Fussball: Nedved und die Angst vor der gelben Karte

Gelb ist nicht Nedveds Lieblingsfarbe. Denn diese Farbe hat den bisher grössten Traum seiner Karriere zum Platzen gebracht. Mit Juventus Turin stand er vor 14 Monaten unmittelbar vor dem Einzug in den Champions-League-Final. 3:0 stand es im Halbfinal gegen Real Madrid. Nedved spielte überragend und hatte soeben den dritten Treffer der Italiener erzielt, als das Unheil über das blonde "Perpetuum mobile" hereinbrach.

Für ein hartes Foul an der Mittellinie zeigte ihm der Schweizer Schiedsrichter Urs Meier die gelbe Karte -- Nedved war im Endspiel gegen Erzrivale Milan gesperrt. Und die Tränen, die dem Tschechen in der Stunde des Halbfinal-Triumphes über die Wangen kullerten, taten nicht nur den Juventus-Supportern weh.

"Ich könnte sterben"

"Das ist die grösste Enttäuschung meiner Karriere. Ich könnte sterben. Dieser Final hätte ein Höhepunkt werden sollen, doch der Traum löste sich innert Sekunden im Nichts auf", sagte Nedved damals nach dem Spiel, bevor er zwei Wochen später im Old Trafford von Manchester das italienische Duell und die Niederlage seiner Kollegen in ziviler Kleidung ansehen musste.

Diese Emotionen kamen in den letzten Tagen wieder hoch. Wieder bestreitet Nedved einen Halbfinal, wieder könnte mit dem Einzug in den Final ein Traum wahr werden. Und wieder könnte eine gelbe Karte alles kaputt machen.

Der 31-Jährige manövrierte sich im Viertelfinal gegen Dänemark in diese ungemütliche Situation, indem er Jesper Grönkjär fern ab von jeglicher Torgefahr foulte und verwarnt wurde. Eine Szene, die bei den Tschechen für (gelb-)rote Köpfe sorgte. "Pavel hat nichts gemacht. Es gab nicht einmal Körperkontakt. Wir haben die UEFA gebeten, die Situation anhand von Videobildern nochmals zu analysieren", sagte Assistenztrainer Miroslav Beranek.

Der europäische Verband lehnte das Begehren natürlich ab. Und nun? Soll Coach Karel Brückner seinen Captain nicht einsetzen? "Verwarnungen gehören zum Spiel", sagte der wortkarge Fussball-Lehrer. "Dieses Risiko müssen wir eingehen."

Auch Nedved selbst will auf keinen Fall auf den Halbfinal verzichten. Nicht einmal seine aggressive Spielweise will er der Situation anpassen. "Ich werde mich nicht zurückhalten. Jeder muss das Letzte geben, damit wir in den Final kommen. Es wäre dumm, an eine mögliche Verwarnung zu denken."

Prominente Liste

Die tschechischen Zuschauer (und wohl nicht nur sie) werden daher mit dem "gelben" Pavel mitleiden. Es soll nicht sein, dass der italienische Referee Pierluigi Collina "gelb" zücken muss und damit den Namen Nedved auf eine Liste setzt, die zwar hochkarätig besetzt ist, auf der aber niemand stehen will.

Denn einen EM- oder WM-Final haben in den letzten zehn Jahren schon andere grosse Spieler wegen Sperren verpasst: Michael Ballack (De/WM 2002), Gianluca Zambrotta (It/EM 2000), Laurent Blanc (Fr/WM 1998), Andreas Möller und Stefan Reuter (beide De/EM 1996), Leonardo (Br) und Alessandro Costacurta (It/beide 1994).

(von Stefan Wyss, Porto/sda)