Ein möglicher Fall von «Artnapping»

publiziert: Montag, 11. Feb 2008 / 18:45 Uhr

Bern - Beim Kunstraub in der Sammlung Bührle könnte es sich um einen Fall von «Artnapping» handeln - einen Raub mit anschliessender Lösegeldforderung. Als sicher gilt, dass die gestohlenen Kunstwerke auf dem Markt kaum verkäuflich sind.

Aus dem Museum in einem Wohnhaus aus dem Jahre 1886 wurden Exponate im Wert von rund 180 Mio. Franken erbeutet.
Aus dem Museum in einem Wohnhaus aus dem Jahre 1886 wurden Exponate im Wert von rund 180 Mio. Franken erbeutet.
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Es komme äusserst selten vor, dass Kunstwerke im Auftrag von Sammlern gestohlen würden, sagt Yves Fischer, Leiter der Fachstelle Kulturgütertransfer beim Bundesamt für Kultur (BAK). Jedenfalls habe sich ein solcher Verdacht kaum je bestätigen lassen.

Diese Einschätzung teilt auch das Bundesamt für Polizei (fedpol). Eher noch werde im Nachhinein ein Käufer ermittelt, der bereit sei, das Diebesgut zu kaufen, erklärt fedpol-Sprecher Guido Balmer. Es handle sich dabei in der Regel um Käufer «aus Ländern mit geringer staatlicher Kontrolle».

Hohes Risiko für Käufer

In den meisten Staaten gehen Käufer von «heisser Ware» ein hohes Risiko ein: Überwacht werden nicht nur Import, Export und Auktionen, sondern zunehmend auch der Internethandel.

In der Schweiz muss gemäss dem Kulturgütertransfergesetz die Herkunft eines Werks beim Erwerb lückenlos geklärt sein. Dem Käufer von Diebesgut drohen Strafen von bis zu zwei Jahren Gefängnis und 200'000 Franken Busse.

«Kunstklappe» für reuige Räuber

Ein häufigeres Motiv als der Weiterverkauf sei der Reiz am spektakulären Diebstahl, sagt Fischer. In diesen Fällen kämen die gestohlenen Werke meist irgendwann wieder zum Vorschein, manchmal an einer Bushaltestelle.

Um reuige Räuber zu einer Rückgabe zu ermuntern, hat ein Galerist in Wien zu neuen Mitteln gegriffen: Er richtete eine «Kunstklappe» ein, wo - analog zur «Babyklappe» - Kunstwerke anonym deponiert werden konnten. Seines Wissens sei sie genutzt worden, sagt Björn Quellenberg vom Kunsthaus Zürich, das im Herbst eine Veranstaltung zum Thema «Kunstraub» durchgeführt hatte.

Zwecks Erpressung «entführt»

Beim Fall Bührle mag jedoch niemand an einen Bubenstreich aus Übermut glauben: Der bewaffnete Raubüberfall sei professionell geplant und durchgeführt worden, gibt Fischer vom BAK zu bedenken.

Bleibt das «Artnapping», das international zunehmend Schlagzeilen macht. Der Begriff leitet sich von «Kidnapping» (Entführung) ab. Die Kunstwerke werden entwendet und dem Eigentürmer oder dessen Versicherung unter Androhung der Zerstörung zum «Rückkauf» angeboten.

Zahlungen im Geheimen

Laut dem internationalen Kunstversicherer Hiscox handelt es sich bei 60 bis 70 Prozent der Kunstdiebstähle um «Artnapping». In der Schweiz sei offiziell kein Fall bekannt, sagt Fischer. Er gibt aber zu bedenken, dass die Eigentümer in der Regel kein Interesse daran hätten, Lösegeldforderungen oder -zahlungen publik zu machen.

Fischer ist überzeugt, dass Museen und Versicherungen «versucht sind, zu zahlen». Die Museen möchten ihre Werke zurück haben, und die Versicherungen sind bereit, ein Lösegeld zu zahlen, wenn dieses unter der Versicherungssumme liegt.

Interpol informiert

Für den Fall, dass die Werke doch zum Verkauf angeboten werden sollten, hat das Bundesamt für Polizei Interpol informiert, wie fedpol-Sprecher Guido Balmer auf Anfrage sagte. Die Bührle-Kunstwerke wurden somit in die Interpol-Datenbank aufgenommen, die über 30'000 gestohlene Kunstobjekte umfasst. Auch die Zollbehörden wurden umgehend informiert.

Die Schweiz gilt eher als Transit- denn als Zielland für gestohlene Kunstwerke. Das neue Kulturgütertransfergesetz, das seit 2005 in Kraft ist, zeigt gemäss dem Bundesamt für Kultur aber Wirkung. Im Rahmen von Ein- und Ausfuhrkontrollen wurden verschiedene Objekte beschlagnahmt.

In drei Fällen kam es zu Rückführungen von Objekten, die illegal aus ihren Herkunftsländern exportiert worden waren. Ein Marmortorso wurde nach Griechenland zurück gebracht, eine Bronzehand in die Türkei, ein weiteres Objekt nach Peru. Strafen gegen Käufer sind laut Fischer noch nicht ausgesprochen worden.

(von Charlotte Walser/sda)

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