Fussball: Arjen Robben - Oranger Dribbel-König

Rückblende: Samstag, 19. Juni, Estadio Municipal von Aveiro, Vorrundenspiel Holland - Tschechien. Advocaat wechselt Robben, den bis anhin besten Spieler, beim Stande von 2:1 aus und ersetzt ihn durch einen defensiven Akteur. Die Fans im Stadion sind verärgert. Holland verliert noch 2:3, und der Ärger entwickelt sich in der Heimat zu Wut und Hass. Robbens Auswechslung wird zur medialen Staatsaffäre. Dick Advocaats Entlassung und Hollands Ausscheiden scheinen unumgänglich.

Doch die "Elftal" blieb im Turnier und trifft heute im Halbfinal auf Gastgeber Portugal - auch dank Robben, der zuletzt nicht mehr ausgewechselt wurde, mit glänzenden Leistungen imponierte und im Viertelfinal gegen Schweden den entscheidenden Penalty verwertete.

Bei seinen ersten Auftritten auf der grossen Bühne trumpfte Robben auf als wäre es die einfachste Sache der Welt, hochkarätige Verteidiger mit Dribblings zu düpieren und Mittelstürmer Ruud van Nistelrooy mit präzisen Flanken zu bedienen. "Dick Advocaat hat mir immer vertraut. Natürlich war ich böse, als ich gegen Tschechien vom Platz musste. Aber der Trainer hat mir sofort zu verstehen gegeben, dass ich weiterhin zum Stamm der Mannschaft gehören werde", sagte Robben.

Vertrauen gab Advocaat seinem Diamanten schon im Vorfeld des Turniers, als die Teilnahme Robbens wegen einer Verletzung an den Adduktoren an einem dünnen (Muskel-)Faden hing. Dem PSV Eindhoven, bei dem er Teamkollege der Schweizer Internationalen Johann Vogel und Johan Vonlanthen war, fehlte Robben im Frühling während rund zwei Monaten. Und als er in den letzten drei Meisterschaftsspielen nochmals zu Teileinsätzen kam, brach die Blessur erneut auf.

Robben verpasste den Beginn der EM-Vorbereitung. Doch Advocaat ging das Risiko ein und strich ihn nicht aus dem Kader. Auch im Startspiel gegen Deutschland war Robben noch nicht fit. "Schon zwei Monate vor der EM versprach mir Advocaat, dass ich nach Portugal fahre, wenn es irgendwie geht. Das gab mir Kraft, intensiver am Comeback zu arbeiten, als ich es sonst vielleicht getan hätte."

Chelsea statt ManU

Wegen der langwierigen Verletzung stand Robben im Frühling vorab wegen seines Transfers zu Chelsea in den Schlagzeilen. Die Londoner verpflichteten den talentierten Holländer, obwohl dieser ursprünglich lieber zu Manchester United gewechselt hätte. "Ich wäre gerne zu ManU gegangen und war mit Coach Alex Ferguson auch schon einig. Aber die Klubs haben dann keine gemeinsame Ebene gefunden."

Dies hatte seine Gründe. Die Verantwortlichen von Eindhoven goutierten nicht, dass Robben ohne Vorankündigung eine Einladung von Ferguson nach England annahm und ein Wochenende in Manchester verbrachte, wo ihm vom Staff der "Red Devils" das ganze Umfeld des Vereins gezeigt wurde. Und als die Verhandlungen doch noch in eine abschliessende Runde gingen, senkte Manchester plötzlich das Angebot. Die Holländer fühlten sich brüskiert und brachen die Gespräche abrupt ab.

Zur grossen Überraschung vieler - und auch von Robben selbst - reiste PSV-Präsident Harry van Raay kurzfristig nach London und wickelte Anfang März innert weniger Stunden Robbens Wechsel für rund 30 Millionen Franken zu Chelsea ab. Pikantes Detail: Van Raays Verhandlungspartner war Chelseas Finanzchef Peter Kenyon, der erst im vergangenen Herbst zu Chelsea gestossen war.

Zuvor war er als CEO tätig gewesen für... Manchester United. "Zunächst hatte ich meine Bedenken. Ich befürchtete, in Chelsea nicht regelmässig spielen zu können, weil es dort immer wieder zu Änderungen kommt", gab Robben zu. Inzwischen hat er seine Meinung geändert. Und nach seinen Leistungen an der EURO braucht er die Konkurrenz der Flügelstürmer Jesper Grönkjaer und Damian Duff ohnehin nicht zu fürchten.

Publikumsliebling beim PSV

Die Aufmerksamkeit der grossen Klubs hatte sich Robben schon lange vor der EM-Endrunde gesichert. Die Art und Weise, wie er sich in Eindhoven auf Anhieb durchsetzte, überraschte alle. Vor zwei Jahren verliess er seine nordholländische Heimatstadt und den Verein Groningen, wo Vater Hans als Nachwuchschef arbeitet, und nahm als 18-Jähriger das Angebot des PSV an. Schon in der ersten Saison schoss er für das Philips-Ensemble zwölf Tore und wurde Meister.

Innert kürzester Zeit hat er sich auch bei den Fans in die Herzen gespielt. Seine unkomplizierte und einfache Art kam bei den Leuten an. Lokale Beobachter verglichen seine Popularität schon nach wenigen Monaten mit derjenigen der PSV-Ikonen Van Nistelrooy und Romario. Diese Entwicklung war auch Bondscoach Dick Advocaat nicht entgangen und im März 2003 gab Robben in einem Testspiel gegen den heutigen Halbfinalgegner Portugal sein Debüt für Oranje. Ein weiterer Stern am orangen Himmel war aufgegangen.

(Stefan Wyss aus Portugal/Si)