Finanzgenie Greenspan tritt ab

publiziert: Montag, 30. Jan 2006 / 08:25 Uhr / aktualisiert: Freitag, 3. Feb 2006 / 10:52 Uhr

Washington - Wer dieser Tage bei Alan Greenspan genau hinschaut, müsste fast einen Heiligenschein entdecken - jedenfalls überschlagen sich die Würdigungen vor seinem Abtritt als Präsident der US-Notenbank Fed.

Alan Greenspan war über Jahre die Lichtfigur der US-Börse.
Alan Greenspan war über Jahre die Lichtfigur der US-Börse.
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Am Dienstag leitet Greenspan nach mehr als 18 Jahren auf dem Stuhl des mächtigsten Notenbankers der Welt zum letzten Mal eine Sitzung des Offenmarktausschusses der Fed. Der 79-Jährige wird wie ein Rockstar er gefeiert - als Magier, Finanzgenie, Maestro und Zinspapst. Er habe die grösste Volkswirtschaft der Welt wie kaum ein anderer um jede Klippe geschifft.

Und Klippen gab es viele: der Aktieneinbruch 1987, nur zwei Monate nach seinem Amtsantritt, zwei Rezessionen, die Asien-Krise, das Platzen der Inernte-Blase, die Terroranschläge in New York und Washington und jüngst die Verdreifachung des Ölpreises.

Den Musikprofessor Robert Pound inspirierte Greenspan sogar zum Komponieren eines zwölfminütigen Orchester-Stücks: «Irrationale Überschwänglichkeit» - eine von zahlreichen, für Greenspan typischen Wortkreationen, mit der er 1996 die Stimmung an den Aktienmärkten beschrieben hatte.

Die letzte Sitzung

Am 31. Januar trägt Greenspan nun zum letzten Mal seine verknautschte Aktentasche in die Notenbank. Zum letzten Mal scharrt er die anderen elf Zentralbanker um sich und brütet mit ihnen über Produktivität und Auftragseingänge, Arbeitsmarktzahlen und Preisanstiege, um den Leitzins festzulegen.

Seine Detailversessenheit ist ebenso legendär wie seine komplizierten Satzungetüme, eine Sprachakrobatik, die so manchen, der sich einen Reim darauf zu machen hatte, in die Verzweiflung getrieben hat.

Klare Worte erwünscht

Das wird sich ändern, denn im Gegensatz zum orakelnden Greenspan gilt dessen Nachfolger Ben Bernanke als geradezu langweilig deutlich.

Klare Worte wünschen sich Banker und Finanzpolitiker vom 52-Jährigen vor allem zum galoppierenden Leistungsbilanzdefizit, zur schlechten Sparrate und zu den wachsenden Schulden der US-Haushalte.

Schreckensszenario

Bernanke übernimmt das Steuer der Notenbank zwar in Zeiten komfortablen Wachstums, doch malen Skeptiker seit Jahren ein Schreckensszenario an die Wand: Ausländische Investoren, die das Defizit seit Jahren finanzieren, verlieren das Vertrauen in die US-Wirtschaft und ziehen Kapital ab.

Die Notenbank ist dann gezwungen, die Attraktivität des Dollar durch höhere Leitzinsen zu erhalten, die US-Konsumenten stöhnen unter einem immer teurer werdenden Schuldenberg, der Konsum bricht ein, die US-Wirtschaft schlingert und mit ihr die ganze Welt.

«Unbändiges Vertrauen»

Anzeichen dafür gibt es bislang zwar nicht. Das hat auch viel mit Greenspans solidem Ruf zu tun, seiner Glaubwürdigkeit und seinem Charisma, wie Analysten sagen.

«Die Leute hatten einfach unbändiges Vertrauen in Greenspan», sagte Diane Swonk, Chefökonomin der Investmentfirma Mesirow Financial, der «Chicago Tribune».

Greenspan war in jungen Jahren Investmentbanker, was ihm Glaubwürdigkeit am Markt verschaffte. Bernanke hat dagegen als Princeton-Professor vor allem akademische Lorbeeren eingesammelt.

Auf Partys präsent

Greenspan war in den Washingtoner Dinner- und Partyzirkeln zudem eine feste Grösse, zu Pläuschchen mit Präsidenten, Ministern, Senatoren und Besuchern immer aufgelegt.

Bernanke gilt dagegen als Familienmann, der abends lieber zu Hause bleibt. Gleichwohl hat Präsident George W. Bushs Wahl für die Nachfolge Greenspans rundum Beifall bekommen.

Bernanke, zur Zeit noch Wirtschaftsberater des Präsidenten, hat einen soliden Ruf. Bei seiner Nominierung kündigte er als aller erstes Kontinuität an.

(Christiane Oelrich, dpa/sda)

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