Krise nur auf internationaler Ebene

Flüchtlinge laut Bundesrat kein Grund für Notrecht

publiziert: Donnerstag, 3. Sep 2015 / 13:39 Uhr
Der Bundesrat rechnet mit rund 29'000 Asylgesuchen für das Jahr 2015. (Symbolbild)
Der Bundesrat rechnet mit rund 29'000 Asylgesuchen für das Jahr 2015. (Symbolbild)

Bern - Der Bundesrat sieht eine Flüchtlingskrise auf internationaler Ebene, nicht aber in der Schweiz. Notrecht kommt für ihn derzeit nicht in Frage, wie er auf Vorstösse aus dem Parlament schreibt.

12 Meldungen im Zusammenhang
Die aktuellen Flüchtlingsströme werden in der kommenden Herbstsession zu reden geben. Zum einen berät der Nationalrat über die Asylreform zur Beschleunigung der Verfahren. Zum anderen werden National- und Ständerat eine Sonderdebatte führen, welche die SVP verlangt hatte.

SVP-Vertreter fordern mit Motionen ein «sofortiges Asylmoratorium». Der Bundesrat soll mittels Notrecht die Anwendung des Asylgesetzes für mindestens ein Jahr teilweise ausser Kraft setzen. Während dieser Zeit dürften keine Personen mehr ins Asylverfahren aufgenommen oder als Flüchtlinge anerkannt werden.

Verletzung der Flüchtlingskonvention

Der Bundesrat weist in seiner am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahmen zu den Vorstössen darauf hin, dass die vorgeschlagenen Massnahmen der Flüchtlingskonvention widersprechen würden. Ausserdem seien sie mit den Zielen des Bundesrates in der Asylpolitik nicht vereinbar.

Der Bundesrat verfolgt zwei übergeordnete Ziele: Zum einen sollen Menschen, die auf Schutz angewiesen sind, diesen Schutz in der Schweiz erhalten, zum anderen sollen Menschen, die nicht auf diesen Schutz angewiesen sind, die Schweiz rasch wieder verlassen.

Notrecht nur in Krisensituation

Notrecht dürfe er nur als «Ultima Ratio» anwenden, erklärt der Bundesrat. Im Jahr 2012 hatte er ein Notfallkonzept für ausserordentliche Lagen im Asylwesen verabschiedet. Zu den vorgesehenen Massnahmen gehört die Notstandsklausel im Asylgesetz. Sie ermächtigt den Bundesrat, in Abweichung des Asylgesetzes die Voraussetzungen für die Asylgewährung zu regeln und vereinfachte Verfahrensbestimmungen zu erlassen.

In Frage käme das laut dem Bundesrat aber nur bei einer ausserordentlich hohen Zahl von Asylsuchenden. Die Voraussetzungen wären dann gegeben, wenn die Strukturen dauerhaft überlastet wären und eine ordentliche Behandlung der Asylgesuche auf unabsehbare Zeit nicht mehr sichergestellt wäre.

Weit von Krisenszenario entfernt

Die aktuelle Situation sei zwar schwierig, aber die Schweiz sei weit von einem Krisenszenario entfernt, schreibt der Bundesrat. Es seien umgehend Massnahmen getroffen worden, um die Unterbringungskapazitäten zu erhöhen. Der Bundesrat rechnet nach wie vor mit rund 29'000 Asylgesuchen für das Jahr 2015.

Dem Parlament beantragt die Regierung, die SVP-Motionen abzulehnen. Auch Forderungen aus anderen Fraktionen zur Asylpolitik erteilt er eine Absage. Die Grüne Fraktion etwa fordert, dass die Schweiz mehr zur Linderung der Katastrophe beiträgt. Namentlich soll der Bundesrat das Botschaftsasyl wieder einführen, die Hilfe vor Ort verstärken, die Aufnahme eines zusätzlichen Flüchtlingskontingents vorbereiten und die am stärksten betroffenen EU-Länder unterstützen.

Legale Einreisewege schaffen

Ferner soll sich der Bundesrat nach dem Willen der Grünen dafür einsetzen, dass die Dublin-Staaten Möglichkeiten für Flüchtlinge schaffen, nach Europa zu gelangen, ohne illegal mit Schleppern einreisen zu müssen. Und er soll sich für eine Reform des Dublin-Systems einsetzen mit dem Ziel, dass die Flüchtlinge nach Wirtschaftsstärke der einzelnen Staaten verteilt werden.

Der Bundesrat schreibt dazu, er verfolge die Situation aufmerksam und sei überzeugt, dass eine kohärente Lösung nur in Zusammenarbeit mit allen betroffenen europäischen Ländern möglich sei. Dass auf EU-Ebene das Botschaftsasyl eingeführt wird, hält der Bundesrat derzeit für unrealistisch, wie er in der Stellungnahme zu einem Vorstoss aus den Reihen der SP schreibt. Sollte das zur Diskussion stehen, wäre der Bundesrat aber bereit, die Frage auch für die Schweiz zu prüfen.

Aufnahme nach Grad der Lebensbedrohung

Zu den weiteren Vorschlägen aus dem Parlament gehört jener von Jean-Pierre Graber (SVP/BE) für eine neue Regelung: Asylsuchende sollen je nach Intensität von Verfolgung und Lebensbedrohung aufgenommen werden.

