftverschmutzung hielt die Metropole am ... mehr lesen 1
Achtens Asien Smog über Nordchina mit weltweitem Medienecho. Kaum erwähnt wird dabei, dass China nicht über den Atomaustieg sondern den Kohlen-Ausstieg nachdenkt. Atomkraft gilt als «saubere» Energie. mehr lesen 
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
Obama in Hanoi mit der Präsidentin der Nationalversammlung, Nguyen Thi Kim Ngan auf einer Besichtigungstour: Willkommenes Gegengewicht zu China.
Obama in Hanoi mit der Präsidentin der ...
Mit seinem Besuch in Vietnam hat US-Präsident Obama seine seit acht Jahren verfolgte Asienpolitik abgerundet. Die einstigen Todfeinde USA und Vietnam sind, wenn auch noch nicht Freunde, so doch nun Partner. China verfolgt die Entwicklung mit Misstrauen. mehr lesen 
Zum 50. Mal jährt sich im Mai der Beginn der chinesischen «Grossen Proletarischen Kulturrevolution». Das Chaos dauerte zehn Jahre. Mit tragischen Folgen. mehr lesen  
Kim Jong-un ist ein Meister der Propaganda und (Selbst)Inszenierung. Nach vier Jahren an der Macht liess er sich nun am VII. Kongress der Koreanischen Arbeiterpartei zum Vorsitzenden krönen. mehr lesen  
Pekinger Pfannkuchen oder Crêpes Pékinoises sind nur schwache Umschreibungen für das ultimative Pekinger Frühstück Jianbing. Wörtlich übersetzt heisst Jianbing ganz banal ... mehr lesen  
Das Ehepaar Wang in Aktion.
Typisch Schweiz Der Bernina Express Natürlich gibt es schnellere Bahnverbindungen in den Süden, aber wohl ...
Highlight der Kollektion: Eine Gibson Les Paul von 1959, die 300.000 bis 500.000 Pfund einbringen soll.
Shopping Mark Knopfler verkauft seine Gitarrensammlung Die Gitarrensammlung vom Dire Straits-Gitarristen Mark Knopfler wird am 31.01.2024 bei Christie's versteigert.
Erstaunliche Pfingstrose.
Jürg Zentner gegen den Rest der Welt.
Jürg Zentner
Frauenrechtlerin Ada Wright in London, 1910: Alles könnte anders sein, aber nichts ändert sich.
Regula Stämpfli seziert jeden Mittwoch das politische und gesell- schaftliche Geschehen.
Regula Stämpfli
«Hier hätte ich noch eine Resistenz - gern geschehen!» Schematische Darstellung, wie ein Bakerium einen Plasmidring weiter gibt.
Patrik Etschmayers exklusive Kolumne mit bissiger Note.
Patrik Etschmayers
Obama in Hanoi mit der Präsidentin der Nationalversammlung, Nguyen Thi Kim Ngan auf einer Besichtigungstour: Willkommenes Gegengewicht zu China.
Peter Achten zu aktuellen Geschehnissen in China und Ostasien.
Peter Achten
Recep Tayyp Erdogan: Liefert Anstoss, Strafgesetzbücher zu entschlacken.
Skeptischer Blick auf organisierte und nicht organisierte Mythen.
Freidenker
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Sa So
Zürich 4°C 19°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wechselnd bewölkt
Basel 7°C 19°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig gewitterhaft wechselnd bewölkt
St. Gallen 5°C 18°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wechselnd bewölkt
Bern 4°C 18°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wolkig, aber kaum Regen
Luzern 6°C 19°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt
Genf 10°C 21°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wechselnd bewölkt, Regen
Lugano 7°C 12°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig anhaltender Regen anhaltender Regen
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten