Gesundheitswesen: Top-Versorgt in die Pleite

publiziert: Freitag, 8. Okt 2010 / 12:10 Uhr / aktualisiert: Freitag, 8. Okt 2010 / 19:01 Uhr
Welche Welche Herzklappe darf's denn sein? Neu heisst meist teurer, aber nicht immer auch besser.
Welche Welche Herzklappe darf's denn sein? Neu heisst meist teurer, aber nicht immer auch besser.

Vielleicht wissen Sie ja schon, wie viel Sie nächstes Jahr für Ihre Krankenkasse zahlen müssen, vielleicht auch nicht. Mehr wird es auf alle Fälle sein. Und die Hoffnung, dass es bald aufhört, mit den Kostensteigerungen, oder sogar weniger wird, sollte man sich abschminken.

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Es wird weiter rauf gehen und zwar mit 2 (unwahrscheinlich) - 6 (realistisch)% im Jahr.

Bedenkt man, dass eine Kostensteigerung von jährlich 6% schon nach 12 Jahren eine Verdoppelung bedeutet, muss jedem klar werden, dass irgendwo gebremst werden muss, wenn wir nicht in absehbarer Zukunft nur noch für unsere medizinische Versorgung arbeiten wollen.

Für die momentanen Preissprünge dürfen wir uns beim Ex-Bundesrat Couchepin bedanken, der mit seinen kosmetischen Prämienstopps Löcher aufriss, die jetzt wieder gestopft werden müssen. Doch regen wir uns nicht zu sehr darüber auf: Wir zahlen nun einfach nach, was wir schon vor Jahren hätten blechen müssen...

Denn das Problem sind nicht die Krankenkassen. Das Problem sind wir und unser Gesundheitswesen. Dabei ist die Grundabdeckung der Placebo-Medizin, die gerne auch 'Komplementär-Medizin' genannt wird, nur einer der Faktoren, die uns Löcher in die Brieftasche brennen. Aber sie ist exemplarisch: Leistungen, die nicht wirken, niemals ihre Wirkung beweisen konnten, dank Volkswillen bezahlt werden müssen, und so sogar die Rechtsgleichheit aushebeln (warum sind Schamanenbeschwörungen und Geisteraustreibungen nicht gedeckt, wenn Globulis bezahlt werden?)

Wenn die Befürworter der Schulmedizin nun nicken, kann man aber auch diesen gleich eins auf die Finger geben, denn die paar Milliönchen, die für Homöopathie und TCM versaut werden, sehen zum Beispiel gegen die moderne Herzmedizin wie Pipifax aus.

Doch dort gibt es das genau gleiche Problem: Viele neue Operationstechniken schaffen es nicht, in den wenigen Fällen, wo sie unter die Lupe genommen werden, ihre Wirksamkeit zu beweisen. In einem Artikel des «Skeptic-Magazines», wurde festgestellt, dass zum Beispiel das Einsetzen von sogenannten «Stents» in verengten Blutgefässen keine höhere Überlebensrate bringt, als wenn man diese einfach sein lässt. Nach fünf Jahren leben von den Operierten genau gleich viele noch, wie von den nicht behandelten.

Es ist am Ende egal, ob Skalpell, Tablette oder Globuli: Nur eine rigorose Qualitätskontrolle aller gedeckter Behandlungen könnte jene Prozeduren aussortieren, die nur die Kosten hinauf treiben und den Patienten nichts bringen. Doch wer soll dies kontrollieren und wie sollen diese Kontrollen durchgeführt werden? Wer würde die Kosten tragen?

Diese Fragen sind von extremer Tragweite aber machen wir uns nichts vor: Wenn unsere Gesellschaft nicht unter der Last der Gesundheitskosten zusammen brechen will, muss auf eine gerechte Art aussortiert werden, was Menschen wirklich gesünder macht und was nur Kosten verursacht.

Es leuchtet nicht ein, dass es Qualitätskontroll- und -sicherungsmechanismen für praktisch jeden Industriezweig gibt, dies im Gesundheitswesen hingegen nicht wichtig sein soll. Niemand kann sagen, ob die neue, doppelt so teure Herzklappe wirklich besser ist, doch gezahlt wird sie und niemand fragt nach.

Bei Konsumgütern wäre dies nicht möglich: Niemand würde akzeptieren, dass für ein Auto ohne ersichtlichen Vorteil 20% mehr gezahlt werden müsste, nur weil es eine neue Windschutzscheibe gibt, deren einziger Vorteil es sei, neu zu sein.

Nicht so im Gesundheitswesen: In von den Konzernen selbst gemachten Studien muss lediglich bewiesen werden, dass das neue Medikament oder Implantat seine Aufgabe ohne Schaden für den Patienten erfüllt, auch wenn es gegenüber dem alten Medikament nur teurer ist. Das Resultat sehen wir auf unseren Rechnungen.

Die Medizin ist eines der letzten Gebiete in der Wirtschaft, wo der Markt überhaupt nicht spielt: Wir Käufer wissen nicht genau was wir bekommen und müssen einfach zahlen, während der Produzent weitgehend die Preise bestimmt. Dieser Art von Selbstbedienung kann wirklich nur mit dem Wissen darüber, was wirkt und was einfach nur teuer ist, entgegen getreten werden.

Bleibt die Frage, welche staatlichen oder gar überstaatlichen Organisationen die Medizin kontrollieren sollen. Eigentlich müssten die Krankenkassen eine solche Initiative starten, denn es sind schliesslich sie, die die Rechnungen mit unserem Geld begleichen. Fragt sich nur, ob da auch die Politik mitziehen wird, oder die Angst vor dem Wähler, der den Fünfer, die neueste Herzklappe und das Globuli haben will, zu gross ist und wir so top-versorgt in die Pleite wanken werden, ob's nun was nützt oder nicht.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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