Georgiens Opposition bleibt kämpferisch

publiziert: Donnerstag, 8. Nov 2007 / 23:26 Uhr

Moskau/Tiflis - Mit dem Tränengas kamen für die Älteren unter den georgischen Demonstranten die Erinnerungen an die Schrecken des 9. April 1989 zurück.

Bei den Protesten am 7.11. wurden mehr als 500 Menschen durch Tränengas, Wasserwerfer und Gummiknüppel verletzt.
Bei den Protesten am 7.11. wurden mehr als 500 Menschen durch Tränengas, Wasserwerfer und Gummiknüppel verletzt.
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An jenem Tag vor 18 Jahren liess der russische General Igor Rodionow die Unabhängigkeitsbewegung in der damaligen Sowjetrepublik Georgien brutal niederschlagen. 20 Demonstranten starben damals in Tiflis.

«Präsident Saakaschwili hat das gleiche Klima der Angst geschaffen», sagt der Vorsitzende der oppositionellen Republikanischen Partei, Iwlian Chaindrawa.

Mit dem jüngsten Gewaltexzess, bei dem mehr als 500 Menschen durch Tränengas, Wasserwerfer und Gummiknüppel verletzt wurden, habe sich Georgien von seinem Weg in Richtung EU und NATO verabschiedet.

Chaindrawa stellt dies in Tiflis mit Bedauern fest. Tritt er doch wie die meisten anderen Kritiker auch in seltener Übereinstimmung mit dem Präsidenten für einen Westkurs seiner Heimat ein.

«Absurde» Vorwürfe

Umso absurder empfindet die Opposition deshalb die Vorwürfe Saakaschwilis, die Proteste seien das Werk des russischen Geheimdienstes, der die Pläne für einen Staatsstreich schon in der Tasche habe.

Die Schadenfreude Russlands über die jüngsten Ereignisse beim unbequemen kleinen Nachbarn ist unübersehbar. «Das amerikanische Projekt der sogenannten georgischen Demokratie hat ein Fiasko erlebt», feixte der Sicherheitsexperte und Duma-Abgeordnete Gennadi Gudkow in Moskau. Die regierungstreue Tageszeitung «Iswestija» sah Georgien «am Rande eines Bürgerkriegs».

In Tiflis nahmen sich die Konfliktparteien eine Auszeit. «Unsere Leute sollen nicht noch einmal ihre Gesundheit riskieren», sagt Chaindrawa, dessen Bruder Georgi, einst Minister unter Saakaschwili, am Vortag vorübergehend festgenommen worden war.

Sobald die Versammlungsverbote aufgehoben werden, will die Opposition wieder 100 000 Anhänger auf die Strasse bringen, was in einem Land mit nur 4,7 Millionen Einwohnern ein grosser Machtfaktor ist. So viele Menschen hatte bislang nur Saakaschwili hinter sich, als er vor vier Jahren den damaligen Präsidenten Eduard Schewardnadse stürzte.

Viele der Wegbegleiter von damals haben sich enttäuscht von Saakaschwili abgewendet, dem sie Verfehlungen bis hin zu einem angeblich geplanten Auftragsmord vorwerfen.

Gerangel zwischen Washington und Moskau

Das Gerangel zwischen Washington und Moskau um das strategisch bedeutsame Georgien könnte durch die innenpolitische Eskalation eine neue Dynamik bekommen. US-Regierung, EU und NATO zeigten sich unisono «besorgt» über die jüngsten Ereignisse in Georgien.

Die Opposition in Tiflis hätte sich deutlichere Reaktionen des Westens gewünscht. «Aber auch so lesen wir Kritik an dem selbst für uns überraschenden Gewaltexzess heraus. Saakaschwili ist entzaubert», sagt Chaindrawa.

Georgien ist unter Saakaschwili, einem Absolventen der New Yorker Columbia University, zu einem wichtigen Verbündeten der USA geworden. Durch das Land führt die Pipeline Baku-Tiflis-Ceyhan von Aserbaidschan an die türkische Mittelmeerküste, mit der der Westen seine Abhängigkeit von russischem Öl verringern will.

Doch auch Moskau behält einen Fuss in der Tür. Der Kreml protegiert die abtrünnigen Gebiete Südossetien und Abchasien und nutzt sie als Faustpfand für internationale Konflikte. So ist immer wieder die unverhohlene Drohung zu hören, dass im Falle einer Unabhängigkeit des Kosovos Moskau einseitig Südossetien und Abchasien anerkennen könnte.

(Stefan Voss/dpa)

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