Franz Kafka: Vom Geächteten zur Massenware

"Franz" ist nicht darunter - allenfalls "Frantisek", die tschechische Version. "Aber wohl keinem Kafka bleibt die Frage nach der möglichen Verwandtschaft mit dem berühmten Namensvetter erspart", sagte der Prager Diplomat Tomas Kafka.

Auch der Budweiser Friseur Jan Kafka stöhnt, er sei "sicher tausend Mal" an den 120. Geburtstag von Franz Kafka erinnert worden: "Manchmal ist es unerträglich."

Der Rugby-Kafka

Was soll erst Martin Kafka sagen? Franz Kafka war der Onkel seines Grossvaters. "In der Schule habe ich das gelesen, was man muss. Seine Texte sind ja nicht leicht", meint der 24-jährige Prager.

Der indirekte Nachkomme des berühmten Autors hat zwar an der Karls- Universität studiert, aber nicht etwa Germanistik: Martin studierte Sport, bis er in Spanien einen Vertrag als Rugby-Profi unterschrieb.

Seitdem rempelt der Nachfahre des Autors, der zeitlebens lungenkrank war, in der Europaliga wöchentlich Gegenspieler robust zu Boden.

Rugby ist in Tschechien eine Randsportart. Es könnte aber sein, dass manche Tschechen Martin Kafka besser kennen als den Autoren so berühmter Erzählungen wie "Die Verwandlung" und "Der Prozess". Bis zur politischen Wende von 1989 war Franz Kafka im "Ostblock" geächtet.

Suspekt

Für viele war der 1924 gestorbene Schriftsteller als Deutsch schreibender Tscheche jüdischen Glaubens nicht einzuordnen, zudem las das KP-Regime aus seinen vielschichtigen Texten eine vorweggenommene Anklage gegen das sozialistische Regime heraus.

Aber auch 14 Jahre nach der Revolution gibt es in Tschechien keine Kafka-Gesamtausgabe. "Kafka ist in Prag nicht mehr als Autor populär, sondern als touristische Attraktion, an der man verdienen kann", kritisierte der Diplomat Eduard Goldstücker kurz vor seinem Tod vor drei Jahren.

Der Germanist war international bekannt geworden, als er 1963 im tschechischen Ort Liblice eine heute legendäre Kafka-Konferenz initiierte. In seinen letzten Lebensjahren war ihm die kommerzielle Ausbeutung von Kafka jedoch immer mehr ein Dorn im Auge.

Touristisch ausgebeutet

Tatsächlich blickt vor allem jetzt in der Tourismus-Hochsaison aus Hunderten Prager Schaufenstern Kafkas Porträt von Zigarettenetuis, Kugelschreibern, Bienenwachskerzen und vielen anderen Produkten.

Mit offiziellen Ehrungen aber tut sich die "Goldene Stadt" schwer: Erst nach jahrzehntelangen Mühen schaffte es Goldstücker kurz vor seinem Tod, dass ein kleiner Platz vor Kafkas Geburtshaus nach dem berühmten Sohn der Stadt benannt wurde. Mittlerweile verleiht Prag auch einen Kafka-Literaturpreis und plant die Errichtung eines Denkmals.

Kafkaeske Bürokratie

Kafka, dessen Name auf Deutsch etwa "Dohle" bedeutet, würde sich über seine Popularität sicher wundern, glaubt Lenka Reinerova, wahrscheinlich Prags letzte Deutsch schreibende Autorin. Seine Texte hätten ihre Tiefe aber nicht verloren, meint die 87-Jährige.

So sieht es auch Monika Griefahn, die Vorsitzende des Bundestags- Kulturausschusses. "Das Kafkaeske ist hoch aktuell", sagte sie SPD- Politikerin kürzlich bei einem Besuch in Prag, "das weiss ich zum Beispiel von vielen Kontakten mit der Brüsseler Bürokratie."

(bsk/dpa)