Auf der Suche nach einer verlorenen Generation, Teil 8
Generation Freiheit
publiziert: Montag, 15. Feb 2016 / 17:17 Uhr

Die um die 1970 Geborenen sind die letzte Generation, die in Freiheit aufwuchsen. Saufen, Rauchen und ohne Helm aufs Velo, Skateboard oder Töffli - ja sogar rasen war eine anerkannte Disziplin in der analogen Welt. Zum Verständnis der Freiheit gehörte einst auch die Option sich schaden zu dürfen.

6 Meldungen im Zusammenhang
Für meine Generation war Freiheit noch kein Wort, das in Zusammenhang mit Sicherheit stand. Sicherheit war etwas für Hypochonder, Mamis und kleine Mädchen. Natürlich gab es Bedrohungen - vielleicht sogar mehr als heute gibt. Aber sie waren so weit weg wie die Falklandinseln, Reagan oder der Heimatplanet von E.T.

Ein abenteuerliches Leben war der Traum eines jeden Jungen, so wie jenes der Kassettenhelden «Fünf Freunde» oder «Die drei ???». Es war klar, dass man Abenteuer nicht mit Plastikbesteck und Ellbogenschoner erlebt und schon gar nicht im Beisein einer berechtigten Erziehungsperson.

Als Junge kraxelte ich ungesichert Felswände hoch und fiel manchmal auch runter, sprang in giftige Heu-Silos, kämpfte Steinschleuder-Schlachten und fuhr im Winter mit aufgepumpten Schläuchen alter Lastwagen-Pneus halsbrecherische Abhänge runter. Geschützt waren wir bloss gegen die Kälte - blutige Knie und Platzwunden waren Trophäen jeder Mutprobe.

Ein richtiger Junge hatte in meiner Kindheit ein Sackmesser dabei - dazu gehörte auch, dass man sich schnitt, aber auch Stecken schnitzen konnte, um sich gegen böse Wachhunde zu verteidigen, die auf dem Schulweg frei rumliefen. Niemand wurde in die Schule geholt oder gebracht - es sei denn mit einem Schulbus. Man ging zu Fuss oder fuhr mit dem Fahrrad. Nur schon der Schulweg war ein Abenteuer, auf dem alles passieren konnte.

Früher hatten Eltern nur eine ungefähre Ahnung, wo sich ihre Kinder aufhielten. In meiner Kindheit waren wir über Stunden nicht zu erreichen. Das gehörte zum Abenteuer der eigenen Welt-Entdeckung dazu. Meine Eltern hatten auch Besseres zu tun, als mich zu überwachen; jedes Kind musste einfach auf sich selbst aufpassen. Für meine Generation waren Eltern erwachsene Menschen, die Erwachsenen-Zeugs machten. Und dazu gehörte bestimmt nicht die Observierung ihres Nachwuchses.

Unerreichbar zu sein, kann man sich heute nicht mehr erlauben, ohne gleich bei der Polizei als vermisst gemeldet zu werden. Während sich früher fast niemand ein Handy leisten konnte, kann es sich heute fast niemand nicht mehr leisten, keines zu haben.

Von der Freiheit, die wir uns von der neuen Mobil-Technologie erhofften, wurden wir enttäuscht. Während wir vor 20 Jahren das Wunder kaum fassen konnten, dass wir miteinander sprechen können, ohne in einer Telefonzelle zu sein, ist das Handy heute zu einer mühsamen Last geworden. Verpasste Anrufe, ungelesene Mails, Updates-Installieren - der Segen entwickelte sich zum Fluch.

