Erzbischof - moralisch bankrott

publiziert: Montag, 8. Jan 2007 / 10:37 Uhr / aktualisiert: Montag, 8. Jan 2007 / 11:05 Uhr

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Der Skandal um den Erzbischof Stanislaw Wielgus erschüttert die polnische katholische Kirche, und so auch Polen selbst, in den Grundfesten. Wielgus hätte am Sonntag feierlich in das neue Amt eingeführt werden sollen, stattdessen trat er von dem eben erst erhaltenen Amt zurück. Der erhoffte Höhepunkt seines Lebens verwandelte sich zum Tiefpunkt sondergleichen.

Gestolpert war Wielgus auf seinem Weg nach oben über seine Mitarbeit beim damaligen kommunistischen Geheimdienst SB, der in den siebziger und achtziger Jahren seine Tentakeln in ganz Polen ausgestreckt hatte, um die Kontrolle über die Kirche und die Gewerkschaftsbewegung 'Solidarność' zu wahren. In jener Zeit waren mehr als einmal die Augen der Welt auf Polen gerichtet und im Nachhinein kann man davon ausgehen, dass jene Ereignisse das Ende des Kommunismus in Osteuropa mit einläuteten.

Die katholische Kirche Polens war während der kommunistischen Herrschaft der Pfeiler auf dem jede Opposition aufbaute und als schliesslich die linke Diktatur zu Ende ging, hatte sie eine fast naturgesetzliche moralische Autorität inne, die auch die Würdenträger umfasste. Der Einfluss auf die polnische Verfassung durch die Kirche ist in deren Präambel festzustellen - der Einfluss auf das Alltagsleben wird dagegen durch die Verankerung in der Bevölkerung sicher gestellt. Besonders die rechts-konservativen Kreise der Kirche, zu denen auch Wielgus zählt, zeichnen sich durch radikale Positionen aus. Bedenklich, dass der Vatikan einen solchen Mann überhaupt portierte, ein kleiner Trost, dass der Amtsverzicht von Rom schnell akzeptiert wurde.

Antisemitische Tiraden gehören zum Standard und werden speziell auch vom privaten Radio Maryja, einem radikal-katholischen Sender, der von einigen Priestern und Nonnen betrieben wird, verbreitet. Dieser Sender, der momentan sogar im Streit mit dem Vatikan ist und dem Papst aufgrund seiner deutschen Herkunft ein «moralisches Rückgrat» abspricht, mobilisierte auch pro-Wielgus-Demonstranten, welche geiferten, dass 'die Juden' das Land regierten und den Erzbischof zerstören wollten.

Dass zudem Kardinal Jozef Glemp, dessen Nachfolger Wielgus hätte werden sollen, diesen in der Folge verteidigte und die umfangreichen Akten als Papierfetzen bezeichnete, macht die ganze Sache noch absurder. Scheinbar spielt es für gewisse Würdenträger der polnischen Kirche keine Rolle, dass nicht nur ein einstiger Kollaborateur ein hohes Amt erlangen sollte, sondern auch einer, der selbst im Angesicht von Beweisen noch tagelang seine Schuld leugnete und erst, als alles schon verloren war, einige Krokodilstränen über seine Vergangenheit zerdrückte.

Die schrillen Töne der rechtsaussen-Fraktion gegen den Rücktritt, die Lügen, die Heuchelei und die Wut darüber, dass sich jemand von ausserhalb in die 'heiligen' Angelegenheiten der polnischen katholischen Kirche einmischt (und ausserhalb schliesst den Vatikan mit ein), scheint für uns eine Kuriosität zu sein, ein absurdes Schauspiel am Rand von Europa.

Doch dies ist ein Lehrstück darüber, wie wichtig und fundamental die Trennung des Staates von den Religionen ist. Polen ist nicht so weit von uns Weg. Zwei Landesgrenzen trennt die Schweiz gerade mal vom Schauplatz dieser Tragikomödie.

Aber – mag man nun fragen – wo liegt die Relevanz für uns? Die Vorgänge zeigen, wie religöse Organisationen strukturell unfähig sind, sich selbst wirksam zu kontrollieren. Die Hierarchien verhindern eine wirksame Selbstkontrolle.

Was für die polnischen Katholiken gilt, kann auch für viele andere religiöse Organisationen gesagt werden, die nach Einfluss streben. Wenn sich in manchen Landesteilen Freikirchen mit ideologischer Unterstützung aus den USA breit machen, Sekten sich in Ortschaften etablieren und nach politischer Macht streben und islamische Zirkel sich klandestin organisieren, dann sollte immer daran gedacht werden, dass sich diese Leute nur selten an unsere Gesetze gebunden fühlen, sondern diese verachten, wenn sie im Widerspruch zu ihren Schriften stehen.

Noch sind solche Gruppen kein Machtfaktor in diesem Land. Der Fall Wielgus zeigt, welche moralischen Standards von dieser Seite zu erwarten sein werden, sollten sie dereinst ihre Ziele erreichen.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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