Die Verlierer im Klima-Monopoly

publiziert: Donnerstag, 15. Sep 2011 / 09:00 Uhr / aktualisiert: Freitag, 16. Sep 2011 / 09:09 Uhr
Reto Knutti ist Professor für Klimaphysik an der ETH Zürich.
Reto Knutti ist Professor für Klimaphysik an der ETH Zürich.

Die Probleme, die mit der Klimaerwärmung auf uns zukommen, tragen monopoly-artige Züge, denn die schwächeren «Mitspieler» ziehen in jeder Hinsicht den Kürzeren. Dies zeigen wir in einer neuen Studie unter Leitung der ehemaligen ETH-Doktorandin Irina Mahlstein.

1 Meldung im Zusammenhang
Weiterführende Links zur Meldung:

Environmental Research Web News
Arctic may be ice-free within 30 years
environmentalresearweg.org

I. Mahlstein et al. 2011.
Early onset of significant local warming in low latitude countries. Environmental Research Letters
stacks.iop.org

ERL Perspective
Global warming: it?s not only size that matters
iopscience.iop.org

SHOPPINGShopping
KlimawandelKlimawandel
Die Klimaerwärmung wird am stärksten in den Entwicklungsländern zu spüren sein wird. Erst zu einem späteren Zeitpunkt werden auch die meisten Industrienationen die Auswirkungen des Klimawandels erfahren.

Die typischen Bilder des Klimawandels sind schmelzende Gletscher und Eisbären auf zu kleinen Eisschollen. In der Tat ist die absolute Erwärmung (in °C) ist in den hohen Breiten und der Arktis am grössten. Aber erstaunlicherweise sind es gerade nicht diese Gebiete, in denen sich die Klimaerwärmung am deutlichsten von den natürlichen Jahr-zu-Jahr Variationen abzeichnet. Denn in diesen Regionen sind die natürlichen Klimaschwankungen sehr gross - die aktuelle Klimaerwärmung bewegt die Temperatur daher erst spät aus der normalen Bandbreite der Variabilität (Schwankung) hinaus.

Im globalen Mittel (das heisst bezogen auf die «Welt-Temparatur») ist die Klimaerwärmung schon lange deutlich messbar. Lokal sind jedoch die Schwankungen grösser und die Klimaerwärmung kann sich mehr oder weniger deutlich zeigen. Für die meisten Gebiete genügt eine globale Erwärmung von einem halben bis einem Grad, damit sich die lokale neue Temperaturverteilung deutlich von der vergangenen unterscheidet.

Tropen spüren die Klimaerwärmung als Erste

Wir stellten uns daher die Frage: In welchen Gebieten wird sich die Erwärmung zuerst deutlich von der normalen Bandbreite jährlicher Schwankungen abheben? Denn dort ist zuerst zu erwarten, dass sich Ökosysteme auf die neuen klimatischen Verhältnisse einstellen müssen. Unsere Modellierungen zeigen: Das Klima wird sich am deutlichsten ändern in den Tropen. Denn in diesen Gebieten variiert das Klima nur wenig, bereits eine geringe Erwärmung verändert deshalb das Klima deutlich (signifikant).1

Verlierer bleiben Verlierer

Eine Kindheitserinnerung vom Monopoly-Spiel ist mir besonders geblieben: Wer einmal schlecht dran ist, dem wird es immer schlechter gehen, während für den Mitspieler ein paar Häuser auf «Zürich Rennweg» eine endlose Goldgrube sind. Aber was hat das mit dem Klima zu tun? Wie wir in der neuen Studie zeigen, wird sich die Klimaerwärmung entgegen gängiger Meinungen zuerst in den Tropen - und damit in den Entwicklungsländern - deutlich abzeichnen. Dort sind aber nicht jene Menschen ansässig, die am meisten CO₂ ausstossen. Zudem sind die Menschen in diesen Ländern sehr oft direkt von der Landwirtschaft und damit vom Klima abhängig. Das bedeutet, dass sie eine höhere Anfälligkeit (auch «Verwundbarkeit» (vulnerability) genannt) gegenüber dem Klimawandel haben. Und damit nicht genug: es sind auch die Länder, die - im Gegensatz zu uns - über wenig Wissen und finanzielle Mittel verfügen, um sich an klimatische Veränderungen anzupassen.

