Ein Tour-de-France-Sieger der anderen Art

publiziert: Montag, 24. Jul 2006 / 10:18 Uhr / aktualisiert: Montag, 24. Jul 2006 / 11:58 Uhr

Floyd Landis ist Amerikaner und damit von gleicher Herkunft wie sein Vorgänger und siebenfacher Tour-Sieger Lance Armstrong. Die Nationalität ist aber wohl das einzige, was die beiden gemeinsam haben.

Landis war froh, dass er Ende 2004 ein (lukratives) Angebot von Phonak erhielt.
Landis war froh, dass er Ende 2004 ein (lukratives) Angebot von Phonak erhielt.
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Am Tag der grossen Niederlage in der Alpenetappe nach La Toussuire sass Landis noch auf dem Balkon des Chalets in der Skistation. Während seine Kollegen in der kühlen Bergluft leicht fröstelten und sich unter einer Wolldecke oder im Inneren wärmten, sass der Phonak-Captain nur mit einem T-Shirt draussen und hatte vor sich ein Bier.

Er sprach von einem Desaster, für das er keine Erklärung fand. Er war «down», wie er selber sagte, fand aber sehr schnell den Mut wieder. Als ihn Andy Rihs von seinem grosszügigen Anwesen in der Provence anrief, um ihn zu trösten, hatte Landis seinen Kampfgeist bereits wieder gefunden. «Andy, die Tour ist noch nicht zu Ende», entgegnete er dem Team-Besitzer.

Diese kleine Episode am Vortag seiner grossartigen Vorausfahrt, mit der er den Grundstein zum Tour-Erfolg legte und die Reporter aus aller Welt im höchsten Masse verzückte, gibt den Charakter des eigenwilligen Amerikaners wieder.

Aufgewachsen irgendwo im Niemandsland in Pennsylvania als eines von sechs Kindern in einer Mennoniten-Familie. Von diesem Hintergrund sind Landis´ Moral, Werte und Arbeitseinstellung beeinflusst, obwohl er sich in der Jugend gegen das Leben in dieser Gemeinschaft aufgelehnt hatte.

Erste Runden auf Supermarkt-Velo

Im Alter von 15 Jahren drehte er - auf einem billigen Supermarkt-Velo - seine erste Runden. Alsbald unterband sein Vater, ein Lastwagenchauffeur, die nachmittäglichen Ausfahrten, die für ihn «Zeitverschwendung» waren.

«Also fing ich an, nachts zu fahren, ohne Licht, ohne Reflektoren, dafür mit Jeans und Gartenhandschuhen; drei Stunden lang, von 21 bis 24 Uhr», erzählt Landis. Geschlafen hätte er jeweils in der Schule, witzelt er heute. Erst als der junge Landis 1993 die nationalen MTB-Meisterschaft der Junioren gewann, schwand die Skepsis der Eltern gegenüber dem «kranken» Hobby.

Landis arbeitete weiter in einem Lebensmittelgeschäft und fuhr nebenbei Velo - 35 000 Kilometer im Jahr. Landis lernte die Fremde kennen; seinen ersten Flug - an die Mountainbike-WM in Frankreich - bezeichnet er als «schreckliche Erfahrung».

Irgendwann entschloss sich Landis, das elterliche Haus zu verlassen. Er schaute auf die Landkarte und suchte die Stadt, die am weitesten von Lancaster entfernt ist. Er belud sein kleines Auto und fuhr los ins kalifornische San Diego. Dort lernte er seine Frau Amber kennen, mit der er heute noch zusammen ist.

Irgendwann sattelte der Mountainbiker Landis um und wurde Strassenfahrer. Er erhielt 1999 bei Mercury seinen ersten Profivertrag und beendete sein erstes Rennen, die Tour de l´Avenir, im dritten Schlussrang, nachdem er sogar mehrere Tage das Leadertrikot getragen hatte.

Veloprofi entgegen allen Ratschlägen

Drei Jahre später war Mercury pleite, und Landis fand im grossen US-Postal-Team von Lance Armstrong Unterschlupf. Johan Bruyneel und Armstrong formten aus dem lebenfrohen, nicht immer seriösen Landis einen «richtigen» Veloprofi. Bruyneel bemerkte aber nicht nur das Talent von Landis, sondern auch dessen Verachtung für Autorität und Anpassungsschwierigkeiten.

«Der Grund, dass ich Veloprofi geworden bin, ist der, dass ich Dinge tat, von denen andere mir mein Leben lang sagten, ich solle oder könne sie nicht tun. Als Johan mir also sagte, was ich zu tun oder zu lassen hatte, tat ich es für gewöhnlich trotzdem», gibt Landis zu.

So war Landis froh, dass er Ende 2004, als US Postal seinen Vertrag noch immer nicht verlängert hatte, ein (lukratives) Angebot von Phonak erhielt. Er dankte für das Vertrauen mit dem Tour-Sieg 2006.

Und die Geschichte wird in diesem Herbst gar noch um ein Kapitel angereichert, wenn er seine rechte Hüfte, die ihm seit anderthalb Jahren zunehmends Schmerzen bereitet, operiert. Er wird sein Comeback sicher wieder mit dem ihm eigenen schwarzen Humor kommentieren.

(von Sascha Rhyner (Si), Paris/Si)

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