eGadgets Das Paul Scherrer Institut hat eine innovative Methode entwickelt, um historische Tonbänder auf schonende Weise zu digitalisieren. Durch den Einsatz des speziellen Röntgenlichts der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS konnten Wissenschaftler wertvolle Aufnahmen, darunter auch seltene Auftritte des legendären «King of the Blues» B.B. King vom Montreux Jazzfestival, bewahren und für die Zukunft sichern. mehr lesen
Aussergewöhnliche Menschen: Eine Wochenendserie
GIMMA - CONNOR MAC LAUT
publiziert: Samstag, 15. Aug 2015 / 08:00 Uhr
Gimma, der Spinner.
Er gilt als kontroversester Künstler der Schweiz. Mit «Superschwizer» erklimmte er im Handumdrehen die Charts, mimte den Irren aus den Bündner Bergen und liess seither keine Option offen, sich von seiner schlechtesten Seite zu zeigen. Was die Nation - einmal mehr - spaltete. Die einen fanden ihn einfach unterhaltsam, die anderen verpfiffen ihn bei ihren Nachbarn.
Ein besonderes Phänomen der Schweizer Gesellschaft ist, alle anderen zu kritisieren. Den einen Nachbarn auszuspionieren und dem anderen zuflüstern, wie unmöglich der eine ist. Wenn man das Spionageobjekt dann auf der Strasse trifft, versucht man sich in Ingo-Lensen-Schauspiel-Qualität intensiv an der Szene «Wiedersehensfreude».
Was dabei hängen bleibt, ist, dass man nie so recht weiss, was sein Gegenüber von einem denkt. Vielleicht ein Relikt aus der Nazizeit, wo man sich genau mit dieser Methode Ärger mit den Umländern - allen voran Nazi-Deutschland - erspart und von der Situation sogar profitiert hatte.
Gimma wäre dafür der Falsche gewesen. Der «Superschwizer» sagt seine Meinung geradeaus, auch wenn sie nicht besonders populär ist. Er ist ehrlich, zieht sein Ding durch, auch wenn's keiner hören will. Oder kann. Aber dazu später mehr. In einem nicht seltenen humorvollen Interview, das aber auch zeigt, welch vielseitiger Künstler und tiefsinniger Mensch der 35-jährige Gian-Marco Schmid aus Chur ist.
Hey Gimma, danke für deine Zeit. Man hat nicht immer die Gelegenheit mit einem Verrückten zu sprechen. Zumindest ist das die gängige Meinung über Dich.
Widersprechen macht keinen Sinn. Aber ich habe vier Göttikinder. Das spricht ja wohl für sich.
Einem Irren vertraut man den Job sicher nicht an - insofern: volle Punktzahl. Was machst Du so mit denen?
Zoo-Besuche, Raketen basteln, im Wald wüten oder schlichtweg Festtagsüberzuckerung.
Nicht nur Superschwizer, definitiv auch Supergötti. Raketen würden andere ja basteln, um Irina Beller auf den Mond zu schiessen.
Irina Beller ist voll gut.
Im Ernst jetzt?
Nein.
Was würdest ihr sagen, wenn sie treffen würdest?
Hoi Irina, i bin d Tschannmarkho. I khuma vu Khur obanaba zum uf die in da Sunnauntergnang riita, Du geils huere Grätli!
Herrlich. Und wenn wir mit dem Sonnenuntergang schon bei der Cervelat-Prominenz sind - wie ist Vujo so?
Ich mag den. Sowieso alle, die ich kenne. Osama war voll auch ein Guter. Hitler war privat voll anders. Und hey: Che Guevarra - am Grill war das ein Supertyp!
Illustre Runde - nur hast Du mit denen keinen Raptrack aufgenommen.
Stimmt. Irgendwie lande ich immer bei Melanie's Typen.
Offensichtlich. Aber wie kam's zur Vujo-Kooperation?
Er hat gefragt. Und ich hab's awesome gefunden.
Stammelt er auch live - oder ist das System?
Auch irgendwie System, glaub ich.
Du bist ja eigentlich viel zu Hardcore für die Schweiz - keine Lust auf Hackbrett-Rap?
