Fussball: Portraits der Trainer Gruppe B

Santini ist als Nationaltrainer ein Quereinsteiger, was in Frankreich wenig üblich ist. Er hatte Lyon eben zum ersten von nunmehr drei Titeln in Folge geführt, als er vom Verband angefragt wurde. Der frühere Mittelfeldspieler von St-Etienne, mit dem er viermal Meister und zweimal Cupsieger wurde, prägt in der "Equipe Tricolore" das Prinzip des Teams.

Selbst Stars wie Zinedine Zidane oder Thierry Henry haben bei Santini keine Garantie auf einen Stammplatz. Und zumindest in der Qualifikation, die der Titelverteidiger neu ebefalls absolvieren musste, imponierte "la grande nation": Acht Siege in acht Spielen.

Mit dieser Bilanz forderte Santini, der von sich selber sagt, er sei nachtragend, die vorzeitige Verlängerung des im Sommer auslaufenden Vertrages; Verbandspräsident Claude Simonet will aber erst die EM abwarten. Der wütende Santini hat daraufhin bereits erklärt, dass ihn ein vorliegendes Angebot der Tottenham Hotspur reizen würde. Rund eine Woche vor dem EM-Start sagte er dem Londoner Verein definitiv zu.

England: Sven-Göran Eriksson (Sd/5.2.1948)

Sven-Göran Erikssons Anstellung im Jahr 2001 löste in England einen Schrei der Empörung aus. Ausgerechnet ein Schwede sollte im Mutterland des Fussballs den wichtigsten Trainerjob übernehmen.

Eriksson liess sich nicht beeindrucken, arbeitete gewohnt akribisch und kann nun eine beachtliche Bilanz aufweisen. Von 19 Pflichtspielen verloren die "Three Lions" unter dem 56-jährigen Schweden nur den WM-Viertelfinal gegen den späteren Weltmeister Brasilien. Gleichwohl gerät "Svennis" in regelmässigen, kurzen Abständen in die Schlagzeilen des zuweilen heftig reagierenden englischen Blätterwalds.

In diesem Frühjahr wurde nur noch darüber diskutiert, dass Eriksson erster Kandidat für den Trainerjob bei Chelsea ist. Die Frage war allerdings nicht, ob er die Stelle antritt, sondern nur wann und zu welchen (finanziellen) Konditionen. Schliesslich setzte Eriksson den Spekulationen ein Ende und verlängerte den Vertrag mit dem Verband bis 2008 -- mit einer deutlichen Aufbesserung seines Jahresbezugs.

Wo Eriksson arbeitet, ist auch der Erfolg. Insgesamt 15 nationale Titel (Göteborg, Benfica Lissabon, AS Roma, Sampdoria Genua und Lazio Rom) sowie zwei UEFA-Triumphe (1982 mit Göteborg und 1999 mit Lazio) kann sich der Skandinavier ans Revers heften. Bei Lazio trat er im Januar 2001 zurück, um England vorzeitig zu übernehmen. Dabei legte er mit fünf Siegen in fünf Spielen den besten Start eines englischen Nationalcoaches hin.

Schweiz: Köbi Kuhn (Sz/12.10.1943)

Mit Köbi Kuhn kehrte in der Schweiz der Erfolg im internationalen Fussball zurück. Die erfolgreiche U21-Generation, die heute im A-Team zu den Stützen zählt, wuchsen mit Kuhn als Coach auf.

Im Halbfinal des Meistercups, der heutigen Champions League, zu stehen, ist für einen Schweizer Verein noch immer eine Sensation. Kuhn gelang dies 1964 und 1977 gleich zweimal. Der 60-jährige Zürcher war überdurchschnittlicher Mittelfeldakteur, Arbeiter und Stratege in einer Person. Kuhn übernahm vor drei Jahren den Posten von Enzo Trossero. Vor dem Argentinier waren Ulli Stielike, Roy Hodgson und Artur Jorge in der Schweiz engagiert, Kuhn war der erste Schweizer in dieser Funktion mit Schweizer Pass seit 1989.

Kuhn wikrt heute zumindest in der Öffentlichkeit als ruhiger Typ. Früher jedoch musste er sich als Spieler unter der Dusche jeweils bei seinen Kollegen für die unschönen Worte entschuldigen, die während der Partie gefallen waren. U21-Coach Bernard Challandes sagt über seinen Vorgänger, dass er eine Linie habe und diese konsequent verfolge. Kuhn sei ein aufmerksamer Zuhörer, lasse sich aber nichts aufschwatzen oder gar aufzwingen.

Kroatien: Otto Baric (Kro/19.6.1932)

Otto Baric, der älteste Trainer an dieser EM, trägt den Übernamen "Otto Maximal", weil er von seinen Spielern stets das Maximum fordert und mit seinen Mannschaften auch meistens das Maximum erreicht.

Als Trainer führte Baric Rapid Wien, Salzburg und Dinamo Zagreb zu insgesamt zwölf nationalen Titeln und sechs Cupsiegen. Rapid Wien (1985) und Salzburg (1994) führte er ausserdem in den Europacup-Final, zum ganz grossen Coup reichte es dem gebürtigen Österreicher jedoch nicht ganz.

Erst im gesetzten Alter kam Baric auch als Nationaltrainer zu Ehren. Während der 71-Jährige mit Österreich in der Qualifikation zur WM 2002 in Japan und Südkorea scheiterte und Ende 2001 seinen Posten verlor, verläuft das Engagement in Kroatien bislang erfolgreich.

Barics unerschütterliches Sendungsbewusstsein und seine leidenschaftliche Beredsamkeit mögen ihm ironische Kommentare eingebracht haben. Aber in taktischen Besprechungen hat er die Gabe, komplexe Zusammenhänge Zug um Zug plausibel zu machen. Zudem lebt er die totale Konzentration auf Fussball vor.

Sein Wissen über gegnerische Spieler ist immens, er führt akribisch Buch über Formkurven und sammelt fleissig Spielszenen auf Video. Ungenau nimmt es Baric nur bei seinem Geburtsjahr, das er selber mit 1933 angibt. Das Klagenfurter Geburtsarchiv gibt jedoch eine andere Auskunft: 19. Juni 1932.

(pt/Si)