Energiepolitik nach Kreml-Art

publiziert: Montag, 2. Jan 2006 / 12:05 Uhr / aktualisiert: Montag, 2. Jan 2006 / 15:41 Uhr

Moskau - Mit einem Paukenschlag hat sich Russland als neuer Vorsitzender der G8-Industriestaaten vorgestellt: Der Gasboykott gegen die Ukraine pünktlich zu Neujahr könnte ein Aspekt der Politik sein, die Moskau als G8-Vorsitzender verfolgen will.

Wladimir Putin drehte den Gashahn zu.
Wladimir Putin drehte den Gashahn zu.
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Mit Blick auf die grossen Industrienationen als Kunden kündigte Präsident Wladimir Putin zum Jahreswechsel an, man wolle weltweit eine «zuverlässige Energieversorgung» erreichen. Die Ukraine, seit der «Revolution in Orange» von der Gunst des Kremls abgeschnitten, spricht dagegen im konkreten Fall von Erpressung.

Mit jedem Bar, mit dem der Gasdruck in den Röhren absinkt, erhöht sich zugleich der Druck auf die ukrainische Regierung. Der vom Kreml kontrollierte Konzern Gasprom gab sich zu Neujahr nicht einmal mehr Mühe, die politischen Ambitionen hinter dem Gasboykott zu verbergen.

Gasprom macht Juschtschenko verantwortlich

«Wir meinen, dass es der ukrainischen Staatsführung unmöglich sein wird, ihrem Volk den Grund für eine derart kurzsichtige Politik zu erklären», sagte ein Gasprom-Sprecher am Sonntag. Mit «kurzsichtig» war das angebliche Versagen des in Moskau unbeliebten Präsidenten Viktor Juschtschenko bei den Verhandlungen gemeint.

Allem Anschein nach setzt der russische Machtapparat aus Politikern und Energieversorgern auf Massenproteste in der Ukraine und eine Niederlage Juschtschenkos bei der Parlamentswahl Ende März. Bis zu jenem Termin hatte Putin der Ukraine noch an Silvester einen Aufschub angeboten.

Juschtschenko, ein erklärter Freund von EU und NATO, schlug die Gnadenfrist aus. Ansonsten hätte das Gasproblem wohl pünktlich zur Wahl am 26. März neue explosive Kräfte entfaltet.

Russland sichert sich Transportrechte

Der Kreml hat Vorsorge getroffen, dass sich der fahnenflüchtige Nachbar nicht auch noch aus der Energieabhängigkeit lösen kann. Rechtzeitig zum grossen Finale im russisch-ukrainischen Gasstreit sicherte sich Gasprom nach eigenen Angaben die Transportrechte an sämtlichen Gasexporten aus Turkmenien.

Bis zuletzt setzte Kiew seine Hoffnung auf die diktatorisch regierte Ex-Sowjetrepublik am Ostufer des Kaspischen Meeres. Im Vorjahr deckte die Ukraine fast die Hälfte ihres Verbrauchs aus turkmenischen Lieferungen.

Gas-Diebstahl durch die Ukraine?

Seit Jahren beklagt Gasprom, dass die Ukraine Gas aus den Transitpipelines in Richtung Westen «stehle». Die Massnahme, von Kiew ab 2006 einen fast fünffach erhöhten Gaspreis auf Weltmarktniveau zu verlangen, stösst in Moskau nur vereinzelt auf Kritik.

«Das hat nichts mit Wirtschaftspolitik zu tun», sagte der Wirtschaftsexperte Andrej Illarionow am Samstag. Illarionow hatte bis zu seiner Entlassung Ende 2003 Putin als Unterhändler bei der G8 gedient.

Gasprom will Pipelines

Dass der Kreml mit seiner Gaspolitik im einstigen Sowjetraum nicht nur abstraft, zeigt das Beispiel Weissrussland. Der autokratische Staatschef Alexander Lukaschenko darf sich in Minsk weiter für russische Billigtarife beim Gas feiern lassen.

Im Gegenzug traten die Weissrussen vor kurzem ihre Pipelines an Gasprom ab. Auch in der Ukraine will der weltweit grösste Gasproduzent die Röhren übernehmen. Bislang hat sich Kiew dagegen gewehrt, doch der Verhandlungsspielraum dürfte mit jedem Tag ohne russisches Gas enger werden.

(Stefan Voss/dpa)

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