Fussball: Das Warmlaufen in Marokko

Die Schweiz trifft am Mittwoch um 20.30 Uhr MEZ erst zum zweiten Mal auf den diesjährigen Afrika-Cup-Finalisten und vierfachen WM-Teilnehmer Marokko, der zuletzt 1998 die Achtelfinals erreicht hat. Am 13. Januar 1963 verlor das Nationalteam unter Karl Rappan in Casablanca mit dem jungen Köbi Kuhn 0:1.

Resultat sekundär

"Priorität hat diesmal nicht das Ergebnis, sondern die Verbesserung und Verfeinerung unseres Kollektivspiels und die Pflege der Harmonie in der Mannschaft", bemerkt Köbi Kuhn, fügt aber an, dass sein Team ehrgeizig genug sei, um wie vor einem Jahr in Slowenien (5:1-Sieg) auch ein befriedigendes Resultat zu erzielen. "Wir wollen uns bei guten klimatischen Verhältnissen und gegen einen starken Gegner langsam für die EM-Endrunde einrollen."

Der frühe Länderspieltermin kommt dem Selektionär nicht ungelegen: "Vier Monate waren wir nicht zusammen. Es gilt, jede verfügbare Zeit fürs Nationalteam zu nutzen. Wichtig ist nicht nur, was auf dem Platz geschieht."

Kuhn ist es egal, dass Marokko auf einige seiner besten Spieler infolge Überbelastung am Afrika-Cup verzichtet und mit einem verstärkten B-Team antritt. "Die Marokkaner sind technisch begabte Fussballer, schnell und aufsässig. Die meisten spielen in Europa. Für mich war ihr Vorstoss in den Final des Afrika-Cups keine Überraschung. Sie sind auch bestrebt, Werbung für die WM 2010 in eigener Sache zu machen."

Kerngruppe aufgeboten

Der Nationalcoach, der sich nach seiner Hüftoperation im Dezember der Krücken entledigt hat, bot seine Kerngruppe auf. Er nominierte jene Spieler, die ihn während der erfolgreichen EM-Qualifikation überzeugt hatten, und verzichtete (vorerst) auf die Nomination von Probables wie Mario Eggimann (Karlsruhe), Johan Lonfat (Sochaux), Gürkan Sermeter (YB), Blaise N´Kufo (Enschede) oder Léonard Thurre (Servette). Kuhn setzt auf Kontinuität und hält seinem Stamm die Treue.

Nur die drei verletzten Abwehrspieler Murat Yakin (Basel) und Ludovic Magnin (Bremen) wegen Muskelfaserrissen und Remo Meyer (1860 München) wegen einer Gelenkreinigung im Knie mussten Kuhn absagen. Sämtliche übrigen 19 Akteure, unter ihnen 11 Ausland-Söldner, leisteten dem Aufgebot Folge. Die EM-Endrunde im Juni in Portugal lockt, und an diesem Highlight möchte sich jeder präsentieren.

Die "Löwen des Atlas"

Marokko hat am 24. Afrika-Cup für Furore und Begeisterung im fussballverrückten Königreich gesorgt. Erstmals seit 1988 erreichten die "Löwen des Atlas", die seit Juni 2002 vom ehemaligen Nationalgoalie Badou Ezaki (44) trainiert werden, den Final, in dem sie nach tapferer Gegenwehr Gastgeber Tunesien 1:2 unterlagen.

Sie überzeugten als ballsichere und wendige Fussballer, gefielen durch ihre Hartnäckigkeit und Disziplin im Kollektiv und besassen nur mit dem unsicheren Torhüter Khalid Fouhami einen Schwachpunkt. Der Abpraller des Goalie von Academica Coimbra in Portugal, dem Schauplatz der EM-Spiele der Schweiz gegen England und Frankreich, entschied die 24. Afrika-Meisterschaft.

Wie stark sonst die Abwehr der Nordafrikaner ist, belegen Zahlen: In der Qualifikation für das Kontinentalturnier blieb Marokko ohne Gegentor, und auch bis in den Final mussten in fünf Partien (1:0 gegen Nigeria, 4:0 gegen Benin, 1:1 gegen Südafrika in den Gruppenspielen, 3:1 nach Verlängerung gegen Algerien im Viertel- und 4:0 gegen Mali im Halbfinal) nur zwei Gegentore eingesteckt werden.

Die Stars der Mannschaft mit dem FCZ-Allrounder Tarek Chihab sind der erfahrene Defensivchef Noureddine Naybet (34, 103 Länderspiele) von La Coruna und die Offensivkräfte Jawad Zairi (22) von Sochaux und Ballvirtuose Youssef Hadji (22) von Bordeaux, der seinem älteren Bruder Mustapha, dem WM-Star von 1998, kaum nachsteht. Ins Rampenlicht rückte mit seinen vier Toren am Afrika-Cup auch Youssef Mokhtari (24) vom Zweitbundesligisten Wacker Burghausen.

In Frankfurt aufgewachsen, spricht der Goalgetter deutsch, englisch und gebrochen arabisch, aber nicht französisch. "Ich habe die deutsche Mentalität", meint Mokhtari, der von Zinedine Zidane schwärmt und mit einem Transfer in die 1. Bundesliga, nach Spanien oder England träumt.

(von Peter Wyrsch/Si)