Der Bundesrat weist darauf hin, dass durch die prioritäre Behandlung der Asylgesuche von Personen aus Ländern mit einem geringen Anteil Schutzbedürftiger die Anzahl offensichtlich unbegründeter Asylgesuche habe gesenkt werden können. Eine graduelle Abstufung nach Intensität der Verfolgung wäre aus seiner Sicht nicht opportun.

Als Flüchtling werde nur erkannt, wer im Heimatland verfolgt werde, hält der Bundesrat fest. Die Verfolgungsmassnahmen müssten dabei einen Grad an Intensität erreichen, der ein menschenwürdiges Leben verunmögliche oder in unzumutbarer Weise erschwere. Kriegsflüchtlinge würden vorläufig aufgenommen.

(bert/sda)

Kommentieren Sie jetzt diese news.ch - Meldung.
Lesen Sie hier mehr zum Thema
Bern - Die Kantone machen sich ... mehr lesen 3
Am Freitag haben Bund und Kantone Notfallszenarien diskutiert.
SVP-Ständerat Peter Föhn.
Bern - Das Parlament hat der ... mehr lesen
Bern - Der Nationalrat hält nichts ... mehr lesen
Die Forderung nach einem Asylmoratorium sollte verhindern, dass der Zustrom plötzlich zu gross werden könnte.
Laut Philipp Müller zeige der Testbetrieb in Zürich, dass das System funktioniere. (Symbolbild)
Bern - Die Asylverfahren in der Schweiz sollen beschleunigt werden. Das ist das Ziel der Reform, die der Nationalrat am Mittwoch beschlossen hat. Die Pläne stiessen wie bereits im Ständerat auf ... mehr lesen 1
Bern - Es ist, als möchte das ... mehr lesen
Im Bundeshaus ist wieder viel los.
Weitere Artikel im Zusammenhang
«Wir sind bereit, wenn es eskaliert», sagte Noth. «Wir planen in Buchs und im Rheintal Verstärkungen.»
Bern - Das Grenzwachtkorps ist nach den Worten seines Chefs Jürg Noth bereit, falls mehr Flüchtlinge an der Ostgrenze in die Schweiz kommen wollen. Eine Zunahme an der ... mehr lesen
Sie waren acht Stunden vorher an der Weiterreise nach Westen gehindert worden.
Bicske - Im ungarischen Bicske haben sich am Donnerstagabend rund 500 Flüchtlinge gegen ihren Transport in ein Flüchtlingslager gewehrt. Sie waren acht Stunden vorher an der ... mehr lesen 1
Nach diversen Bundesligisten ... mehr lesen
Die Münchner kündigen eine Spende von einer Million Euro an.
Der «Wiener Walzer» brachte die ersten Flüchtlinge.
Bern - In Budapest haben am Montag Flüchtlinge die Züge Richtung Wien, München und Berlin gestürmt. Einige Züge fuhren auch in die Schweiz. Die Schweizer Grenzwächter ... mehr lesen 6
Bern - Die Glückskette ruft zu ... mehr lesen 1
Die Glückskette will das Leiden der Flüchtlinge ein wenig lindern.
Zwei Drittel der Befragten fürchten, dass zu viele Flüchtlinge das Wohlstandsniveau der Schweiz senken.
Bern - Die Schweizer Bevölkerung möchte Flüchtlinge lieber in ihren Herkunftsländern unterstützen, äussert sich in einer Umfrage aber grundsätzlich positiv zur Einwanderung. Sie ist ... mehr lesen 1
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
Müllvermeidung - ein wichtiges, aktuelles Thema.
Müllvermeidung - ein wichtiges, aktuelles Thema.
Publinews Nachhaltigkeit ist in der heutigen Gesellschaft ein immer wichtigeres Thema. Wir alle haben eine Verantwortung dafür, die Ressourcen unserer Erde schonend zu nutzen und die Umweltbelastungen zu minimieren. Doch was bedeutet es eigentlich, nachhaltig zu leben und wie können wir unseren Alltag nachhaltiger gestalten? mehr lesen  
Gemäss dem Bericht «Survival of the Richest» hat das reichste Prozent der Weltbevölkerung seit Beginn der Corona-Pandemie fast zwei Drittel des gesamten globalen Vermögenszuwachses eingestrichen. Währenddessen schaffen 1,7 Milliarden Menschen in Ländern, in denen die Lohnentwicklung die Inflation nicht ausgleichen kann, kaum ihren Lebensunterhalt. mehr lesen  
Fotografie Ärzte ohne Grenzen und Magnum: 50 Jahre im Einsatz  2021 markierte das 50-jährige Bestehen von Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Fronitères (MSF). Die ... mehr lesen  
Griechenland, Lesbos, 9.September 2020: Flüchtlinge nach dem Feuer im Camp Moria.
Man sollte sich ein Haustier nie überstürzt zulegen, auch wenn es noch so niedlich ist.
Publinews Die Gründe, sich ein Haustier zuzulegen, sind vielfältig. So möchten manche Menschen, die Einsamkeit verspüren, sich damit ... mehr lesen  
Titel Forum Teaser
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute So Mo
Zürich 16°C 21°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig recht sonnig freundlich
Basel 15°C 22°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig sonnig sonnig
St. Gallen 15°C 18°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig recht sonnig sonnig
Bern 15°C 21°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig recht sonnig sonnig
Luzern 16°C 21°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig recht sonnig sonnig
Genf 16°C 23°C sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig recht sonnig sonnig
Lugano 15°C 25°C sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig recht sonnig recht sonnig
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten