Erosionserscheinungen der Demokratie

publiziert: Montag, 15. Dez 2008 / 12:08 Uhr / aktualisiert: Montag, 15. Dez 2008 / 12:40 Uhr

Ein integerer, mutiger Polizeichef wird vor seiner Haustüre niedergestochen. Griechische Städte kommen nach Tagen der Aufruhr und Gewalt nur langsam zur Ruhe. Ein libanesischer Kofferbomber wird in Düsseldorf zu lebenslänglicher Haft verurteilt.

Drei Ereignisse der vergangenen Woche, die – abgesehen vom Thema Gewalt – nicht viel miteinander zu verbinden scheint. Und doch haben die Protagonisten dieser Dramen alle etwas gemeinsam: Sie wollen die Gesellschaft, in der wir leben, beseitigen und durch Utopien ersetzen. Diese Utopien lassen sich allerdings nach der Meinung der Akteure nicht erreichen, indem man einfach durch die Institutionen geht, sondern nur, indem man die Repräsentanten des verhassten Systems mit Gewalt beseitigt oder so ängstigt, dass sie keinen Widerstand mehr leisten.

Im Endeffekt am harmlosesten – wenn auch von den angerichteten Schäden her am extremsten (aber auch nur weil der Kofferbomber scheiterte) - sind die links-extremen Autonomen, die in Europa immer wieder ganze Strassenzüge verwüsten und ihren Raison d'être scheinbar darin finden, möglichst grossen Sachschaden anzurichten. Doch diese Gewalt ist fast immer unfokussiert und vermag nur in den seltensten Fällen, die Zivilgesellschaft nachhaltig zu schädigen. Sicher, Molotowcocktail werfende Chaoten dürfen nicht verharmlost werden, aber ihr Potential ist nach über 30 Jahren der autonomen Bewegung als beschränkt einzustufen, solange sie nur auf der Strasse toben.

Die braune Gefahr hingegen ist schon grösser. Speziell – aber nicht nur – in Deutschland etabliert sich im Hintergrund und ganz ruhig eine gewaltbereite und sehr selbstbewusste Szene. Der Angriff auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl vor seinem Wohnhaus wirft plötzlich ein grelles Licht auf diese versteckt wuchernde Gefahr, könnte diese endlich wieder zentraler ins Bewusstsein der Öffentlichkeit stellen.

Denn im Gegensatz zu den linken Chaoten versuchen sich die rechtsextremen mit fast schon erschreckender Geschmeidigkeit in der Gesellschaft, die sie beseitigen wollen, zu integrieren. Doch wenn sie irgendwo an Grenzen stossen, sich die Repräsentanten der Demokratie nicht einfach durch Wegsehen auszeichnen, ist der Wille zum Mord nicht mehr weit. Der Anschlag auf Mannichl war womöglich nicht nur ein Angriff auf diesen Mann, sondern auch eine Warnung an andere, die gegen die Rechtsextremen kämpfen. Es ist zu hoffen, dass dieser Anschlag das Gegenteil bewirkt und nun endlich energisch gegen diese Demokratiehasser vorgegangen und die Öffentlichkeit sich klar darüber wird, dass es sich hier nicht um ein paar 'harmlose Spinner' handelt.

Und schliesslich Youssef el Hajdib, der Kofferbomber von Köln. Sein Terror unter der grünen Flagge des Islam wird hier immer noch nur widerwillig wahrgenommen. Das World Trade Center ist lange her, Mumbai ist weit weg und selbst die Anschläge von Madrid und London sind nur noch schemenhaft in den Köpfen vorhanden. Doch diese Gefahr ist auch allgegenwärtig und ebenso wenig tolerierbar. Das Versagen dieses Attentäters war lediglich auf die mangelnden Chemiekenntnisse seiner und seines Partners zurückzuführen. Ansonsten wären womöglich Dutzende von Menschen zerfetzt worden.

Doch warum der Terror, warum die Gewalt gegen diese Gesellschaft? Vor allem, weil die westlichen Demokratien sich dadurch auszeichnen, dass sie vermutlich mehr Platz für verschiedene politische, religiöse und ethnische Gruppen bieten, als jede andere Gesellschaftsform zuvor. Diese Stärke wird von totalitär denkenden Menschen (sei es nun aus religiösen oder politischen Gründen) als Schwäche und Dekadenz gedeutet. Das scheinbare Fehlen von verbindlichen Normen und auch die Beliebigkeit der Lebensführung, welche dies ermöglicht, kann sehr irritierend sein. Einerseits für Zuwanderer, die sich nach Identität und Klarheit sehnen, andererseits auch für Einheimische, welche sich in ihrer Orientierungslosigkeit an totalitäre oder extreme politische Positionen klammern, weil sie dort eine lang ersehnte Sicherheit, feste Werte und Feindbilder finden, die sie einfach übernehmen können und als Standortbestimmung in einer komplizierten Welt dienen.

