Grosso, ein «dicker Held»

Wer war der Spieler der WM 2006? Der Spieler, der diese Weltmeisterschaften entschied? Ein Tipp: Es war ein Italiener. Nicht Buffon war’s, auch nicht Pirlo, Totti, Del Piero oder Cannavaro. Keiner dieser grossen Namen. Und schon gar nicht Zinedine Zidane. Er war der beste Einzelspieler der WM mit dem grössten Einfluss auf eine Mannschaft, grösser als Ronaldinho, Ballack oder Riquelme. Aber im Finale als es darauf ankam, versagten ihm die Nerven.

Dabei hätte Zidane in den abslouten Olymp des Fussballs aufsteigen können, hätte er nach seinem Elfmeter-Kunstschuss der ersten Halbzeit auch noch in der Verlängerung seine grosse Kopfballchance verwertet. Stattdessen verabschiedete er sich verstohlen nach der roten Karte wegen Tätlichkeit durch die Hintertüre und kam nicht mehr.

Wer nun also ist der grosse Held dieser WM? Es ist Fabio Grosso, der an den Weltmeisterschaften in Deutschland «dick herauskam» (grosso in talienisch = «der Dicke»)! Manch einer reibt sich nun die Augen, aber die Begründung ist einfach: Grosso war an jeder wichtigen Situation ab dem Achtelfinale auf dem Weg zum WM-Titel Italiens beteiligt und machte in jedem knappen Spiel ab den Achtelfinals den kleinen, aber feinen Unterschied aus.

Schlüsselsituation 1: Grosso war es, der in Unterzahl durch eine Einzelleistung den Elfmeter in der Nachspielzeit des Achtelfinales gegen Australien geschickt herausholte.
Schlüsselsituation 2: Grosso war es, der in der 119. Spielminute im Halbfinalspiel gegen die Deutschen mit einem Kunstschuss die Entscheidung herbeiführte und …
Schlüsselsituation 3: Es war wieder Grosso, der im Elfmeterschiessen des WM-Finals den letzten und entscheidenden Penalty souverän versenkte und somit den Titel sicherte. Grosso ist der «dicke Held» dieser WM und dies überrascht nicht. Denn, mit der Ausnahme von Zidane und zum Teil Riquelme, waren es nicht die grossen Stars wie Ballack, Ronaldinho, Beckham, Rooney, Figo & Co., die dieser WM den Stempel aufdrückten, sondern Leute wie Lahm, Maxi Rodriguez, Materazzi, Zambrotta oder eben Grosso.

Auffällig war zudem, dass die Bedeutung der Aussenverteidiger oder defensiven Mittelfeldspieler in den Aussenbahnen zunahm und den Unterschied ausmachte. Und von diesen hatte der neue Weltmeister Italien die besten: Zambrotta rechts und Grosso links. Das waren diejenigen, die zusammen mit der Achse Buffon, Materazzi/Cannavaro unf Pirlo den entscheidenden Unterschied ausmachte.

Zidanes Abschied, der auf diese unschöne Weise zustande kam, tut weh. Auch Thuram gab seinen Rücktritt nach dem Finale bekannt. Die «équipe tricolore» wird ihr Gesicht verändern (müssen). Trotz des Erfolges der «alten Herren» ist ein Facelifting unumgänglich. Indes muss bemerkt werden, dass die Trends der Vorrunde auch meistens in den K.O.-Runden bestätigt wurden. Dass nämlich Italien als neuer Weltmeister gefeiert wird, bestätigt das, was an dieser WM nach der Vorrunde bereits als Trend festgestellt wurde: Die Nationaltrainer, welche den Mut hatten, junge aufstrebende Spieler zu integrieren, haben schlussendlich triumphiert.

Italien ist eine Mannschaft mit einer guten Mischung aus erfahrenen Cracks und jungen Newcomern und so waren und sind es auch die Portugiesen, Deutschen, Ukrainer, Argentinier, Schweizer, Ghanaer, Mexikaner oder Spanier. Allesamt Teams, die im spielerischen und/oder taktischen Bereich (manche, wie die Ukrainer «nur» im taktischen…) überzeugen konnten und die Vorrunde überstanden. Fehlt da noch ein prominenter Protagonist des Weltfussballs: Brasilien! Aber die werden den «Turnaround» auch vollziehen. Wetten?

(Joël Wüthrich/fussball.ch)