Doch voll. Aber ich will die Typen dann nicht als Megahelden huldigen und erzählen, was für verdammte Hackbrett-Legenden die jetzt seien. Und wie ich sie immer schon durchgezogen hätte. Das kann Marco besser. Und auch Coop ist da gut drin.
Wie findest Du eigentlich die Schweiz als Kulturland?
Toll eigentlich. Als Konsument ultimativ. Kaum ein Act der Marke «Nie da gewesen», Museen in Hülle und Fülle, Kinos, Theater, Reisen, Fressen, Saufen - Bamm! Alles ist hier möglich - auf allerhöchstem Niveau. Im Ernst: ich verfolge ja, was läuft - es gibt unfassbares Talent da draussen.
Daneben gibt es Schweizerischen «Gangsta Rap».
Ja logo! Und das mag bei einigen sogar tatsächlich «real» sein ... Nur leider ist dann mit 35 langsam die Themenvielfalt etwas abgehalftert ... Da höre ich lieber wieder volle Pulle N.W.A und ICE-T. Wobei die mich ja für den Terminus «Gangsta Rap» hauen würden.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Wobei Du ja nicht wirklich dazu gehörst. Eher er da:
Der ist tatsächlich Gangster! Aber schreibt halt keine gescheiten Texte. Das ist für viele aber unterhaltsam. Die Kids stehen drauf.
In einem Land, in dem keiner Gangster sein muss, um zu überleben.
Ja logo. Das ist definitiv ein Argument. Aber es bleibt eben doch Musik, ergo Unterhaltung.
Wie schätzt Du die Rap-Szene allgemein ein?
Ach, langweilig. Seit alle so dermassen geil auf die völlig verlotterten Charts sind, entstehen absurde Vorstellungen von Erfolg und Qualität. Das nervt mir manchmal den Senkel ab. Andererseits kommt langsam Schwung in die Radiolandschaft, ich beobachte erste Sender, die sich an Rap heran trauen, phasenweise. Das ist schon mal schön. Die «Szene» selbst nehme ich wahr, aber verfolge sie nicht. Ab und zu stolpert man über ein Highlight wie EAZ oder Visu, aber dann folgt eben wieder zwölf Monate nix. Technisch sind die Jungen inzwischen auf einem geilen Niveau. In ein paar Jahren, mit etwas Lebenserfahrung, gibt das sicher endgeile Songs.
Vielleicht bringen sie's textlich auch auf dein Level. Trotz deiner vielfach wütend angeschlagenen Töne gehen die Lyrics deep und haben ne Aussage.
Ja eben, die angesprochene Lebenserfahrung. Ich habe natürlich eine sehr abgebrühte Sicht auf das schwierige Leben, und so kann ich auch noch in der grössten Hasstirade Menschlichkeit einstreuen. Und Humor. Das ist wichtig.
Muss man, wie Du, sein Innerstes gegen aussen kehren, um real zu bleiben?
Nein, muss man nicht. Es gibt hundsnormale Normalos, die wunderschöne Songs schreiben können. Nimm Coldplay oder Oasis - das sind Bands, die mich in einem Ausmass berührt haben, dass es mir peinlich sein müsste. Und bei Rappern interessieren mich die grossen Songs eben auch mehr als die Inhalte.
Damit Songs gross rauskommen, benötigt man einen umtriebigen Manager. Du bist da die Ausnahme, machst alles selber.
Nennen wir es nicht managen. Ich gehe da sehr passiv vor, ehrlich gesagt.
Weil Du's nicht hauptberuflich machst und Dir so auch die künstlerische Freiheit nehmen kannst. Du bist eigentlich Werbetexter.
Yup. Und klar, die Freiheit ist jetzt natürlich grösser denn je. Siehe letzte Single - hahahaha ... Vor fünf Jahren hätte ich mich nicht getraut, solche Songs zu veröffentlichen.
Damit brichst Du alle Schweizer Branchenkonformismen. Erstens «nur» eine Single - ohne Album - an den Start bringen. Und dann noch was für ein Track: da bretterst Du richtig ab. Wieso musstest Du so Dampf ablassen?
