Doper, Banker und das grosse Spiel

publiziert: Montag, 7. Apr 2008 / 12:10 Uhr / aktualisiert: Montag, 7. Apr 2008 / 12:39 Uhr

Das Frühjahr ist – zumindest laut Kalender – wieder da und die Radsaison hat für die Profis schon wieder begonnen. Dieser Sport, der in den letzten Jahren wegen nicht abbrechen wollender Dopingskandale durch den Fleischwolf gedreht wurde, wird von vielen – wenn überhaupt – nur noch mit Vorbehalt angeschaut und es wird so getan, als seien Radsportler moralisch verdorbener als andere Athleten.

Nun ist es so, dass eine zufällig zusammen gewürfelte Gruppe von Menschen praktisch nie moralisch oder sonst wie besser oder schlechter ist, als eine andere Gruppe. Von dem her sind Radfahrer nicht verkommener als Tennisspieler, Bäcker nicht edler als Bankangestellte. Wenn also viele Radfahrer dopen, ist es nicht wirklich hilfreich, sich auf die Akteure einzuschiessen.

Wesentlich aufschlussreichere Antworten kann einem hingegen die Spieltheorie, ein Teilgebiet der Mathematik bieten. Die Spieltheorie beschäftigt sich grob gesagt mit den rationalen Entscheidungen in sozialen Konfliktsituationen. Dies kann sich ebenso um Marktsimulationen wie um Kriegsszenarien handeln. Oder eben um das Verhalten eines Sportlers im Spannungsfeld von Moral und Regeln, Sieg und Niederlagen, davon kommen und erwischt werden.

Wie man sich das vorstellen kann, wird im berühmten Gefangenendilemma demonstriert. Zwei Leute sitzen – von einander isoliert – im Gefängnis, werden eines gemeinsam begangenen Verbrechens beschuldigt und müssen sich entscheiden, ob sie den Mitgefangenen belasten wollen oder nicht. Im besten Fall – der andere hält dicht und man selbst belastet ihn, bekommt der andere 4 Jahre Gefängnis während man selbst frei kommt. Wenn beide gestehen, bekommen beide zwei Jahre, halten beide dicht, gibt es je ein Jahr. Egal ob man schuldig ist, oder nicht, zu gestehen ist die beste Option, da man profitiert, ob der andere kooperiert oder nicht.

Im Radsport – und auch in anderen Sportarten – war es lange Zeit so, dass es wesentlich lohnender war, gedopt zu gewinnen und nichts zu sagen, als sauber zu fahren oder zu gestehen. Sogar heute ist es noch so, dass mit verschiedenen Tricks es immer noch lohnend sein kann (je lascher die Kontrollen wie in Fussball und Tennis, je mehr), zu unerlaubten Mitteln zu greifen.

Für mehr als ein Jahrzehnt war es Radprofis gar nicht wirklich möglich, sauber an der Spitze zu fahren – es war dopen oder einen anderen Job suchen. Und weil praktisch alle spritzten war auch das Feld wieder ausgeglichen. Zwar auf einem irren Niveau – wie die seit Ende der 80er Jahre stets steigenden Durchschnittstempi eindeutig zeigen – aber trotzdem ausgeglichen.

Doch wie soll man – wenn man wirklich will – den Sport – nicht nur den Radsport – sauber bekommen? Eigentlich ganz einfach: Die Strafen für Doping müssen steil rauf gehen (einmal erwischt – Karriere vorbei), die Kontrollen müssen unabhängig von den korrupten Verbänden gemacht werden, Vergehen aus der Vergangenheit bleiben straffrei (was nützt es, einstige Sieger zu relegieren, wenn die «Erben» ebenso gedopt haben?), und das ganze Team eines gedopten Athleten würde von einem Rennen oder Wettbewerb ausgeschlossen.

Solange es sich lohnt, ein Schwein zu sein, wie im Gefangenen-Dilemma, wird auch beschissen werden. Das Risiko «böse» zu sein, muss höher sein als die wahrscheinliche Belohnung dafür. Und dieser Grundsatz gilt nicht nur für den Sport. Auch die Bankenkrise, welche die Weltwirtschaft erschüttert und die USA in eine Rezession gerissen hat, wurde von Akteuren in die Wege geleitet, die eigentlich ganz logisch gehandelt haben: Die möglichen Gewinne waren gigantisch und wurden durch die Anreizsysteme bis zum letzten Akteur durchgereicht, während die Risiken verallgemeinert wurden. Zudem überprüfte niemand diese Risiken und Strafen drohten auch nicht, scheinen auch heute noch nicht zu drohen. Kein Investmentbanker wurde bisher verhaftet – wofür auch?

Es sind die Regeln, die das Spiel – jedes Spiel – bestimmen. Wenn es sich lohnt, zu betrügen oder - wenn um zu gewinnen – fast kein Weg am Betrug vorbei geht, wird auch beschissen. Wenn man selbst nicht das Risiko, das man eingeht, tragen muss, wird es auch knallhart eingegangen. Von dem her ist es eigentlich müssig, sich gross über Doper und Spekulanten zu wundern. Sie handeln so, wie man es von Menschen leider erwarten muss. Wer sich davon überraschen lässt, ist selbst schuld.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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