Frauenkörper und Politik

publiziert: Mittwoch, 17. Feb 2016 / 11:34 Uhr / aktualisiert: Mittwoch, 17. Feb 2016 / 12:08 Uhr
Der Frauenkörper als Verhandlungsort von Politik oder über die Illusion, als Frau frei zu sein.
Der Frauenkörper als Verhandlungsort von Politik oder über die Illusion, als Frau frei zu sein.

«Köln» wird medial als Metapher als «neue» Diskussion behandelt. Dies hat System. «Neu» ist medial «relevant», «neu» veraltet aber auch ganz schnell, wird «normal» und dann vergessen. Ein Plädoyer für Allgemeinwissen.

8 Meldungen im Zusammenhang
Weiterführende Links zur Meldung:

Buch zum Thema
Ein Buch der Autorin zu dem in der Kolumne angesprochenen Thema
perlentaucher.de

Ta-Nehishi Coats über den 'Black Body'
Der Artikel über die US-Tradition die Körper der Schwarzen zu zerstören.
theatlantic.com

Bericht zu Kongress «Stategische Synthese» 1998
Wissenschaftlicher Bericht zum o.g. Kongress als PDF-Download.
regulastaempfli.eu

NZZ-Propaganda zur Leihmutterschaft
Ein Beispiel der philosophische Propaganda zur neoliberalen Verfügung des weiblichen Körpers
nzz.ch

Stellen Sie sich vor, Sie sind eine 5-Sterne-Köchin. Doch jedesmal, wenn «Kochen» Thema ist, reden alle darüber, wie man Wasser zum Sieden bringt und ja: Pasta dürfe nicht in kaltes Wasser geschmissen werden. Seit über 20 Jahren würden Sie als 5-Sterne-Köchin immer wieder mit warmen Wasser ersäuft. Der Aufstand der Spitzen- und normalen Köchinnen und Köche wäre gewiss. Die Experten, die ständig von kaltem Wasser und Pasta reden und bei Tomatensauce nur Ketchup verwenden, würden zum Teufel gejagt, die Journalisten lächerlich gemacht, die Kochshows von Grund auf verändert.

Bei «Frauenthemen» passiert dies nie.

1998 gab es in der Schweiz eine heftige historische Debatte. Grundsätzlich ging es um «Blinde Flecken» der Geschichtsforschung. Leerstellen in der Militär- und Geschlechtergeschichte. Die Erkenntnis war: Es gibt eine strategische Synthese zwischen Militär, Herrschaft und Politik gegen Frauen und deren Körper. Das war 5-Sterne-Kochen auf höchstem Niveau. Fazit (siehe Link) war u.a.: «In der Diskussion wurde bewusst, dass die Restabilisierungsstrategien der einzelnen Länder während der unmittelbaren Nachkriegszeit zu untersuchen und zu vergleichen sind. Die eigentliche Kriegsgeschichtsschreibung sollte also weit über ihren zeitlichen Horizont ausgedehnt werden.»

Doch statt hier weiterzufahren, verschwand die Theorie- inklusive Debattenlust der Geschichtsforschung und der entsprechenden Medienrezeption. Als wäre mit der Bologna-Reform 1999 jede wissenschaftliche Erkenntnis und politische Kochkunst im Ketchup ertränkt worden. Waren 1998 noch Ansätze einer politischen Geschichtsschreibung vorhanden, dominieren 2016 identitäre, privatistische Warenansätze mit us-amerikanischen Genderappeal, die pr-mässig mit mehr oder weniger Erfolg in die unterschiedlichen Medien eingespeist werden: Erkenntniswert gleich Null.

Um was ging es damals, um was geht es heute?

Am weiblichen Körper manifestieren sich Politik, Geschichte, Kultur, Wissen- und Wirtschaft. Diese Erkenntnis ist so einfach wie kompliziert. Kompliziert, weil die Techniken, das Offensichtlichste zu verdrängen, unendlich ausgeklügelt sind. Einfach, weil der weibliche Körper in struktureller Hinsicht die gesamte Menschheitsgeschichte enorm klar und deutlich erzählt. Es wäre schön, mal hinzuschauen und hinzuhören.

Jede Herrschaftsform etabliert sich über den Frauenkörper. Wer, wann, wie, warum, ob oder nicht Kinder gebären darf oder gar Sexualität leben, ist Politik, nicht Natur. Punkt. Fertig. Schluss. Amen. Da nützen alle Relativierungsversuche in der «Genderfrage» nichts, denn im Kern geht es um die Verfügung des weiblichen Körpers. Es geht auch nicht um Rollenzuweisung oder sonstiges Blabla, es geht im Wesentlichen um die Gebärmutter und um die Klitoris und deren gesellschaftliche, politische, technische, kulturelle, wirtschaftliche und wissenschaftliche Verfügung. So erklärt sich Egg-Freezing, wissenschaftlich propagierte Sklavenherrschaft via Leihmütter und medial inszenierte «Kauf mich und Fick-Mich» -Kultur, die den Job, anderen Menschen, ihre Löcher zur Verfügung zu stellen und ihren Körper inklusive Organe als «Tätigkeit wie jede andere» verschleiert (siehe Link). So erklären sich alle Religionen inklusive Klassenkämpfe.

Wenn ganze Gesellschaften mit entsprechender Erzählung, Frauenkörper verschleiern, entblössen, zerstückeln, verkaufen, zur Verfügung stellen, von klein auf zum Dienst am Mann trainieren etc., dann hat dies nichts mit Kultur, sondern nur mit Politik zu tun. Wenn sich Frauen «freiwillig» der allmächtigen Anpassung der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft unterwerfen, hat dies nichts mit «Freiheit» zu tun, sondern mit Politik und Herrschaft. Wie wäre es, mal solche Geschichten zu erzählen statt ständig so zu tun als wäre alles eine Frage der Sozialisation, der Religion, der Wirtschaft oder Herkunft? Oder in den Worten von Ta-Nehisi Coates: «In America, it is traditional to destroy the black body, it is heritage.» Darauf würde ich sagen: «In the world it is traditional to use, destroy and sell women´s bodies, it is called culture. When it comes to women´s bodies, human science and life science want to bringt us to the edge of oblivion.»

Jedes politische System speist seine Legitimation, Funktion und Stabilität aus einem entsprechenden Menschenbild. Jedes politische System kann an der Herrschaftstechnik am weiblichen Körper erzählt werden.

Es wäre schön, der Diskurs könnte einfach mal diese Erkenntnis voraussetzen statt über «Männer» und «Frauen» zu reden und immer was ganz beliebiges, hippes, zerstückeltes oder propagandamässiges zu erzählen. Der weibliche Körper ist Ausgangspunkt und Etablierung von Herrschaft. Insofern war «Köln» nichts Neues. «Köln» war einfach sichtbarer als andere Herrschaftstechniken (und zwar auf allen Seiten: Polizei, Behörden, Täter und Medien). Und ja: Selbstverständlich sind die Kämpfe der Gegenwart direkt auf den weiblichen Körper gerichtet. Denn hier entscheidet sich, einmal mehr, die Zukunft der Menschheit.

Wäre dies einmal klar, könnten wir die Geschichte ganz anders schreiben und damit auch die Zukunft.

(Regula Stämpfli/news.ch)

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