Der ist drei Jahre alt. Wir haben ihn während der Gimmalaya-Aufnahmen gemacht. Einer der Sparring-Tracks, sozusagen. Das passierte so nebenbei.
Nebenbei mitten in die Fresse rein.
Ja, das muss schon auch mal sein. Aber mehr um meiner selbst willen. Wenns sonst keiner «real» macht, muss ich's eben tun.
Das macht Dich eben aus. Wann kommt das Album?
Im März 2016. Zuerst kommt das Buch.
Davon hab ich gehört. Worum geht's?
Um mich. Wie immer.
Biographie?
Quasi... mit extended Rahmenhandlung. Will ja nicht ein Buch schreiben, wo es überall nach meinem Pimmel riecht. Das muss schon Swag haben. Auch für mich. Nix mit «2010, ein schwieriges Jahr» und so. Voll in die Fresse. Einmal mehr.
Da kann man ja gespannt sein. Vielleicht gibt's auch weiterhin Gesellschaftskritik. Wie dein kürzlicher Kolumnen-Artikel, wo du anprangerst, dass «wer nicht perfekt ist, ersetzt wird«. Das Thema trifft auch auf die Unterhaltungszene zu. Armutszeugnis für die Menschheit?
Keine Ahnung. Ich glaube, da trennt sich wohl die Welt zwischen den Liebhabern, die lieber besitzen oder betrachten und denen, die sich in dieser Gesellschaft für die anderen als Zuschauer bloss stellen. Da sehe ich eher die Klippe. Sobald du in der Maschine drin bist, bist du drin. Egal, wie laut ich über AppleMusic gemotzt habe, ich habe tatsächlich einen genug dämlichen Blogger gefunden, der wegen meiner Ausruferei erst recht auf AppleMusic gewechselt hat. Sprich: ich habe Gratiswerbung gemacht. Ich bin also in der Maschine, ob ich nun mit Dir ein Interview per Facebook-Chat mache oder mit Kilchsperger am Phone oder bei Aeschbi auf dem Polstersessel sitze.
Das stimmt wohl. Und genau da stellt sich die Frage: Was ist die alternative zu diesen AppleMusics, Spotifys, etc. Sie sind die neuen »digitalen Vermarkter».
Ich für meinen Teil setze auf Modelle wie igrooove.ch, wo per SMS bezahlt werden kann. Oder ich mache Eigenvertrieb. Crowdfunding kann auch immer ein wichtiger Faktor sein, allein um einem gewissen «Premium»-Wunsch vieler Supporter gerecht zu werden.
Das versteh ich. Aber hast Du da nicht die Reichweite, die ein Künstler braucht, um gehört zu werden.
Die habe ich nicht mehr als Musiker. Die habe ich aber schon verloren, als ich mit den Live-Auftritten aufgehört habe. Und nochmal, als ich Pressearbeit ausserhalb der Promozeiten abgeklemmt habe. Und jetzt abermals, weil ich Streaming nicht supporte. Ich liebe Vinyl - das Gegenteil von Streaming. Die Charts können die anderen haben. Den Fame auch.
Seit DJ's auf CD's und digitale Formate gewechselt haben, die mit der «Sync»-Funktion jeder Dahergelaufene bedienen kann, hat auch DJing nichts mehr mit Kunst zu tun.
Ja, es ist auch komisch gewesen, als plötzlich jeder alle Musik zur Verfügung hatte. Vom Internet auf die CD gebrannt. Ich habe ab diesem Moment meine eigenen Mash-Up's gemacht, die konnten sie noch lange im Netz suchen. Hahahaha. Ich hab ja auch eine neue Band mit diesem Spirit. Die erste komplette Impro-Band: Steinboldt, Gimma, Müller.
Erzähl davon.
Uns gibt's seit einem Jahr, bisher hatten wir drei Auftritte. Alles ist komplett improvisiert. Wir proben nicht, wir haben keine Songs, wir covern nichts. Und wir haben keine Fotos. Aber wir kommen und spielen locker 60 Minuten ohne Pause.