Die Entwicklungs- und Schwellenländer in den Tropen sind also dreifach benachteiligt: Erstens spüren sie die Erwärmung zuerst, zweitens wirken sich klimabedingte Schäden besonders stark aus, und drittens haben diese Länder nicht die Mittel, um diesen Schäden vorzubeugen. Aber die Menschen dieser Länder sind nicht die Hauptverursacher des Problems!

Es gibt viele Gründe, warum die Lösung des Klimaproblems schwierig ist, aber die Distanz von Ursache und Wirkung, räumlich und zeitlich, ist sicher ein kritischer Faktor. Es trifft vor allem die anderen, und es trifft spätere Generationen. Für ein faireres Monopoly müssten wir gemeinsam die Spielregeln ändern. Aber wer will schon gerne «Zürich Rennweg» oder seinen Goldesel «Zürich Paradeplatz» freiwillig abgeben?

1Zur Studie: I. Mahlstein et al. 2011. Early onset of significant local warming in low latitude countries. Environmental Research Letters (Studie ansehen >siehe Weiterführende Links)

Wissenschaftliche Kommentare zur Studie >siehe weiterführende Links

(Prof. Reto Knutti/ETH-Zukunftsblog)

Lesen Sie hier mehr zum Thema
Etschmayer Zum ersten Mal musste in der ... mehr lesen 1
Fliegender Pyro im Fansektor: unterer Rand der Nihilismus-Skala
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
Mit Biogas betriebene Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen (WKK) können fluktuierenden Solarstrom kompensieren und Gebäude beheizen.
Mit Biogas betriebene ...
Eine zentrale Herausforderung der Energiewende ist es, die schwankende Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen auszugleichen. Eine Machbarkeitsstudie zeigt nun für drei Schweizer Kantone auf, wie ein Verbund von Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen kurzfristige Engpässe überbrücken und Gebäude mit Strom und Wärme versorgen kann. mehr lesen 
Vor rund hundert Jahren begann die Industrialisierung der Landwirtschaft - heute erleben wir den Beginn ihrer Digitalisierung. Damit die Big-Data-Welle den Bauer nicht vom Acker schwemmt, sondern ihn optimal ... mehr lesen
Vor rund hundert Jahren begann die Industrialisierung der Landwirtschaft - heute erleben wir den Beginn ihrer Digitalisierung.
Die Schweizer Wasserkraft darbt. Die Ursache dafür sind letztlich Verzerrungen im europäischen Strommarkt. Nun diskutiert die Politik Subventionen für die Grosswasserkraft. Allfällige Rettungsaktionen sollten berücksichtigen, dass die Wasserkraftwerke noch Sparpotenzial bei den Kosten aufweisen. mehr lesen  
Climate change has been communicated as a global concern affecting all of mankind; but this message doesn't seem to be getting through. If indeed the human brain responds better to experience than to analysis, then climate change must be told as a local and personal story - just as the Klimagarten 2085 exhibition is doing. mehr lesen  

Fakten und Meinungen zu Nachhaltigkeit

Der Zukunftsblog der ETH Zürich nimmt aktuelle Themen der Nachhaltigkeit auf. Er bietet eine Informations- und Meinungsplattform, auf der sich Expertinnen und Experten der ETH zu den Themenschwerpunkten Klimawandel, Energie, Zukunftsstädte, Welternährung und Natürliche Ressourcen äussern. Prominente Gäste aus Forschung, Politik und Gesellschaft tragen mit eigenen Beiträgen zur Diskussion bei.

Lesen Sie weitere Beiträge und diskutieren Sie mit auf: www.ethz.ch/zukunftsblog

Viele Start-ups in der Schweiz haben sich dem Umweltschutz verschrieben.
Green Investment Start-ups für die Nachhaltigkeit aus der Schweiz Kaum ein anderes Land in Europa ist beim ...
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Sa So
Zürich 1°C 18°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wechselnd bewölkt
Basel 9°C 19°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig gewitterhaft wolkig, aber kaum Regen
St. Gallen 7°C 19°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wechselnd bewölkt
Bern 3°C 18°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wolkig, aber kaum Regen
Luzern 1°C 18°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt
Genf 15°C 19°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wechselnd bewölkt, Regen
Lugano 6°C 10°C trüb und nassleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig anhaltender Regen anhaltender Regen
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten