Gasstreit: Den Europäern reisst der Geduldsfaden

publiziert: Donnerstag, 15. Jan 2009 / 06:58 Uhr / aktualisiert: Samstag, 17. Jan 2009 / 21:27 Uhr

Strassburg - Lange haben sich die Europäer im «Gaskrieg» zwischen Russland und der Ukraine in Diplomatie geübt. Wirklich erfolgreich waren Politiker und «Gasbeobachter» dabei nicht. Am Mittwoch nun riss der EU-Spitze der Geduldsfaden.

Ungewohnte töne von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.
Ungewohnte töne von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.
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Die tagelange Lieferblockade hält an, die Fronten zwischen Moskau und Kiew bleiben verhärtet. «Das ist unglaublich und nicht zu akzeptieren», schimpfte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso vor dem EU-Parlament in Strassburg.

Üblicherweise ist der Portugiese eher zurückhaltend - unverhohlen drohte der Chef der Brüsseler Behörde jetzt Gazprom und Naftogaz mit einer Klagewelle aus Europa. Die EU-Kommission werde bei weiterem Ausbleiben von Lieferungen den europäischen Firmen zu Klagen raten, zürnte er.

In die gleiche Kerbe schlug der amtierende Ratspräsident, Tschechiens Regierungschef Mirek Topolanek. «Europa muss härtere Schritte tun.» Für die Europäische Union ist klar: Selbst wenn die Gaslieferungen demnächst wieder aufgenommen werden - der Flurschaden ist beträchtlich.

Schwache EU

Doch alle Drohungen können, so meinen Kommentatoren, nicht darüber hinwegtäuschen, dass die EU und insbesondere die tschechische EU- Ratspräsidentschaft in dem Gasstreit schwächeln. Schon mag sich manch einer nach dem Aktionismus des machtbewussten französischen Staatschefs Nicolas Sarkozy zurücksehnen, der als Ratsvorsitzender Anfang Januar den Stab an seinen Nachfolger Topolanek übergeben hat.

Anders als im Gazakonflikt ist Sarkozy in der Gaskrise bislang abgetaucht. Kein Wunder: Die EU hat wenig in der Hand, um auf Moskau und Kiew Druck auszuüben, zudem ist Gas für das ganz auf Atomstrom setzende Frankreich kein zentrales Problem.

Fokus auf Alternativen

Zunehmend ist die Gasversorgung Europas zu Jahresbeginn wegen Auseinandersetzungen zwischen Moskau und den Transitländern gefährdet. Geschehen ist jedoch wenig. Eindringlich rief Barroso denn auch die EU-Staaten zum Handeln auf, um «alternative Wege der Energiebeschaffung und des Energietransits zu finden».

Nicht nur Brüssel hofft, dass die Krise ein Weckruf für die EU ist, weniger anfällig für Lieferstopps zu werden. Das Thema Energiesicherheit ist ein Dauerbrenner in der EU. Seit Jahren diskutieren Kommission und Mitgliedstaaten über eine gemeinsame EU-Energiepolitik.

Es geht darum, den Energie-Binnenmarkt zu liberalisieren und die Energieversorgung auf eine breitere und sicherere Grundlage zu stellen: Vom Bau der Nabucco-Gasleitung vom Kaspischen Meer über die Türkei nach Europa - unter Umgehung Russlands und der Ukraine - bis hin zum Ausbau erneuerbarer Energien, der zur Einhaltung der EU-Klimaziele sowieso nötig ist.

Kein Ausklinken möglich

Doch all dies dauert. Somit wird den Europäern kurzfristig nichts anderes übrigbleiben, als sich aus den ukrainisch-russischen Verhandlungen nicht wieder auszuklinken. Zwar betont man in Brüssel, der EU gehe es bei ihren Vermittlungen um die Wiederaufnahme der Lieferungen und nicht um eine langfristige Einmischung in den Zwist zwischen Moskau und Kiew.

Doch wird Europa gar nicht anders können, als auf langfristige, zuverlässige Verträge zwischen beiden Ländern zu dringen. «Wir erwarten Vorschläge (aus Moskau und Kiew) für die langfristige Lieferung», formulierte ein Kommissionssprecher am Mittwoch denn auch vorsichtig.

(bert/sda)

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