Und das funktioniert? Spielt ihr nicht vor dem Barpersonal?
Funktioniert im Sinne von: Leute, die uns nicht kennen, kommen und bleiben 45 Minuten paralysiert stehen bis 100 andere da sind und wir dann einfach gehen, weil wir keinen Bock mehr haben. Nach 60 Minuten und 3 «Liedern». Es ist so JazzMetalRap. Die Band besteht aus drei Top Jazz-/Rockmusikern. Dann sind noch wir zwei Rapper, die schlecht singen können. Also freestylen wir 60 Minuten lang. Komme mir dann vor wie ein hagelvoller Samy Deluxe.
Machen die Texte dann auch noch Sinn? Das ist ja bei den Freestyles immer so ne Sache - einfach ist das auch nüchtern nicht.
Wir haben inzwischen einige Routines, die uns thematisch zumindest wieder auf den Boden holen, wenn wir total abschweifen. Soweit sind wir also doch schon.
Also doch System, siehste.
Hahaha - Freestyle ist sehr viel System, wir müssen ja alle 5 genau wissen, was die andern vor haben. Das ist nicht 16/8/16/Solo. Die spielen auch nicht nur 4/4. Die machen wirklich crazy Shit. Dazu erzählen wir vom Zombiebefall im CERN oder von Ex-Freundinnen auf dem Strich.
Ganz normale Stories, direkt aus dem Leben gegriffen.
Apropos: habe einen Song meiner Band für Dich. Hast Du ne laute Anlage?
Klar - her damit!
Heb Di fescht, dä wird Diar gfalla! Gimmalaya new stuff! Drummer von Velvet Two Stripes, Gitarre Sam von Dabu Fantastic, Bass vom Pulsaar - Arrangement von mir.
Grosses Kino! Und das versteckst Du vor der Masse?? Als ich einer Freundin sagte, dass ich Dich interviewe, sagte sie: «Ah den gibt's noch? Was macht der mittlerweile? Der ist cool». Also alle kennen Dich, nur kriegt keiner was von Deinem Schaffen mit. Zumindest nicht viele. Solltest Du das nicht ändern?
Nein ... nein ... nein ... Nein!
Keinen Bock, nochmal voll «anzugreifen»?
Die Monsteraufgabe ist ja primär, dass die Leute bis Ende 2016 kapieren, dass ich schreibe und nicht rappe. Das heisst, das Buch und die Kolumnen sind wichtiger als die Musik. Ich könnte als Musiker 200 Interviews pro Jahr geben und durch die Radios tingeln wie eine kleine Bitch, weil ja sonst keiner Quotes liefert. Aber das ist nicht, was ich möchte. Ich habe ein sehr gutes Buch geschrieben und ich möchte, dass Leute das zuerst lesen und mitbekommen, was ich wirklich mache.
Was dabei hängen bleibt, ist, dass man nie so recht weiss, was sein Gegenüber von einem denkt. Vielleicht ein Relikt aus der Nazizeit, wo man sich genau mit dieser Methode Ärger mit den Umländern - allen voran Nazi-Deutschland - erspart und von der Situation sogar profitiert hatte.
Gimma wäre dafür der Falsche gewesen. Der «Superschwizer» sagt seine Meinung geradeaus, auch wenn sie nicht besonders populär ist. Er ist ehrlich, zieht sein Ding durch, auch wenn's keiner hören will. Oder kann. Aber dazu später mehr. In einem nicht seltenen humorvollen Interview, das aber auch zeigt, welch vielseitiger Künstler und tiefsinniger Mensch der 35-jährige Gian-Marco Schmid aus Chur ist.
Hey Gimma, danke für deine Zeit. Man hat nicht immer die Gelegenheit mit einem Verrückten zu sprechen. Zumindest ist das die gängige Meinung über Dich.
Widersprechen macht keinen Sinn. Aber ich habe vier Göttikinder. Das spricht ja wohl für sich.
Einem Irren vertraut man den Job sicher nicht an - insofern: volle Punktzahl. Was machst Du so mit denen?
Zoo-Besuche, Raketen basteln, im Wald wüten oder schlichtweg Festtagsüberzuckerung.
