Neue Regeln für Entsendung vor Arbeitern

EU-Minister einigen sich auf «flankierende Massnahmen»

publiziert: Montag, 9. Dez 2013 / 20:30 Uhr
In Europa gibt es etwa 1,2 Mio. Arbeitskräfte, die von ihren Unternehmen ins EU-Ausland entsandt werden.
In Europa gibt es etwa 1,2 Mio. Arbeitskräfte, die von ihren Unternehmen ins EU-Ausland entsandt werden.

In der EU werden die Regeln zur Entsendung von Arbeitern ins EU-Ausland verschärft: Die 28 EU-Arbeitsminister haben nach stundenlangen Diskussionen am Montag in Brüssel neue Massnahmen beschlossen, um Arbeitnehmende vor Ausbeutung zu schützen.

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"Ich war heute Morgen um acht Uhr nicht so optimistisch, dass wir eine Einigung finden würden", sagte der luxemburgische Arbeitsminister Nicolas Schmidt nach der Sitzung.

Die EU-Minister stritten über die Durchsetzungsrichtlinie, deren Ziel es ist, die Schwachstellen der EU-Entsenderichtlinie aus dem Jahre 1996 auszumerzen. Die Entsenderichtlinie erlaubt, dass Arbeitnehmende in einem anderen EU-Land eine begrenzte Zeit arbeiten können.

So kann etwa ein polnisches Baugeschäft in Deutschland ein Haus bauen. Dazu kann es seine Arbeiter dorthin schicken, die nach polnischem Standard entlöhnt werden.

Frankreich und Belgien leiden unter Missbrauch

Aufgrund des Personenfreizügigkeitsabkommens zwischen der Schweiz und der EU können Unternehmen aus den EU-Staaten ihre Angestellten für Arbeiten auch in die Schweiz entsenden - und umgekehrt.

Um Lohn- und Sozialdumping sowie Schwarzarbeit zu verhindern, hatte die Schweiz parallel zur Personenfreizügigkeit "flankierende Massnahmen" eingeführt. Erst vor kurzem wurden diese gar verschärft - etwa mit der Einführung der Solidarhaftung für das Bauhaupt- und Baunebengewerbe.

Denn das Problem mit entsandten Arbeitnehmenden besteht darin, dass sie weder voll dem Arbeitsrecht in ihrem Heimatland noch jenem des Gastlands unterstehen. Dies schafft Raum für Missbrauch. Vor allem Frankreich und Belgien beklagen Missstände.

Kettenhaftung oder ähnliches System

Zur Diskussion stand bei den EU-Ministern daher die obligatorische Einführung einer Kettenhaftung - ähnlich der Schweizer Solidarhaftung. So soll auch in der EU der Auftraggeber für Schwarzarbeit sowie Lohn- und Sozialdumping von Subunternehmern geradestehen müssen.

Die Minister einigten sich schliesslich darauf, dass die EU-Länder entweder eine Kettenhaftung oder ein ähnliches System mit der gleichen Wirkung einführen müssen.

Dank dieses Kompromisses konnte Polen auf die Seite der Befürworter gezogen werden, ohne dessen Zustimmung das qualifizierte Mehr nicht zustande gekommen wäre. Dagegen stimmten Grossbritannien, Ungarn, Tschechien, die Slowakei, Malta, Estland und Lettland. Für Deutschland war wichtig, dass es seine Generalunternehmerhaftung für das Baugewerbe beibehalten kann.

Offene Liste bei Kontrollmassnahmen

Ausserdem einigten sich die EU-Minister auf die Stärkung nationaler Aufsichtsbehörden im Kampf gegen Lohndumping und Schwarzarbeit. Neu sollen die Entsendefirmen die Behörden zum Beispiel über Zahl und Identität ihrer Angestellten informieren und deren Einsatz dokumentieren.

Streitpunkt war, ob die Liste solcher Kontrollmassnahmen EU-weit definiert sein soll oder nicht. Staaten wie Deutschland plädierten dafür, die Liste der erlaubten Aufsichtsmöglichkeiten nicht zu beschränken. Nur so könne bei Bedarf auf neue Tricks zwielichtiger Arbeitgeber reagiert werden, hiess es.

Die Minister nahmen nun eine Liste von Massnahmen an, die aber nicht sakrosankt ist. Länder, die eine neue Kontrollmassnahme einführen wollen, können das unter der Bedingung der Informationspflicht tun.

EU-Arbeitskommissar Laszlo Andor begrüsste die erzielte Einigung: "Es ist dringend notwendig, die Schutzmassnahmen in den EU-Regeln zu verstärken, um sicherzustellen, dass entsandte Arbeitnehmer in der Praxis respektiert werden."

Die Vorlage ist jedoch noch nicht unter Dach und Fach: Als nächstes muss eine Einigung mit dem EU-Parlament erzielt werden.

1,2 Millionen Entsandte in Europa

Ist die EU-Vorlage dereinst in Kraft, dann ist das auch für die Schweiz relevant. Denn die eben beschlossene Durchsetzungsrichtlinie bezieht sich auf die EU-Entsenderichtlinie. Die Schweiz hat mit dem Freizügigkeitsabkommen mit der EU diese Richtlinie zwar nicht wörtlich übernommen, aber Teile davon sind im Freizügigkeitsabkommen enthalten.

Die EU-Kommission kann, wenn sie es für nötig befindet, daher mit dem Anliegen auf die Schweiz zukommen, die neue Richtlinie zu übernehmen. Die Schweiz wird dann ihrerseits prüfen, ob sie die Änderungen übernehmen und nötigenfalls ihre Gesetzgebung anpassen wird oder nicht. Ein Zwang dazu besteht nicht.

In Europa gibt es nach Angaben der EU-Kommission etwa 1,2 Millionen Arbeitskräfte, die von ihren Unternehmen ins EU-Ausland entsandt werden. Im Jahre 2011 nahm Deutschland mit 311'000 die meisten Entsandten auf, gefolgt von Frankreich (162'000), Belgien (125'000) und den Niederlanden (106'000). Gemäss einem Communiqué des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO nahm die Schweiz im Jahre 2011 66'150 Entsandte auf.

 

(fest/sda)

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