Si. Der erste Sport-Grossanlass im «neuen» Russland droht für die
Gastgeber zum Desaster zu werden. Zum ersten Mal überhaupt verloren
die Russen (früher Sowjetunion) an einer WM dreimal hintereinander.
Die Viertelfinals kann Russland nun nur noch erreichen, wenn es aus
den verbleibenden zwei Spielen gegen Weissrussland (am Sonntag) und
Schweden (Dienstag) das Punktemaximum holt und der Verlierer der
heutigen Partie Schweiz - Schweden in der Zwischenrunde keinen
Punkt gewinnt.
In Russland ist nun Staatstrauer ausgebrochen. Dem Volk, das
sich so herzlich mit der Weltmeisterschaft identifiziert, wäre ein
erfolgreicherer Turnierverlauf für die Heimmannschaft zu wünschen
gewesen. Als der Speaker im neuen Ice Palace das Ende des Spiels
verkündete, tat er dies mit weinerlicher Stimme. An den bisherigen
vier Heim-Weltmeisterschaften hat die Sowjetunion dreimal Gold und
einmal Silber gewonnen.
Kopie des Schweiz-Spiels
Die Partie gegen die Letten war eine Kopie des Spiels gegen die
Schweiz. Wieder stand es am Ende 2:3, erneut fiel die Entscheidung
gegen die Russen in der Schlussphase des zweiten Drittels innerhalb
weniger als zwei Minuten. Statt Pavoni, Thomas Ziegler und Sutter
hiessen die Helden diesmal Arthur Irbe, Alexander Semjonow und
Alexander Belawski. Torhüter Irbe, der vor zehn Jahren in Bern mit
der Sowjetunion Weltmeister geworden war, zog den Russen mit seinen
Paraden den Nerv, Semjonow gelangen innerhalb von 92 Sekunden die
wegweisenden Tore vom 1:1 zum 3:1 und Belawski, der das 1:0 erzielt
hatte, war mit Abstand der Beste seines Teams. Die Letten spielen
am Montag gegen die Schweiz.
Erleichtert wurde Lettland der Sieg durch unglaubliche Aussetzer
der Russen. Der junge Torhüter Ilja Brytsgalow griff beim 1:2
daneben, wurde beim 1:3 von hinten unglücklich angeschossen und
danach ausgewechselt. Pawel Bure lief mit unnötigen Bögen ins
Offside. Waleri Kamenski benötigte herumstehend 20 Sekunden, um den
Helm, den er verloren hatte, wieder anzuziehen. Die Russen wurden
in Unterzahl ausgekontert! Von den legendären Kombinationen und
Automatismen war nichts zu sehen; stattdessen suchten die Stars,
allen voran Bure, die Wende in Einzelaktionen. «Nicht nur für das
russische Volk, auch für mich ist unser bisheriges Abschneiden eine
Tragödie», so Coach Alexander Jakuschew.
Jakuschews Rücktrittsgedanken
Gegen Jakuschew richtet sich die meiste Kritik. Der Russe, der
von 1995 bis 1997 gut zwei Jahre in Ambri verbrachte (und in dieser
Zeit einmal das Playoff verpasste), tat in der Tat wenig gegen die
Niederlage. Er verzichtete auf das Reduzieren der Kräfte und auf
Umstellungen der Linien. Bei Spartak Moskau war Jakuschew diese
Saison entlassen worden, weil er gemäss der Spartak-Klubführung
nicht der richtige Mann für eine Mannschaft ohne Stars gewesen sei.
Nun hat er aber aus einem Star-Ensemble, wie Russland in der «Nach-
Sowjetunion-Zeit» nie mehr eines aufbieten konnte, ebenfalls wenig
herausgeholt. Er stehe mittlerweile dem Rücktritt nahe, so
Jakuschew nach dem Spiel. Mit dem Rücktritt käme er wohl höchstens
der Absetzung zuvor. Allerdings ist nicht zwingend mehr anzunehmen,
dass die Russen jetzt noch, wo das Turnier kaum mehr zu retten ist,
einen neuen Nationalcoach benennen werden.