Nicht nur Superschwizer, definitiv auch Supergötti. Raketen würden andere ja basteln, um Irina Beller auf den Mond zu schiessen.
Irina Beller ist voll gut.
Im Ernst jetzt?
Nein.
Was würdest ihr sagen, wenn sie treffen würdest?
Hoi Irina, i bin d Tschannmarkho. I khuma vu Khur obanaba zum uf die in da Sunnauntergnang riita, Du geils huere Grätli!
Herrlich. Und wenn wir mit dem Sonnenuntergang schon bei der Cervelat-Prominenz sind - wie ist Vujo so?
Ich mag den. Sowieso alle, die ich kenne. Osama war voll auch ein Guter. Hitler war privat voll anders. Und hey: Che Guevarra - am Grill war das ein Supertyp!
Illustre Runde - nur hast Du mit denen keinen Raptrack aufgenommen.
Stimmt. Irgendwie lande ich immer bei Melanie's Typen.
Offensichtlich. Aber wie kam's zur Vujo-Kooperation?
Er hat gefragt. Und ich hab's awesome gefunden.
Stammelt er auch live - oder ist das System?
Auch irgendwie System, glaub ich.
Du bist ja eigentlich viel zu Hardcore für die Schweiz - keine Lust auf Hackbrett-Rap?
Doch voll. Aber ich will die Typen dann nicht als Megahelden huldigen und erzählen, was für verdammte Hackbrett-Legenden die jetzt seien. Und wie ich sie immer schon durchgezogen hätte. Das kann Marco besser. Und auch Coop ist da gut drin.
Wie findest Du eigentlich die Schweiz als Kulturland?
Toll eigentlich. Als Konsument ultimativ. Kaum ein Act der Marke «Nie da gewesen», Museen in Hülle und Fülle, Kinos, Theater, Reisen, Fressen, Saufen - Bamm! Alles ist hier möglich - auf allerhöchstem Niveau. Im Ernst: ich verfolge ja, was läuft - es gibt unfassbares Talent da draussen.
Daneben gibt es Schweizerischen «Gangsta Rap».
Ja logo! Und das mag bei einigen sogar tatsächlich «real» sein ... Nur leider ist dann mit 35 langsam die Themenvielfalt etwas abgehalftert ... Da höre ich lieber wieder volle Pulle N.W.A und ICE-T. Wobei die mich ja für den Terminus «Gangsta Rap» hauen würden.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Wobei Du ja nicht wirklich dazu gehörst. Eher er da:
Der ist tatsächlich Gangster! Aber schreibt halt keine gescheiten Texte. Das ist für viele aber unterhaltsam. Die Kids stehen drauf.
In einem Land, in dem keiner Gangster sein muss, um zu überleben.
Ja logo. Das ist definitiv ein Argument. Aber es bleibt eben doch Musik, ergo Unterhaltung.
Wie schätzt Du die Rap-Szene allgemein ein?
Ach, langweilig. Seit alle so dermassen geil auf die völlig verlotterten Charts sind, entstehen absurde Vorstellungen von Erfolg und Qualität. Das nervt mir manchmal den Senkel ab. Andererseits kommt langsam Schwung in die Radiolandschaft, ich beobachte erste Sender, die sich an Rap heran trauen, phasenweise. Das ist schon mal schön. Die «Szene» selbst nehme ich wahr, aber verfolge sie nicht. Ab und zu stolpert man über ein Highlight wie EAZ oder Visu, aber dann folgt eben wieder zwölf Monate nix. Technisch sind die Jungen inzwischen auf einem geilen Niveau. In ein paar Jahren, mit etwas Lebenserfahrung, gibt das sicher endgeile Songs.
Vielleicht bringen sie's textlich auch auf dein Level. Trotz deiner vielfach wütend angeschlagenen Töne gehen die Lyrics deep und haben ne Aussage.
Ja eben, die angesprochene Lebenserfahrung. Ich habe natürlich eine sehr abgebrühte Sicht auf das schwierige Leben, und so kann ich auch noch in der grössten Hasstirade Menschlichkeit einstreuen. Und Humor. Das ist wichtig.