Dabei gibt es Werte, die auch in der westlichen Gesellschaft gelten, aber vielfach gar nicht mehr richtig wahrgenommen und vermittelt werden: Respekt für Andere und deren Ansichten, Verantwortung für das eigene Handeln und neben vielen anderen Dingen auch die Beteiligung an den politischen Entscheidungsprozessen, indem man mindestens das eigene Stimmrecht wahrnimmt. Passives oder gar destruktives Verhalten schwächt die Demokratie und die Rechte, die wir so selbstverständlich geniessen. Unsere Gesellschaft – so mangelhaft sie auch scheint – ist bisher eines der besten Modelle. Doch wer sie auf der einen Seite den Extremisten und auf der anderen Seite den Abzockern überlässt, muss sich nicht wundern, wenn sie auf einmal weg ist.

(von Patrik Etschmayer /news.ch)

Schönes Lichtfest!
valerie, ich hoffe sehr dass ihr entscheid zur absenz dieser plattform nur temporärer natur ist, denn es ist gut zu wissen, dass immer noch ein paar mitbrüder und mitschwestern derselben humanen denkrichtung anwesend sind. ich fühle mich übrigens sehr geehrt, dass sie mich gleich nick-namentlich erwähnen... habe ich doch gar nicht wirklich täglich hier gepostet! aber ich freue mich immer wieder, wenn ich in einer diskussion plötzlich noch etwas rückendeckung erhalte.

ja es ist wirklich tragisch.... ich weiss nicht ob ihr das überhaupt mitbekommen habt, aber ich musste ja unter dem jahr mal ganz dringend meinen nickname ändern. habe ich doch früher unter einem anderen namen hier gepostet und war damit leider übers internet nachvollziehbar geworden. als ich dann plötzlich einen drohbrief erhielt, erinnerte mich das ganz stark an einen vorfall vor ein paar jahren und liess meinen nick schnellstmöglich eben auf das anonyme aber dafür fast noch besser passende "solaris" ändern ;-)

ich habe vor etwa 15jahren (frisch und jung und frischfröhlich meine ersten schwulen schritte im leben tuend) ein interview für eine wochenzeitung (weit verbreitet in der schweiz) gegeben zum thema coming-out und schwulsein. natürlich hatte ich keinerlei bedenken mich mit foto und ganzem namen zu outen... schliesslich glaubte ich doch im 2ten jahrtausend zu leben. und was passierte? mein briefkasten füllte sich mit bösen schmähbriefen, todesdrohungen und kopien von bibelauszügen... und als dann mitten in der nacht an der wohnungstür geklingelt wurde und telefonterror einsetzte... fühlte auch ich mich als nichtängstlicher mensch sehr unwohl. an ganz schlimmen tagen musste ich den hauswart erst anrufen, der mich dann mit seinem grossen hund an der wohnungstür abholte und mich nach draussen begleitete... ja ich hatte ebenfalls todesangst damals. angst vor rechtsextremen und dummen und religionsfanatischen mitmenschen, welche besser wussten als ich selbst, was mein wahrer weg sein sollte...
ja ich bin vorsichtiger geworden seit damals... aber ich bin nie verstummt! und valerie... egal was passiert.... verstummen sie ebenfalls nicht! es braucht jede mahnende stimme auf der welt... je länger desto mehr!

ich wünsche ihnen ebenfalls ein ganz helles lichtfest inmitten der dunkelsten jahreszeit! alles gute!
Liebe Valerie
Ich kann Sie verstehen und danke für Ihre Rückmeldung und gleichzeitige Verabschiedung ... Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit und Erholung von den hier manchmal wirklich nicht erbaulichen Gesprächen - aber es gibt auch solche Gespräche, die weiter führen und zum Nachdenken anregen. Und gerade darum ist ein solches Forum, wie dieses, ja so spannend!

Herzlichen Dank nochmals Ihnen für die vielen Statements, die ich immer gerne lese und hoffe, dass Sie sich wieder hier melden!
Dank an
Magnus, Thomy, otherman, Solaris, Tron und alle anderen, die sich hier im Forum für eine faire und anständige Diskussionsart einsetzten und einsetzen.
Die Höflichkeit gebietet mir, mich mit einem kurzen Statement vorläufig zu verabschieden. Eine Denkpause schadet nie.

Seit dem Frühling haben wir die Ereignisse verfolgt und kommentiert. Aus vielen Beiträgen konnte ich etwas lernen und mir Gedanken machen.

Gerade der obige Artikel von Patrick Etschmayer lässt auch wieder aufhorchen. Die Gefahr von links ist offenbar um etliches kleiner als die Gefahr von rechts.
Linke Chaoten machen einen Fehler, wenn sie glauben, so auf ihre Probleme aufmerksam machen zu können. Die Gefahr von rechts kommt aber nicht mit Lärm sondern schleichend. Ich hoffe sehr, dass die Schweiz verschont bleibt.

Ich wünsche allen eine schöne und friedliche Weihnachtszeit!
.
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