EU-Krise braucht mehr als Durchhalteparolen

publiziert: Mittwoch, 15. Jun 2005 / 08:53 Uhr / aktualisiert: Mittwoch, 15. Jun 2005 / 10:13 Uhr

Brüssel - Selbst krisenerprobte Diplomaten scheuen sich, die schwerste Krise in der Geschichte der EU mit den bewährten Durchhalteparolen abzutun. Es geht um Geld und das Fundament für die Erweiterung

Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker will Handlungsfähigkeit der EU zeigen.
Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker will Handlungsfähigkeit der EU zeigen.
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Der EU-Verfassung, dem Fundament für die EU-Erweiterung, droht nach dem Nein der Franzosen und Niederländer entweder ein jäher Tod oder langes Dahinsiechen.

Und dass beim Geld die Freundschaft aufhört, untermalen die schroffen Töne aus Paris und London, wenn die Rede auf die milliardenschwere Finanzplanung der Gemeinschaft von 2007 bis 2013 kommt.

Befreiungsschlag

Die Staats- und Regierungschefs müssen beim Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel den Befreiungsschlag wagen, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen. Der Brüsseler Polit-Betrieb kultiviert verzweifelt die Hoffnung, doch noch einen Ausweg aus der verzwickten Lage zu finden.

Doch die neu entfachte Debatte über die Erweiterung, die offene Distanzierung in einigen Hauptstädten von der Türkei, die immer wiederkehrenden Mahnungen, nicht zu schnell und zu grosszügig neue Mitglieder aufzunehmen, sind vielen Beobachtern alles andere als Zeichen der Geschlossenheit.

Denkpause als Beerdigung

Die Rufe nach einem Anhalten der Uhr für den Ratifizierungsprozess der Verfassung sind unüberhörbar. Doch sie finden nicht überall Anklang. "Denkpause ist ein anderes Wort für Beerdigung", sagt ein Diplomat und verweist auf die Risiken eines Stillstands.

Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker zeigt weiter ungebrochenen Willen, zumindest die Handlungsfähigkeit der EU auf dem Gipfel unter Beweis zu stellen und einen Finanzkompromiss zu finden.

Aber auch Juncker weiss, dass all seine Talente am Verhandlungstisch ins Leere laufen werden, wenn sich die entscheidenden Figuren hartleibig gebärden. "Es hängt fast alles an dem Britenrabatt", heisst es beinahe unisono in Brüssel.

Britenrabatt

Dieser für Grossbritannien so lukrative Rabatt auf die Zahlungen in die EU-Kasse aus dem Jahr 1984 könnte sich als unüberwindliches Hindernis auf dem zur Einigung erweisen. "Das war ein Riesenfehler, dass der auf alle Ewigkeit festgeschrieben worden ist."

Ob Grossbritanniens Premier Tony Blair bereit ist, das Privileg zu Gunsten der europäischen Idee aufzugeben, bleibt angesichts der europa-skeptischen Haltung der meisten Insel-Bürger fraglich. Zumal der Premier im Wartestand, Finanzminister Gordon Brown, ein solches Szenario hilfreich finden könnte, den Machtwechsel zu forcieren.

Juncker kann nur hoffen, dass der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac, die beide innenpolitisch angeschlagen zum Gipfel reisen, in einer beispiellosen Kraftanstrengung mit ihm den Karren aus dem Dreck ziehen.

(Martin Romanczyk/dpa)

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