Die grosse Abwesende

publiziert: Donnerstag, 30. Okt 2008 / 11:33 Uhr / aktualisiert: Donnerstag, 30. Okt 2008 / 12:02 Uhr

Wenn in den USA – wie jetzt gerade – ein Wahlkampf tobt oder in Europa die Politiker die Klingen im Kampf um die Wählergunst kreuzen, wird um alles gestritten. Von Kindergeld bis Kraftfahrzeugsteuern, von Freihandel bis zum Feriengeld, der Arbeitslosenversicherung bis zu Abtreibungen. Kein Thema scheint ausgelassen zu werden. Nur eines glänzt durch Abwesenheit: Die Wissenschaft.

Sicher, sie taucht irgendwie auf, indirekt, wenn es um Studiengebühren und Gelder für Universitäten geht. Aber als zentrales Thema an sich glänzt sie durch Abwesenheit, was irgendwie absurd ist, bietet doch die Wissenschaft Ansätze und Möglichkeiten, viele Probleme der Gegenwart zu erkennen, deren Ursachen zu finden und auch zu lösen.

Von neuen Energiequellen über umweltfreundliche Landwirtschaft bis zu einer nachhaltigen Gesellschaft ist die Wissenschaft überall daran, Lösungen zu suchen und auch vorzuschlagen. Sogar die Wirtschaftswissenschaften, denen momentan ja grösste Unfähigkeit vorgeworfen wird, haben schon längst auf die Probleme, welche nun zu einer Implosion der Weltwirtschaft führten, hingewiesen.

Die Wissenschaft ist – und das wissen auch die Wissenschaftler selbst – nicht perfekt. Aber sie strebt nach ständiger Verbesserung, indem die vorhandene Weisheit herausgefordert werden darf. Dies ist aber womöglich gerade das Problem, warum Politik und Wissenschaft – besonders in Gebieten, die den Alltag tangieren – ein solch angespanntes Verhältnis haben.

Das fängt schon dabei an, dass die Politik – obwohl sie in einer ständig wandelnden Welt agiert – endgültige Weisheiten und Ideologien verbreiten will. Politische Einstellungen agieren als weltliche «Ersatzreligionen», die zum Beispiel solche Dinge verkünden: «Der Markt weiss alles», «Menschen sind alle gleich geboren», «Besitz ist Diebstahl», «Der Staat ist Böse», «die Natur ist gut, Gentechnik ist schlecht», usw.

Die Wissenschaft hingegen kennt nur vorläufige Wahrheiten, die, seien sie auch noch so gut bewiesen, durch neue Beweise über den Haufen geworfen oder zumindest in Details revidiert werden können. Dies führt denn auch zu viel Verwirrung bei Nicht-Wissenschaftlern, die Glauben, dass eine Theorie – wie jene der Evolution – eine sehr unsichere Sache sei. Dabei handelt es sich um die Bezeichnung für die grösstmögliche Sicherheit, welche die Wissenschaft bieten kann.

Doch noch viel schlimmer für Politiker ist, dass gute, korrekte Wissenschaft unideologisch ist. Sie zeigt immer wieder auf, dass simple Wahrheiten vor allem eines sind: Falsch. Und das macht sie den Simplifizierern in den Parteien von links bis recht suspekt und zum Teil geradezu unsympathisch. Denn was soll man auf der Linken davon halten, wenn aus der Verhaltensforschung hervorgeht, dass Menschen – genau wie Affen – ein natürliches Streben nach einem persönlichen Vorteil haben? Und wenn die Rechten darüber jubeln, verstummen sie sofort, wenn darauf hingewiesen wird, dass unfaire Behandlung und Gier auch unter Primaten bestraft wird.

So geht es querbeet bei den kritischen Fragen unserer Zeit: Die Wissenschaft weigert sich, platte, simple Antworten zu geben. Und wenn sie mal relativ klare Aussagen macht, wie bei der Klimaveränderung, kann sie sich hemmungsloser Anfeindungen aus der Politik und Wirtschaft sicher sein.

Und das ist vielleicht des Rätsels Lösung. Gute Wissenschaft sucht nach der schwierigen Wahrheit in einer komplexen Welt. Die Politik hingegen will billige Lügen als Realität vermitteln. Kein Wunder, scheut sie sich vor allzu viel Nähe zu diesem unheimlichen Ding, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt und verpasst es, durch Integration echter Wissenschaft in die Politik in einem alltäglichen Bereich, eine in der Realität verankerte Politik zu betreiben.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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