Muss man, wie Du, sein Innerstes gegen aussen kehren, um real zu bleiben?
Nein, muss man nicht. Es gibt hundsnormale Normalos, die wunderschöne Songs schreiben können. Nimm Coldplay oder Oasis - das sind Bands, die mich in einem Ausmass berührt haben, dass es mir peinlich sein müsste. Und bei Rappern interessieren mich die grossen Songs eben auch mehr als die Inhalte.
Damit Songs gross rauskommen, benötigt man einen umtriebigen Manager. Du bist da die Ausnahme, machst alles selber.
Nennen wir es nicht managen. Ich gehe da sehr passiv vor, ehrlich gesagt.
Weil Du's nicht hauptberuflich machst und Dir so auch die künstlerische Freiheit nehmen kannst. Du bist eigentlich Werbetexter.
Yup. Und klar, die Freiheit ist jetzt natürlich grösser denn je. Siehe letzte Single - hahahaha ... Vor fünf Jahren hätte ich mich nicht getraut, solche Songs zu veröffentlichen.
Damit brichst Du alle Schweizer Branchenkonformismen. Erstens «nur» eine Single - ohne Album - an den Start bringen. Und dann noch was für ein Track: da bretterst Du richtig ab. Wieso musstest Du so Dampf ablassen?
Der ist drei Jahre alt. Wir haben ihn während der Gimmalaya-Aufnahmen gemacht. Einer der Sparring-Tracks, sozusagen. Das passierte so nebenbei.
Nebenbei mitten in die Fresse rein.
Ja, das muss schon auch mal sein. Aber mehr um meiner selbst willen. Wenns sonst keiner «real» macht, muss ich's eben tun.
Das macht Dich eben aus. Wann kommt das Album?
Im März 2016. Zuerst kommt das Buch.
Davon hab ich gehört. Worum geht's?
Um mich. Wie immer.
Biographie?
Quasi... mit extended Rahmenhandlung. Will ja nicht ein Buch schreiben, wo es überall nach meinem Pimmel riecht. Das muss schon Swag haben. Auch für mich. Nix mit «2010, ein schwieriges Jahr» und so. Voll in die Fresse. Einmal mehr.
Da kann man ja gespannt sein. Vielleicht gibt's auch weiterhin Gesellschaftskritik. Wie dein kürzlicher Kolumnen-Artikel, wo du anprangerst, dass «wer nicht perfekt ist, ersetzt wird«. Das Thema trifft auch auf die Unterhaltungszene zu. Armutszeugnis für die Menschheit?
Keine Ahnung. Ich glaube, da trennt sich wohl die Welt zwischen den Liebhabern, die lieber besitzen oder betrachten und denen, die sich in dieser Gesellschaft für die anderen als Zuschauer bloss stellen. Da sehe ich eher die Klippe. Sobald du in der Maschine drin bist, bist du drin. Egal, wie laut ich über AppleMusic gemotzt habe, ich habe tatsächlich einen genug dämlichen Blogger gefunden, der wegen meiner Ausruferei erst recht auf AppleMusic gewechselt hat. Sprich: ich habe Gratiswerbung gemacht. Ich bin also in der Maschine, ob ich nun mit Dir ein Interview per Facebook-Chat mache oder mit Kilchsperger am Phone oder bei Aeschbi auf dem Polstersessel sitze.
Das stimmt wohl. Und genau da stellt sich die Frage: Was ist die alternative zu diesen AppleMusics, Spotifys, etc. Sie sind die neuen »digitalen Vermarkter».
Ich für meinen Teil setze auf Modelle wie igrooove.ch, wo per SMS bezahlt werden kann. Oder ich mache Eigenvertrieb. Crowdfunding kann auch immer ein wichtiger Faktor sein, allein um einem gewissen «Premium»-Wunsch vieler Supporter gerecht zu werden.
Das versteh ich. Aber hast Du da nicht die Reichweite, die ein Künstler braucht, um gehört zu werden.
