Grosse Unterschiede bei der Verfolgung von Tierquälereien
2011 wurden in der Schweiz so viele Tierschutzdelikte untersucht wie nie zuvor. Dies zeigt die Analyse der Stiftung für das Tier im Recht (TIR). In vielen Kantonen werden Tierquäler aber nach wie vor nicht konsequent verfolgt. Das gesetzliche Qualzuchtverbot wurde landesweit überhaupt noch nie angewendet. Die TIR reicht deshalb Strafanzeigen gegen fehlbare Züchter ein und fordert griffige Vollzugsstrukturen in allen Kantonen.
Wie ein Jahr zuvor weist 2011 der Kanton Bern mit 250 am meisten Tierschutzstrafverfahren aus. Hohe Fallzahlen liegen auch aus St. Gallen (235) und Zürich (207) vor. Auf den weiteren Plätzen folgen Waadt (118), Aargau (93) und Solothurn (80). Die bemerkenswerteste Entwicklung ist in Graubünden festzustellen. Hier ist die Fallzahl gegenüber dem Vorjahr von 16 auf 55 gestiegen. Die Zunahme um beinahe 250 % ist vor allem auf die Arbeit der neu geschaffenen Fachstelle für Tierschutz zurückzuführen. Wie positiv sich geeignete Strukturen und spezialisierte Amtsstellen auf den kantonalen Tierschutzvollzug auswirken, zeigt sich auch in Bern, St. Gallen und Solothurn.
In vielen anderen Kantonen werden Tierquäler hingegen nach wie vor kaum verfolgt. Sehr tiefe Verfahrenszahlen liegen aus Nidwalden (1), Genf (2), Jura und Uri (je 3) sowie aus Glarus, Neuenburg und dem Tessin (je 4) vor.
Grosse Vollzugsunterschiede zeigen sich auch im Nutztierbereich
Schlecht schneidet hier insbesondere der Kanton Luzern ab. Die lediglich acht Fälle bedeuten bei 8862 Luzerner Nutztierhaltenden, dass nur gerade gegen jeden 1107. ein Strafverfahren durchgeführt wurde (0.1 %). Landesweit lag der Wert über sechsmal, im Kanton Zürich sogar 15-mal höher. Ähnlich tief wie in Luzern sind die Werte im Kanton Freiburg, wo auf die 4033 Nutztierhaltenden bloss elf Strafverfahren (0.2 %) entfielen.
Einen gesamtschweizerischen Skandal stellt die vollständige Ignorierung des im Tierschutzgesetz verankerten Qualzuchtverbots dar. Dieses untersagt seit 2008 die gezielte Verpaarung von Tieren, wenn bei den Nachkommen mit zuchtbedingten Belastungen gerechnet werden muss. Verstösse sind als Tierquälereien zu bestrafen. Trotz dieser klaren Rechtslage sind Qualzuchten in der Schweiz alltäglich und wurde bis heute kein einziges entsprechendes Strafverfahren durchgeführt.
Strafanzeigen gegen fehlbare Züchter
Damit das Verbot endlich umgesetzt wird, hat die TIR bei den Staatsanwaltschaften Aargau, Bern, Luzern, St. Gallen und Zürich sieben exemplarische Strafanzeigen gegen fehlbare Züchter eingereicht. Diese richten sich allesamt gegen die Zucht schwerst belasteter Heimtiere, die für rein ästhetische Interessen des Menschen lebenslang leiden müssen und in ihren natürlichen Verhaltensweisen massiv eingeschränkt sind. Im Einzelnen betreffen die Anzeigen die Zucht von Hunden (Labrador und Pekinese), Katzen (Sphinx, Devon Rex, Perser, Scottish Fold und Exotic Shorthair) und Tauben (Orientalische Mövchen).
Die TIR will damit keine Verbote bestimmter Rassen erwirken, sondern tierquälerischen Zuchtauswüchsen Einhalt gebieten. Vielerorts besteht im Tierschutzstrafvollzug noch immer dringender Handlungsbedarf. Es ist völlig inakzeptabel, dass gewisse Kantone verbindliches Gesetzesrecht fast schon systematisch ignorieren und Tierquälereien nicht verfolgen und bestrafen. In einem Forderungskatalog hat die TIR die sieben wichtigsten Postulate für eine wirksame Strafpraxis im Tierschutzrecht aufgelistet.
(li/pd)
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