Geburt des Kronprinzenbabys: Japan im Freudentaumel

Im Imbiss-Shop von Yoshinori Kobayashi im Tokioter Edelviertel Meguro gibt es für die Kunden an diesem Samstagnachmittag nur eines: den "Kaiserbaby-Lunch" - ein Reisbällchen in Krippenform und eine wie ein Mini-Baby eingewickelte Frühlingsrolle.
"Ich bin ja so aufgeregt!", sagt der begeisterte Ladenbesitzer. "Ich fühle mich, als wenn das in meiner eigenen Familie passiert wäre."
Um 14.43 Uhr (06.43 Uhr MEZ) konnte Japan endlich aufatmen: Kronprinzessin Masako brachte ihr erstes Kind zur Welt. Die 37-Jährige und ihre kleine Tochter seien wohlauf, teilte der Palast kurz darauf mit. Das Baby sei 49,6 Zentimeter gross, 3,102 Kilo schwer und kerngesund.
Einen Namen bekommt das Kind ganz nach Tradition erst eine Woche nach der Geburt. Masako und der 41-jährige japanische Thronfolger Naharito waren bereits am Freitagabend in die Palastklinik gefahren, als es die ersten Anzeichen für die Niederkunft gegeben hatte. Die Geburt dauerte nach Angaben des Palastes jedoch nur zwei Stunden.

Glück und Freudentränen

Kaiserin Michiko soll vor Freude über den langersehnten Nachwuchs im Kaiserhaus in Tränen ausgebrochen sein. Sie und Kaiser Akihito seien "aufrichtig erleichert", berichtete ein Palastsprecher. Der Tenno sei "sehr glücklich" und danke allen, die an der Geburt beteiligt waren. Die sonst als zurückhaltend geltenden Japaner gerieten durch die frohe Botschaft geradezu aus dem Häuschen. In Masakos Heimatstadt Murakami rund 250 Kilometer nördlich von Tokio wurde noch am Nachmittag ein Feuerwerk abgebrannt, für den Abend kündigte die Stadt eine Reiswein-Party auf Kosten des Bürgermeisteramtes an.

Euphorische Menschen

Im Zentrum von Tokio organisierten Geschäftsleute einen Umzug mit Laternen und den traditionellen "Taiko"-Trommeln, und die Fernsehsender zeigten aus allen Landesteilen Bilder von euphorischen Menschen.
"Mir wird bei dieser Nachricht ganz warm ums Herz", sagt ein Kartenverkäufer in einem Kino. "Ich bin ja so glücklich", freut sich der 27-jährige Büroangestellte Toyoaki Kurihara. Achteinhalb bange Jahre hat Japan auf diesen Moment gewartet. Seit der Hochzeit Naharitos mit der bürgerlichen und hochrangigen Diplomatin Masako im Juni 1993 sehnte sich die Nation nach kaiserlichem Nachwuchs. Als die beliebte Kronprinzessin im Dezember vor zwei Jahren eine Fehlgeburt erlitt, war die Betroffenheit gross.
Die Schuld wurde damals der landesweiten Hysterie gegeben, die aus der Schwangerschaft ein Medienspektakel gemacht hatte. Diesesmal hielt sich die Presse mit Spekulationen zurück, und auch die Wirtschaft bereitete sich nur unauffällig auf den zu erwartenden Baby-Boom vor.

Nicht als Thronfolgerin möglich

Selbst dass Masako nicht den erhofften männlichen Thronfolger gebar, sondern ein Mädchen zur Welt brachte, kann die Freude nicht trüben. "Mir ist es egal, ob das Baby ein Mädchen oder ein Junge ist", strahlt die 74-jährige Hausfrau Imako Sudou. "Dies ist eine wunderbare Neuigkeit für Japan, wo wir schon so lange gegen eine schlimme Rezession ankämpfen, gibt uns das doch Hoffnung." Doch Thronanwärterin kann das kleine Mädchen nur werden, wenn das Parlament die aus dem Jahr 1889 stammende Verfassung ändert, denn der japanische "Chrysanthemen-Thron" ist bislang Männern vorbehalten.

(sda)