Die habe ich nicht mehr als Musiker. Die habe ich aber schon verloren, als ich mit den Live-Auftritten aufgehört habe. Und nochmal, als ich Pressearbeit ausserhalb der Promozeiten abgeklemmt habe. Und jetzt abermals, weil ich Streaming nicht supporte. Ich liebe Vinyl - das Gegenteil von Streaming. Die Charts können die anderen haben. Den Fame auch.
Seit DJ's auf CD's und digitale Formate gewechselt haben, die mit der «Sync»-Funktion jeder Dahergelaufene bedienen kann, hat auch DJing nichts mehr mit Kunst zu tun.
Ja, es ist auch komisch gewesen, als plötzlich jeder alle Musik zur Verfügung hatte. Vom Internet auf die CD gebrannt. Ich habe ab diesem Moment meine eigenen Mash-Up's gemacht, die konnten sie noch lange im Netz suchen. Hahahaha. Ich hab ja auch eine neue Band mit diesem Spirit. Die erste komplette Impro-Band: Steinboldt, Gimma, Müller.
Erzähl davon.
Uns gibt's seit einem Jahr, bisher hatten wir drei Auftritte. Alles ist komplett improvisiert. Wir proben nicht, wir haben keine Songs, wir covern nichts. Und wir haben keine Fotos. Aber wir kommen und spielen locker 60 Minuten ohne Pause.
Und das funktioniert? Spielt ihr nicht vor dem Barpersonal?
Funktioniert im Sinne von: Leute, die uns nicht kennen, kommen und bleiben 45 Minuten paralysiert stehen bis 100 andere da sind und wir dann einfach gehen, weil wir keinen Bock mehr haben. Nach 60 Minuten und 3 «Liedern». Es ist so JazzMetalRap. Die Band besteht aus drei Top Jazz-/Rockmusikern. Dann sind noch wir zwei Rapper, die schlecht singen können. Also freestylen wir 60 Minuten lang. Komme mir dann vor wie ein hagelvoller Samy Deluxe.
Machen die Texte dann auch noch Sinn? Das ist ja bei den Freestyles immer so ne Sache - einfach ist das auch nüchtern nicht.
Wir haben inzwischen einige Routines, die uns thematisch zumindest wieder auf den Boden holen, wenn wir total abschweifen. Soweit sind wir also doch schon.
Also doch System, siehste.
Hahaha - Freestyle ist sehr viel System, wir müssen ja alle 5 genau wissen, was die andern vor haben. Das ist nicht 16/8/16/Solo. Die spielen auch nicht nur 4/4. Die machen wirklich crazy Shit. Dazu erzählen wir vom Zombiebefall im CERN oder von Ex-Freundinnen auf dem Strich.
Ganz normale Stories, direkt aus dem Leben gegriffen.
Apropos: habe einen Song meiner Band für Dich. Hast Du ne laute Anlage?
Klar - her damit!
Heb Di fescht, dä wird Diar gfalla! Gimmalaya new stuff! Drummer von Velvet Two Stripes, Gitarre Sam von Dabu Fantastic, Bass vom Pulsaar - Arrangement von mir.
Grosses Kino! Und das versteckst Du vor der Masse?? Als ich einer Freundin sagte, dass ich Dich interviewe, sagte sie: «Ah den gibt's noch? Was macht der mittlerweile? Der ist cool». Also alle kennen Dich, nur kriegt keiner was von Deinem Schaffen mit. Zumindest nicht viele. Solltest Du das nicht ändern?
Nein ... nein ... nein ... Nein!
Keinen Bock, nochmal voll «anzugreifen»?
Die Monsteraufgabe ist ja primär, dass die Leute bis Ende 2016 kapieren, dass ich schreibe und nicht rappe. Das heisst, das Buch und die Kolumnen sind wichtiger als die Musik. Ich könnte als Musiker 200 Interviews pro Jahr geben und durch die Radios tingeln wie eine kleine Bitch, weil ja sonst keiner Quotes liefert. Aber das ist nicht, was ich möchte. Ich habe ein sehr gutes Buch geschrieben und ich möchte, dass Leute das zuerst lesen und mitbekommen, was ich wirklich mache.
(Sascha Plecic/news.ch)
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