Ehren-Freidenker Bischof Norbert Brunner von Sitten tritt zurück

publiziert: Donnerstag, 6. Jun 2013 / 15:06 Uhr / aktualisiert: Mittwoch, 12. Jun 2013 / 11:16 Uhr
Norbert Brunner - heimlicher Ehren-Freidenker - trat zurück: Seinem Nachfolger wird es leicht fallen, volksnah zu scheinen.
Norbert Brunner - heimlicher Ehren-Freidenker - trat zurück: Seinem Nachfolger wird es leicht fallen, volksnah zu scheinen.

Man hätte meinen können, dass Bischof Brunner ein Geheimagent der Freidenker in kirchlichen Kreisen war. Er hat wohl für mehr Kirchenaustritte im Wallis gesorgt als sämtliche Aktivitäten der Sektion Wallis der Freidenker. Für sein Engagement und seine unfreiwillige Arbeit im Dienste der Aufklärung und des Fortschritts danken wir ihm!

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Eigentlich wollte ich nicht schon wieder über Klerikales schreiben. Vorletzte Woche hatte ich ja etwas erstaunt über den Papst und seine wohlwollenden Worte gegenüber Ungläubigen berichtet. Der Vatikan hat ja aber mittlerweile seinen Papst zurückgepfiffen und klargestellt, dass auch sich tadellos verhaltende Freidenker und andere Falschgläubige in die Hölle kommen. Das Heil liegt also immer noch alleine bei und in der katholischen Kirche. Da bin ich froh. Gott sei dank komme ich nicht in den Himmel! Wäre mir auch viel zu langweilig dort, bei all dem Preisen und Loben. Lieber zusammen mit Goethe, Einstein, Hitchens und Sagan in der Hölle brutzeln. Aber auch dazu wird es nicht kommen, existiert ja eine Hölle ebenso wenig wie ein Himmel.

Item: Man soll die Bischöfe feiern, wie sie fallen. Und daher ein paar Zeilen zu «meinem» Bischof. Es kann durchaus sein, dass er gravierendere gesundheitliche Probleme hat, als dies der breiten Öffentlichkeit bekannt ist. Dies würde verschiedene Verhaltensweisen über die vergangenen Jahre hinweg etwas verständlicher machen. Aber im Grunde bleibt jetzt halt der Eindruck eines Bischofs, der mit einer wahrlich katholischen Sturheit gesegnet war und über die erstaunliche Fähigkeit verfügt(e), in jedes Fettnäpfchen zu treten, das herumliegt. Und falls mal keine Fettnäpfchen in der Nähe waren, hat er selber welche hingestellt, um dann hineinzutreten. Ausserhalb des Wallis' ist vielleicht nicht im Detail bekannt, zu welchen Höchstleistungen er fähig war. Er machte hierin bisweilen sogar dem unvergleichlichen Vitus Huonder Konkurrenz. (Siehe unten angehängten Artikel «Ein Bischof im Wallis: Wie Gott in Frankreich»)

Zu aussergewöhnlich starken Reaktionen und Unverständnis der katholischen Basis führten seine neuesten Grosstaten: In der Pfarrei Raron und in der Pfarrei Visp hatten die Firmlinge Teile des Konfirmationsgottesdienstes selber mitgestalten wollen, mit Musik und theatralischen Einlagen. Der Chef hatte dies jedoch untersagt. Dergleichen sei nicht den strengen liturgischen Regeln entsprechend. In einem Brief an Eltern, die das Gespräch mit ihm suchten, erwähnte er, dass er über die Angelegenheit nicht diskutieren wolle, und: Er «sei nicht bereit, einer übertriebenen Selbstdarstellung von Kindern oder von diesen dargebotenen Theatern beizuwohnen.» Sedunum locutum, causa finita! Das üblicherweise mit den Firmlingen stattfindende Gespräch hat Bischof Norbert dann auch gleich ins Wasser fallen lassen. Die Pastoralassistentin, welche die Firmung mit den Jugendlichen vorbereitet hatte, liess im Pfarrblatt wissen, dass sie unter anderem, weil das Bistum Sitten immer «repressiver» werde, ihre Stelle gekündigt habe und auch aus dem Kloster austreten werde. Entgegen dem Verbot durch den Bischof verdankte eine Schülerin anscheinend im Firmgottesdienst die Arbeit von Schwester Federer und minutenlanger Applaus sei gemäss Zeitungsbericht die Reaktion der Anwesenden gewesen. Eine gröbere Ohrfeige ist in einem Gotteshaus ja schwer vorstellbar. Es sei denn, «Pussy Riot» wäre involviert.

Aber Bischof Norbert ist schon durch ganz viele andere Sturheiten aufgefallen. Diese Einschätzung stammt übrigens nicht von mir, sondern von gläubigen Katholikinnen und Katholiken, die einem Freidenker ja durchaus mal gerne ihre kritische Fähigkeit demonstrieren, indem sie das «Bodenpersonal» und die Leitung hinterfragen. Er habe sich von der Basis entfernt, sei nicht mehr «ihr» Bischof... Anlässlich einer Töffsegnung war Bischof Brunner auch am Werk: Die Töffs auf dem Simplon segnet jetzt ein evangelischer Pastor. Polemik gab es auch um Gottesdienste in Altersheimen. Er verbot einem in den Ruhestand tretenden Pfarrer gegen alle Widerstände aus der Bevölkerung, in Eischoll seine Altersresidenz zu beziehen. Dass er sich in der Neujahrsansprache vor dem Gesamtstaatsrat (präsidiert von einer SP-Staatsrätin!) gegen die Gleichberechtigung von Homosexuellen aussprach, wurde leider von den wenigsten Medienschaffenden wahrgenommen. Weinerlich wurde er, als sich über die Medienberichterstattung zu den Kindsvergewaltigungen durch Priester und den Vertuschungen dieser Schandtaten ausliess. Die Medien seien da nicht fair gewesen, sondern «Ankläger, Richter und Henker in einem». Er verweigerte die Erlaubnis, auf einem Kirchendach eine Solaranlage zur Energiegewinnung zu installieren. Und so weiter. Und so fort.

Interessant war übrigens bis anhin die mediale Berichterstattung zum Rücktritt. Es gab einige kritisch-objektive Töne. Stimmen und Kommentare zum Rücktritt wurden aber bis anhin von den lokalen Medien jeweils nur von Ordensfrauen oder Priestern gesammelt. In einem einzigen Radiobeitrag habe ich eine «Meinung aus dem Kirchenvolke» vernommen. Insgesamt halt Beisshemmung des Rücktritts wegen, jedenfalls eine etwas verquere Auffassung von Journalismus. Man stelle sich vor, Christoph Mörgeli träte von einem Amt als Nationalrat zurück. Würde man da alleine und einzig Leute aus dem SVP-Parteivorstand des Kantons Zürich befragen und zu Wort kommen lassen? Ich denke nicht.

Vielleicht war sein Verhalten in den letzten Jahren aber auch ein gezielter Schachzug, um seinen Nachfolger in einem besseren Licht erscheinen zu lassen? Nach seinen dauernden Fehltritten wird es (s)einem Nachfolger jedenfalls sehr leicht fallen, volksnah, tolerant und dialogfähig zu erscheinen. Wir hoffen jedoch insgeheim darauf, dass sich ein Nachfolger finden lässt, der vom selben intellektuellen Kaliber und ebenso sympathisch wie sein Vorgänger ist. Solche Bischöfe braucht es, um die katholischen Kirchen noch leerer zu bekommen, als sie ohnehin schon sind! Wir werden ihn vermissen.

(Valentin Abgottspon/news.ch)

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