(jz/news.ch)

Kommentieren Sie jetzt diese news.ch - Meldung.
Lesen Sie hier mehr zum Thema
Zentner Piaggio Ciao oder Puch Maxi? Fifty oder Sachs? Ein Töffli entschied im Dorf der 80er Jahre auch darüber, zu welcher Clique man ... mehr lesen
Töfflifieber.
Zentner Wenn Sie wissen, was Sie am 1. August 1987 gemacht haben, gehören Sie auch zur Generation MTV. Und nein, das ist ... mehr lesen
Zentner Wir sind ja auch ein bisschen «Generation abgezockt». Man denke bloss an die absurd überhöhten Handytarife der 90er ... mehr lesen
Sony Walkman Anzeige aus den 80er Jahren.
Collage von Magazinen aus den 90er Jahren.
Zentner Bungee-Jumping, Free-Climbing, Canyoning, Mountainbike, Freeriding, Base-Jumping, Wakeboarden, etc: Meine Generation ... mehr lesen
Zentner Die Welt hat sich in den 43 Jahren seit meiner Geburt stark verändert, wandelte sich vom analogen ins digitale Zeitalter. Auch ... mehr lesen
McDonald's Werbung in den 80er Jahren.
Weitere Artikel im Zusammenhang
Die Ecstasy-Hersteller versehen ihre Pillen oft mit geschützten Markenzeichen.
Zentner Jede Generation hat ihre Drogen. Meine Generation ist auf Pille. Ob früher in Form von Ecstasy oder heute Antidepressiva; ... mehr lesen
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 21
Erstaunliche Pfingstrose.
Erstaunliche Pfingstrose.
Das Leben ist zu kurz für lange Kolumnen. So stapeln sich bei mir Ideen für Texte, die ich wohl nie schreiben werde: mehr lesen 
Nichts geht über einen ausgedehnten Spaziergang. Auf dem ältesten Fortbewegungsmittel der Menschheit - den Beinen - wird die Welt zu einer besseren. mehr lesen  
Abendspaziergang.
Auch eine Art Frage-Zeichen.
Wieder mal ist das Leben voller Fragen; 20 an der Zahl. Bei Nr. 12 musste ich weinen. mehr lesen  
Neulich erreichte mich der Ruf des Kirchgangs. Und wie immer fühlte ich mich dabei so schrecklich wie Luzifer persönlich. mehr lesen  
Typisch Schweiz Der Bernina Express Natürlich gibt es schnellere Bahnverbindungen in den Süden, aber wohl ...
Die Nike Air Jordan 13s kamen 1998 heraus.
Shopping Erreichen Air Jordan Sneaker 2-4 Mio. Dollar in der Versteigerung? Ein Paar Turnschuhe, das Geschichte geschrieben hat, steht zum Verkauf: Die Nike Air Jordan 13s, die Michael Jordan in seiner letzten ...
Erstaunliche Pfingstrose.
Jürg Zentner gegen den Rest der Welt.
Jürg Zentner
Frauenrechtlerin Ada Wright in London, 1910: Alles könnte anders sein, aber nichts ändert sich.
Regula Stämpfli seziert jeden Mittwoch das politische und gesell- schaftliche Geschehen.
Regula Stämpfli
«Hier hätte ich noch eine Resistenz - gern geschehen!» Schematische Darstellung, wie ein Bakerium einen Plasmidring weiter gibt.
Patrik Etschmayers exklusive Kolumne mit bissiger Note.
Patrik Etschmayers
Obama in Hanoi mit der Präsidentin der Nationalversammlung, Nguyen Thi Kim Ngan auf einer Besichtigungstour: Willkommenes Gegengewicht zu China.
Peter Achten zu aktuellen Geschehnissen in China und Ostasien.
Peter Achten
Recep Tayyp Erdogan: Liefert Anstoss, Strafgesetzbücher zu entschlacken.
Skeptischer Blick auf organisierte und nicht organisierte Mythen.
Freidenker
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute So Mo
Zürich 12°C 25°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig recht sonnig sonnig
Basel 11°C 26°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig recht sonnig sonnig
St. Gallen 11°C 23°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wolkig, aber kaum Regen
Bern 12°C 24°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wolkig, aber kaum Regen
Luzern 13°C 25°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig vereinzelte Gewitter vereinzelte Gewitter
Genf 12°C 25°C vereinzelte Gewitterleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen recht sonnig
Lugano 16°C 22°C gewitterhaftleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig gewitterhaft gewitterhaft
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten