Fett, Vorschriften und Verantwortung

publiziert: Montag, 15. Jan 2007 / 11:20 Uhr / aktualisiert: Montag, 15. Jan 2007 / 17:04 Uhr

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Es vergeht kaum eine Woche, ohne dass in Schweizer Publikationen von der Gesetzesflut geschrieben wird, welche uns zunehmend aller Eigenverantwortung beraube. Jedes Detail werde unterdessen reglementiert und fast unvermeidlich wird dann jeweils das Rauchverbot in Restaurants angeführt.

Dabei ist dies ein denkbar schlechtes Beispiel, geht es dort ja nicht um die Verantwortung gegenüber sich selbst (niemand will Raucher schützen) sondern um den Schutz von Nichtrauchern, die in verqualmten Restaurants ein Vielfaches der Feinstaubwerte tolerieren müssen, welche im Freien die sofortige Einstellung des Autoverkehrs zur Folge hätten.

Schon eher nachvollziehbar sind die Zweifel an Gesetzen, mit denen gegen die Fettleibigkeit in der Bevölkerung gekämpft werden soll, ist doch hier die ganze Problematik wesentlich unschärfer umrissen.

Zum einen steht die Tatsache, dass immer mehr Menschen immer früher in ihrem Leben übergewichtig sind und deshalb gewisse Krankheiten, die früher atypisch waren, sich epidemisch verbreiten. So dürfte die Typ 2 Diabetes zwischen dem Jahr 2000 und 2010 eine Verdoppelung erfahren – dies speziell wegen Jugendlicher, die bereits mit einem Alter von ca. 20 Jahren aufgrund von Fehlernährung, Bewegungsmangel und dem daraus folgenden Übergewicht auf eine Behandlung mit Insulin angewiesen sind. Bezeichnend ist, dass diese Krankheit bis vor kurzem 'Altersdiabetes' hiess – doch mit den vielen jungen Erkrankten ist diese Bezeichnung ad absurdum geführt worden.

Dies ist nicht nur eine menschliche sondern auch eine wirtschaftliche Katastrophe, da die Behandlungskosten das Gesundheitssystem stark belasten. Auch wenn durch Diäten und Training die Symptome reduziert werden können, ist das Problem immens. Ausserdem wird diese Diabetes meist erst sehr spät diagnostiziert, so dass Folgeschäden durch den Bluthochdruck an den Augen, den Nieren und dem Herzen auftreten werden.

Es ist klar, dass anhand einer so klaren Ursachen-Wirkungs-Korrelation die Gesundheitspolitiker Alarm schlagen und nach gesetzlichen Massnahmen gegen die Dickleibigkeit rufen. Sie sehen eine Kostenflut auf sich zu kommen, unter welchem die Krankenkassen endgültig zusammenbrechen könnten. Und wenn nicht diese, dann die Versicherungsnehmer, die ohnehin schon unter hohen Prämien stöhnen.

Doch nun kommen die Gegner der Gesetzesflut auf den Plan und berufen sich darauf, das Menschen auch Eigenverantwortung hätten, dass jeder sein Leben führen soll, wie es ihm passt, solange er niemanden damit schädigt. Und Passiv-Übergewicht gibt es wirklich nicht. Niemand, der einen Salatteller isst, wird fett, nur weil am Nebentisch ein Poulet im Körbchen mit Pommes verdrückt wird. Auch wird die Autonomie des mündigen Bürgers eingeschränkt, wenn ihm verboten wird, auch mal etwas ungesundes zu essen – denn seien wir ehrlich, so ein saftiges Steak mit frisch gemachten Pommes und Café de Paris drauf... nein haute cuisine ist das nicht, aber saugut.

Der Haken an der Sache ist einzig der, dass viele Leute jeden Tag über die Stränge schlagen, sich nicht bewegen und, wenn der Körper schliesslich unter diesen ständigen Attacken versagt, von Eigenverantwortung nichts mehr zu sehen ist. Oder kennen Sie jemanden, der auf die Krankenkassenleistungen verzichtet und einfach sagt, 'ok, ich hab mich krank gefressen, ich muss jetzt auch dafür gerade stehen'?

Kein Dickerchen zahlt nach dem Super-Menu beim Mac eine 20er Note in seinen persönlichen Gesundheitsfonds ein, kein 'sportlicher' Motorradfahrer macht vor der Ausfahrt eine Rückstellung für den Unglücksfall, kein Zecher legt einen Batzen zurück, um die Entziehungskur finanzieren zu können... alle verlassen sich auf die Solidargemeinschaft - sollte etwas passieren, stehen die anderen gerade. Mündigkeit hingegen bedeutet nicht einfach, sich nichts vorschreiben zu lassen, sondern, selbst für die Vorschriften zuständig zu sein, selbst die Lust am Exzess einzuschränken und, wenn das nicht gelingt, selbst die Konsequenzen zu tragen.

Die Frage ist also eigentlich nicht, ob Gesetz oder Eigenverantwortung, die Frage ist, woher das Verantwortungsgefühl kommen soll, in einer Gesellschaft, in der jeder, egal, wie dumm er sich verhält, auf die Solidarität der anderen pocht, wenn es darum geht, die Konsequenzen des eigenen Handelns zu tragen.

Die Wahl hat die Bevölkerung – aber bis jetzt ist sie den Tatbeweis schuldig geblieben.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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