Die Zeichensprache des Bösen

publiziert: Mittwoch, 16. Dez 2015 / 07:52 Uhr
Mehr Vertrauen in den Staat dank «CD Bund» - oder das Gegenteil?
Mehr Vertrauen in den Staat dank «CD Bund» - oder das Gegenteil?

Formular zum Meldeverfahren der Bundesverwaltung: «Das neue Erscheinungsbild orientiert sich am Corporate Design Bund oder kurz 'CD Bund'. Der einheitliche visuelle Auftritt soll die gemeinsame Identität der Bundesverwaltung stärken, das Vertrauen in den Staat fördern sowie zur Glaubwürdigkeit und Sicherheit öffentlicher Dienstleistungen beitragen.»

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Was 2007 mit einer komplett idiotischen Brandingstrategie der Bundesverwaltung seinen Anfang genommen hat, treibt weitere designdiktatorische Blüten. Höchste Zeit, mal wieder einmal laut und deutlich über die Formen der Welt nachzudenken.

Nach den Bundesratswahlen vom 9. Dezember 2015 meinte SVP-Parteipräsident Toni Brunner, dass die «Romandie als Wachstumsmarkt» für die SVP lanciert sei. Roger Nordmann, Fraktionschef SP gab sich im «Tagesgespräch» von SRF zu Recht entsetzt. «Männer und Frauen sind Staatsbürgerinnen und Staatsbürger und kein Wachstumsmarkt. Die SVP zeigt damit, dass sie der Demokratie nicht würdig sind, wenn sie nicht für das Wohl des Landes arbeiten, sondern nur für den Ausbau ihrer parteipolitischen Macht.»

Dass die SVP und mit ihr viele Medien die Schweiz als «Schweiz AG» mit eigenem Brand, Logo, Verwaltungsrat, Kostenrechnung und Personalmanagement definiert, hat tiefreichende demokratische Konsequenzen. Es ist ein antidemokratisches Staatsverständnis, das leider auch von der Bundesverwaltung und der Schweizer Regierung gefördert wird. In der Form zeigt sich die neoliberale «Eroberung der Welt als Kreditkarte» besonders deutlich im Corporate Design des Bundes. Vergessen geht, dass die Schweiz eine Willensnation ist und kein Unternehmen. Der schweizerische Staat stützt sich auf die Pfeiler Pluralismus, kulturelle Buntheit, sprachliche Diversität und Vielfalt. Der Ausbau der schweizerischen Bundesverwaltung mit eigenem Corporate Design, das - wie die Einleitung zeigt - eine eigentliche Designdiktatur verordnet, verletzt die demokratischen Grundlagen des schweizerischen Staates.

Design ist nicht einfach Funktion, sondern es gestaltet die Welt. Die Philosophin Hannah Arendt hielt in ihrer Analyse totalitärer Systeme fest, dass der Zwang zum einheitlichen Auftreten, das monoton Normierte, der Zwang zur Gleichheit, der Druck zur Anpassung ein erstes Zeichen der Diktaturen war. Der formellen und visuellen Gleichschaltung folgt auch die innere Gleichschaltung, also das Gegenteil von Demokratie.

Die «Schweiz AG» gefördert von einer schweizerischen Bundesverwaltung, die sich eigentlich den Machtansprüchen der SVP gerne widersetzt, spielt aber der «Schweiz-Partei» voll in die Hände. Die Bestimmungen der Bundeskanzlei, das Bild der Schweiz zu normieren, zu fixieren, auf ein einheitliches Auftreten und eine einzige (!) Bezeichnung einzuschwören, widerspricht allem, wofür die Demokratie steht. Das einheitliche Meldepapier fördert gleichzeitig auch die Herrschaft des Niemands, das Ausschalten jeglicher Verantwortung möglicher Schreibtischtäter. Was wir aus dem Finanzmarkt und dessen grosse Krise von 2008 kennen, nämlich, dass der Zusammenbruch des Finanzsystems letztlich «niemand» verursacht hat, weil sich alle hinter Automatismen versteckten, die jenseits der eigenen Kontrolle lagen, wird mehr und mehr schweizerisches Regierungsprinzip.

Die Logik einer «Schweiz AG» mit Standortmarketing, Wähler-Wachstumsmarkt und Hierarchie ist ebenso besorgniserregend wie die Stille der Professoren auf ihren hochdotierten Designlehrstühlen. Nur totalitäre Systeme betonen die Identität zwischen Regierenden und Regierten (Der Führer schützt das Volk oder Die Diktatur des Proletariats). Demokratische Systeme brauchen die Repräsentativität, die Vielfalt, die Distanz zwischen Regierenden und Regierten - nur so sind Ab- und Wiederwahlen auch möglich.

Unter dem Deckmantel von «Funktionalität», von «Harmonisierung» und von «Professionalisierung» wird die Abschaffung des Politischen und der Demokratie forciert. Nur weil ein Vorschlag logisch, einfach und kostensparend ist, bedeutet dies nicht, dass er auch richtig ist.

Die Glaubwürdigkeit und Sicherheit «öffentlicher Dienstleistungen» (weshalb heisst es nicht mehr staatlicher Leistungen?) wird im Einheitslogobrei nicht gestärkt, sondern in ein System kapitalistischer Ordnungspolitik eingenormt.

Wir sehen in der «Brand»-Politik aller öffentlicher Güter wie Bildung, Gesundheit, Soziales sehr deutlich, welch Geistes die Formen sind. Es geht um die Verdinglichung, die Kapitalisierung, die Münzwerdung aller Lebewesen. Ein einheitliches Meldeformular mag angesichts dieses Satzes banal erscheinen. Dabei ist dies die Zeichensprache des Bösen der Banalität.

(Regula Stämpfli/news.ch)

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