Sulanders Fehlgriffe
Während Russland kaum mehr hoffen darf, wahrte Kanada nach der
enttäuschenden Vorrunde zumindest seine Chancen auf einen positiven
weiteren WM-Verlauf. Die Kanadier besiegten Finnland 5:1, obwohl
sie 32 Minuten lang in Rückstand lagen. ZSC-Torhüter Ari Sulander
erleichterte den Kanadiern mit Fehlgriffen die Wende. Bei Todd
Bertuzzis Ausgleich griff er daneben, Adrien Aucoin erzielte das
3:1 von der Mittellinie aus. Drei der fünf Kanada-Tore waren nicht
unhaltbar, zwei fielen im Powerplay. Chancenlos war Sulander bei
Brad Isbisters 4:1; bei diesem Tor hatte der «Davoser» Petteri
Nummelin als hinterster Mann die Scheibe verloren.
Der kanadische Sieg entsprang entsprechend weniger eigener
Stärke denn finnischer Schwächen. Den Skandinaviern gingen bloss 18
Stunden nach dem anstrengenden Spiel gegen die Slowakei (2:2) die
Kräfte aus. Bis zur 39. Minute führten sie 1:0, acht Minuten später
stand die Partie 1:3.
USA im Viertelfinal
Während die Kanadier um ihre Viertelfinal-Teilnahme noch bangen
müssen, sind die USA für die Playoffs bereits qualifiziert. Sie
sicherten sich die Qualifikation mit einem 1:0 über Weissrussland;
Chris Luongo erzielte in der 26. Minute das Tor. Auch Titelhalter
Tschechien, das Italien 9:2 bezwang, kann sein Viertelfinal-Ticket
nur noch in der Theorie verspielen.
Resultate, Tabellen
Gruppe E (Ice Palace):
Freitag:
Lettland - Russland 3:2 (0:0, 3:2, 0:0).
USA -
Weissrussland 1:0 (0:0, 1:0, 0:0).
Tabelle:
1. USA 3 2 1 0 7: 3 5 *
2. Schweden 2 2 0 0 10: 1 4
3. Lettland 3 2 0 1 10: 8 4
4. Schweiz 2 1 1 0 6: 5 3
6. Russland 3 0 0 3 4: 9 0
5. Weissrussland 3 0 0 3 3:14 0
Die weiteren Spiele.
Samstag: Schweden - Schweiz (18.30 Uhr). --
Sonntag: Weissrussland - Russland (14.30 Uhr). USA - Lettland
(18.30). -- Montag: Lettland - Schweiz (14.30 Uhr). Schweden - USA
(18.30). -- Dienstag: Schweiz - Weissrussland (14.30 Uhr). Schweden-
Russland (18.30).
Gruppe F (Jubileini):
Freitag:
Finnland - Kanada 1:5 (1:0, 0:1, 0:4).
Tschechien -
Italien 9:2 (2:0, 5:0, 2:2).
Tabelle:
1. Tschechien 3 3 0 0 15: 3 6
2. Slowakei 2 1 1 0 8: 4 3
3. Finnland 3 1 1 1 9: 7 3
4. Norwegen 2 1 0 1 4: 7 2
5. Kanada 3 1 0 2 9: 7 2
6. Italien 3 0 0 3 4:21 0
Die weiteren Spiele. Samstag: Slowakei - Norwegen (18.30 Uhr).--
Sonntag: Italien - Kanada (14.30 Uhr). Tschechien - Finnland
(18.30). -- Montag: Finnland - Norwegen (14.30 Uhr). Slowakei -
Tschechien (18.30). -- Dienstag: Norwegen - Italien (14.30 Uhr).
Slowakei - Kanada (18.30).
* = in den Viertelfinals
Gruppe G (um Plätze 13 - 16):
Samstag: Japan - Ukraine (14.30 Uhr). Österreich - Frankreich
(14.30)
Tabelle:
13. Frankreich 0 0 0 0 0: 0 0
. Japan 0 0 0 0 0: 0 0 *
. Österreich 0 0 0 0 0: 0 0
. Ukraine 0 0 0 0 0: 0 0
Die weiteren Spiele. Sonntag: Ukraine - Frankreich (10.30 Uhr).
Österreich - Japan (10.30). -- Dienstag: Frankreich - Japan (10.30
Uhr). Ukraine - Österreich (10.30).
* = Japan als Asien-Vertreter für WM 2001 gesetzt
(ba/sda)