Ex-Inquisitor in Brasilien

publiziert: Montag, 14. Mai 2007 / 11:32 Uhr / aktualisiert: Mittwoch, 16. Mai 2007 / 16:36 Uhr

2 Meldungen im Zusammenhang
Benedikt XVI. ist auf dem Weg nach Hause und sein Podium Brasilien hat seine Invasion überstanden. Es war dabei wieder einmal erfrischend zu sehen, mit welcher Präzision Glaubensführer in der Lage sind, Realitäten genau so auszublenden und zu verschieben, dass alles zum eigenen Dogma und - im Fall des Papstes - zu seiner eigenen, lustfeindlichen Persönlichkeitsstruktur passt.

Die Fixierung des Papstes in seinen Reden auf voreheliche Keuschheit (die selbst nach Schwüren nicht eingehalten wird), Verbot der Empfängnisverhütung und von Abtreibungen der aus dem Verhütungsverbot resultierenden Schwangerschaften, lässt einiges folgern – sowohl was das Verhältnis des obersten Katholiken zur Körperlichkeit des Menschen als auch zur Realität betrifft.

Im Kontext mit seinem vor kurzem erschienen Jesus-Buch, das er ja als 'Privatperson' geschrieben habe (das ist etwa so, als ob der Papst ein Buch zu Jesus schreiben und behaupten würde, das sei reine Privatmeinung... hoppla, da hat wohl die Realität die absurde Analogie eingeholt), in dem er die historisch-wissenschaftliche Betrachtung der Bibel und ihrer Texte praktisch verbietet, wenn sie nicht zur Bestätigung kirchlicher Glaubenssätze führt, zeigt sich hier, dass die katholische Kirche, nach Jahrzehnten zögerlicher Öffnung der Vernunft gegenüber, wieder die Türen zu schliessen beginnt. Das Konzept eines denkenden, kritischen, mündigen Gläubigen wurde als Irrweg erkannt. Genau wie dies die Konkurrenz der evangelikalen Fundis schon lange tat.

In diesen Zusammenhang gehört auch die Bekämpfung weltlicher Regierungsformen, die autonom von der Kirche agieren. Am Wochenende fanden in Italien von der Kirche unterstütze Proteste gegen ein neues Partnerschaftsgesetz statt, dass auch nichteheliche Lebensgemeinschaften registrierbar machen würde – ein eindeutiger Versuch der Kirche, Nicht-Gläubige und dabei vor allem Homosexuelle, weiterhin benachteiligt zu halten.

Natürlich ist es schön, wenn der Papst Irrwege wie Marxismus und blindwütigen Kapitalismus als solche bezeichnet. Doch dann sollte er doch bitte seine Finger nicht in funktionierende Demokratien hinein stecken. Vor allem, wenn sich über die Zeiten hinweg jede Art der Theokratie als schlichte Katastrophe erwiesen hat, die sich nur durch die Terrorisierung und Knebelung des Volkes halten konnte.

Auch seine positiven Aussagen zum so genannten 'Intelligent Design', der durch keinen einzigen wissenschaftlichen Beleg gestützten These, dass evolutionäre Auslese allein über Jahrmilliarden nicht reichen würde, einen Primaten hervorzubringen, der einen guten Teil seiner kollektiven Energie zur Vernichtung seiner Umwelt und seiner Artgenossen verbraucht, passen in das sich langsam formende Bild des deutschen Papstes als Gegenaufklärer.

Doch darf einen das wundern? Immerhin war Kardinal Ratzinger vor seiner Berufung zum Pontifex ja der Leiter der Kongregation für die Glaubenslehre. Diese Wachinstanz über die Glaubens- und Sittenlehre ist die direkte Nachfolgerin der noch heute wesentlich bekannteren Inquisition. Von einem Mann, der 25 Jahre einer solchen Institution vorstand, ist nicht wirklich progressives Denken zu erwarten.

Und der Papst steht unter Druck. Die erfolgreichen evangelikalen Mitbewerber machen auf der ganzen Welt vor, dass verunsicherte, naive und von einer Sehnsucht nach einfachen Glaubenssätzen geprägte Menschen am liebsten gesagt bekommen, was gut und böse ist. Dass diese Leute genaue Regeln und eine Gemeinschaft wünschen, die ihnen das Denken abnimmt und die sich darum bemüht, auch allen anderen das Denken zu verbieten, weil Skepsis diese heile Welt allzu schnell aus dem Gleichgewicht der Selbstzufriedenheit bringen könnte. Dieser christliche Fundamentalismus ist auf dem Vormarsch und bietet ein Potenzial, das auch der Papst ausschöpfen will.

