Gnadenfrist abgelaufen?

publiziert: Montag, 1. Sep 2008 / 12:07 Uhr / aktualisiert: Dienstag, 2. Sep 2008 / 08:34 Uhr

7 Meldungen im Zusammenhang
Weiterführende Links zur Meldung:

National Geographic
Bericht in National Geographic über die Mängel der neu gebauten Dämme
www.nationalgeographic.com

Los Angeles Times
Aktueller Bericht der LA-Times über die Damm-Situation in New Orleans
www.la-times.com

Hintergrundvideo zu Katrina
Video einer Non-Profit-Organisation zu den Mythen, die es um die Katrina-Katastrophe gibt
www.levees.org

Es sind ziemlich genau drei Jahre vergangen, seit Katrina New Orleans, the Big Easy, in eine Wasserwüste verwandelt hat. Entgegen vielen Befürchtungen wurde die Stadt, deren marodes Dammsystem die Hauptursache für die Katastrophe gewesen war, weder 2006 noch 2007 von einem grossen Hurrikan heim gesucht. Die Hoffnung wuchs, dass es gelingen würde, die Stadt zu sichern, die Dämme wieder aufzubauen.

Doch die Aufgabe, die sich dem Army-Corps of Engineers stellte, war gigantisch und die Tatsache, dass die Mittel dafür von der Bush-Regierung nur zögerlich zur Verfügung gestellt wurden, half nicht unbedingt dabei. Und auch das, was gemacht wurde, entsprach nicht wirklich den Anforderungen, wie letztes Jahr von einigen Experten festgestellt wurde.

Die folgenden Zitate beziehen sich alle auf 'reparierte' Zonen, wie zum Beispiel den «Mississippi River Gulf Outlet» Schifffahrtskanal, der bei der Katrina-Flut an über 20 Stellen geborsten war: Diese mit Mississippi-Lehm abgedeckten Erdwälle seien wie «Biskuitkuchen mit Glasur oben drauf, die bei einem Anschwellen des Meeresspiegels wie bei Katrina nicht mehr da sein werden».

Oder zu den Fluttoren und Pumpen an den drei wichtigsten Auslaufkanälen der Stadt: «Diese sind verdammt, beim nächsten grossen Sturm zu versagen, weil ein System fehlt, dass Sedimente automatisch entfernt, die ein Schliessen der Tore verhindern könnten.» Man verlasse sich stattdessen auf Taucher, die die Hindernisse beseitigen sollen. Oder die I-förmige Flutwand am Duncan-Kanal im Westen der Stadt: «Ein 580m langer Abschnitt sinkt unter dem eigenen Gewicht in den Boden ein.»

Und auch dieses Jahr wurde überall geflickt und geschustert – Schwachstellen, die auffielen, wurden mit Zement verstärkt und viele Pläne für entscheidende Verstärkungen stecken noch in der Projektphase und sollen erst in drei Jahren fertiggestellt werden.

Ist es unfair, auf die Dammbauer der Armee einzudreschen? Versuchen sie nicht lediglich, in Jahrzehnten angehäufte Versäumnisse und daraus resultierende Schäden möglichst schnell zu reparieren? Wie schon vor drei Jahren in einer Kolumne beschrieben, wurde im Küstenschutz systematisch gespart und gestrichen. Die Bush-Regierung hatte zum Beispiel 2001 versucht, ein Ansuchen über knapp 600 Mio. US-Dollar auf weniger als ein Drittel zu kürzen, um sich am Ende vom Kongress auf knapp die Hälfte der geforderten Summe hinauf drücken zu lassen. Der angerichtete Schaden von Katrina betrug mindestens 100 Milliarden Dollar.

Doch das Ingenieurs-Korps muss sich trotz allem vorhalten lassen, ohne Kontrollinstanz vor sich hin zu wursteln und in den ganzen USA mangelhafte bis gefährliche Dammsysteme zu verantworten, welche sogar Binnenstädte wie die kalifornischen Hauptstadt Sacramento oder Michigans Detroit in Gefahr bringen, von einer Flut heimgesucht zu werden.

Gleichzeitig wird das beste Küstenschutzsystem immer noch zu Papier verarbeitet, oder vernichtet um nach Öl zu bohren: Der Schutz der Mangrovenwälder und Sümpfe, die eigentlich die perfekten Sturm- und Flutbrecher wären, ist immer noch auf der untersten Priorität, da Papier- und Ölkonzerne gerne als grosszügige Wahlkampfspender auftreten und Naturschutz ja eh was für Memmen ist.

Immerhin funktionierte dieses Mal die Evakuierung der Stadt. Doch die Frage ist viel mehr, ob New Orleans selbst Gustav überstehen und nicht schon wieder untergehen wird. Wenn die Dämme an zwei, drei Stellen nachgeben – potentielle Schwachpunkte sind auch heute noch viel zahlreicher – könnte New Orleans wieder überflutet werden. Und tragischerweise nicht wegen einer unvermeidlichen Naturkatastrophe, sondern weil während Jahrzehnten die natürlichen Flutbarrieren vernichtet und die künstlichen vernachlässigt worden sind. Wenn die Gnadenfrist von New Orleans mit Gustavs Ankunft abgelaufen sein sollte, dann liegt die Verantwortung dafür allein bei den Behörden, den Ingenieuren und all jenen, die für die Vernichtung der natürlichen Sturmbarrikaden wie Mangrovenwäldern und Küstensümpfen verantwortlich sind.

In diesem Sinne ist es ja fast schon von poetischer Gerechtigkeit, dass Gustav ausgerechnet die Parteiversammlung der Republikaner und den Auftritt von Bush und Cheney - den grössten Naturschändern der letzten Jahre - von der Bildfläche fegt.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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