In diesem Sinne ist Benedikt XVI. vielleicht auf dem richtigen Weg... wenn nicht für die Welt, dann wenigstens für die katholische Kirche.

(von Patrik Etschmayer /news.ch)

Lesen Sie hier mehr zum Thema
Brasilia - Die Ureinwohner von ... mehr lesen
Ureinwohner vom Brasilien und Kolumbien.
Benedikt warnte die Prister vor politischer Aktivität.
Guaratinguetá - Nach seinem ... mehr lesen
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
«Hier hätte ich noch eine Resistenz - gern geschehen!» Schematische Darstellung, wie ein Bakerium einen Plasmidring weiter gibt.
«Hier hätte ich noch eine ...
In den USA ist bei einer Frau mit Harnwegsinfektion zum ersten mal ein Bakterium aufgetaucht, das gegen das letzte Reserve-Antibiotikum resistent ist. Wer Angst vor ISIS hat, sollte sich überlegen, ob er seinen Paranoia-Focus nicht neu einstellen will. Denn das hier ist jenseits aller im Alltag sonst verklickerten Gefahren anzusiedeln. mehr lesen 4
Durch ungeschickte Avancen von SBB- und Post-Chefs, droht die Service-Public-Initiative tatsächlich angenommen zu werden. Von bürgerlicher Seite her solle ... mehr lesen  
Künftig mindestens 500'000.-- und die ganze Schweiz inklusive: SwissPass, der schon bald mal GACH heissen könnte.
Eine renommierte US-Kanzlei stellt einen neuen Anwalt Namens Ross ein. Die Aufgabe: Teil des Insolvenz-Teams zu sein und sich durch Millionen Seiten Unternehmensrecht kämpfen. Und nein, ROSS ist kein armes Schwein, sondern ein Computerprogramm. mehr lesen  
Sicherheitskontrolle in US-Airport: 95% Versagen, 100% nervig.
In letzter Zeit wurden aus Terrorangst zwei Flüge in den USA aufgehalten. Dies, weil Passagiere sich vor Mitreisenden wegen deren 'verdächtigen' Verhaltens bedroht fühlten. ... mehr lesen  
Typisch Schweiz Der Bernina Express Natürlich gibt es schnellere Bahnverbindungen in den Süden, aber wohl ...
Highlight der Kollektion: Eine Gibson Les Paul von 1959, die 300.000 bis 500.000 Pfund einbringen soll.
Shopping Mark Knopfler verkauft seine Gitarrensammlung Die Gitarrensammlung vom Dire Straits-Gitarristen Mark Knopfler wird am 31.01.2024 bei Christie's versteigert.
Erstaunliche Pfingstrose.
Jürg Zentner gegen den Rest der Welt.
Jürg Zentner
Frauenrechtlerin Ada Wright in London, 1910: Alles könnte anders sein, aber nichts ändert sich.
Regula Stämpfli seziert jeden Mittwoch das politische und gesell- schaftliche Geschehen.
Regula Stämpfli
«Hier hätte ich noch eine Resistenz - gern geschehen!» Schematische Darstellung, wie ein Bakerium einen Plasmidring weiter gibt.
Patrik Etschmayers exklusive Kolumne mit bissiger Note.
Patrik Etschmayers
Obama in Hanoi mit der Präsidentin der Nationalversammlung, Nguyen Thi Kim Ngan auf einer Besichtigungstour: Willkommenes Gegengewicht zu China.
Peter Achten zu aktuellen Geschehnissen in China und Ostasien.
Peter Achten
Recep Tayyp Erdogan: Liefert Anstoss, Strafgesetzbücher zu entschlacken.
Skeptischer Blick auf organisierte und nicht organisierte Mythen.
Freidenker
 
Der Remoteserver hat einen Fehler zurückgegeben: (404) Nicht gefunden.
Source: http://media3.news.ch/ajax/geonews.aspx?col=3&rubID=1185&label=&ts=08:02:13
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Sa So
Zürich 4°C 19°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wechselnd bewölkt
Basel 7°C 19°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig gewitterhaft wechselnd bewölkt
St. Gallen 5°C 18°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wechselnd bewölkt
Bern 4°C 18°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wolkig, aber kaum Regen
Luzern 6°C 19°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt
Genf 10°C 21°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wechselnd bewölkt, Regen
Lugano 7°C 12°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig anhaltender Regen anhaltender Regen
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten