Grundrechtecharta zeigt erste Wirkung
publiziert: Dienstag, 5. Dez 2000 / 08:32 Uhr
Berlin - Wenigstens in einem Punkt sind sich die EU-Staatenlenker einig, bevor ihr Gipfel in Nizza begonnen hat: Sie wollen die EU-Grundrechtecharta proklamieren. Zwar ist sie damit noch nicht in den Verträgen verankert, die das Grundgerüst der Union ausmachen. Aber sie entfaltet sofort Wirkung.
Darauf wies der SPD-Bundestagsabgeordnete
Jürgen Meyer am Montag im AP-Gespräch hin. Für ihn ist die
Charta «das Glanzstück der französischen Präsidentschaft» -
was immer der Gipfel sonst hervorbringt.
«Sie ist eine politische Selbstverpflichtung der
Institutionen, die sie verkünden», sagte Meyer. «Der
Europäische Gerichtshof in Luxemburg muss sie sofort
anwenden, denn sie verdeutlicht Artikel sechs des
EU-Vertrages.» Meyer vertrat den Bundestag in dem
62-köpfigen Konvent, der unter der Führung von
Altbundespräsident Roman Herzog die Charta ausgearbeitet
hat.
Das 54 Artikel umfassende Werk, das zum ersten Mal ausführlich die Grundrechte für die Staaten der Europäischen Union ausformuliert, geht in Details weiter als die ethischen Prinzipien, die etwa für Beitrittskandidaten gelten. Meyer wies besonders darauf hin, dass die Freiheit von Presse und Rundfunk darin erstmals festgeschrieben ist. Keine Straftat darf mit dem Tode geahndet werden - das war bei Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft durchaus nicht selbstverständlich.
Die Briten, die sich schwer taten mit der Charta, weil sie einen Verlust ihrer staatlichen Eigenständigkeit befürchten, beruhigt Meyer: «Sie werden erkennen, dass die Charta eher die Position der Mitgliedstaaten stärkt als die der Kommission.» Auch Kommissionspräsident Romano Prodi habe das erkannt. Er gilt als Befürworter einer Charta, weiß aber, dass das Demokratiegebot gegen die Kommission in ihrer jetzigen Institutionalisierung spricht.
Erst die im «Post-Nizza-Prozess» geplante Verbindlichkeitserklärung der Charta durch die Verankerung in den EU-Verträgen hat zur Folge, dass ihre Rechte individuell eingeklagt werden können. Meyer ist dabei ein Verfechter des Vorschlags, sie EU-weit über ein Referendum für verbindlich zu erklären. Wenn der politische Wille wirklich in der gesamten Union vorhanden sei, wäre es seiner Ansicht nach sogar möglich, dies aus Anlass der Europawahl 2004 zu tun.
Dazu wiederum müssten aber einstimmig die Europäischen Verträge geändert werden, denn Volksentscheide dieser Art sind darin nicht vorgesehen. Sie hätten aber den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass mit der erforderlichen Diskussion in der Öffentlichkeit die Charta einer breiten Bevölkerungsschichten bekannt und Misstrauen gegenüber Brüssel abgebaut würde. Nach Meyers Wahrnehmung ist auch der Bundeskanzler nicht gegen ein Referendum. Gerhard Schröder sei aber der Meinung, dass das Ziel - die Verbindlichkeit der Charta zu erreichen - wichtiger sei als der Weg. Der Vorsitzende des Konvents, Altbundespräsident Roman Herzog, sei ebenso für einen Volksentscheid wie sein Nachfolger im Schloss Bellevue, Johannes Rau. Erste, sozusagen inoffizielle Wirkungen hat die Charta bereits entfaltet. Meyer zufolge hat sich die Kommission schon darüber informiert, wie sich eine Entscheidung zum Problem der öffentlich-rechtlichen Sparkassen in Deutschland und der Wettbewerbsrichtlinien der EU mit der Charta vereinbaren lasse. Meyer ist der Ansicht, der Artikel 36 (»Zugang zu Dienstleistungen») spreche für die Beibehaltung.
Das 54 Artikel umfassende Werk, das zum ersten Mal ausführlich die Grundrechte für die Staaten der Europäischen Union ausformuliert, geht in Details weiter als die ethischen Prinzipien, die etwa für Beitrittskandidaten gelten. Meyer wies besonders darauf hin, dass die Freiheit von Presse und Rundfunk darin erstmals festgeschrieben ist. Keine Straftat darf mit dem Tode geahndet werden - das war bei Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft durchaus nicht selbstverständlich.
Die Briten, die sich schwer taten mit der Charta, weil sie einen Verlust ihrer staatlichen Eigenständigkeit befürchten, beruhigt Meyer: «Sie werden erkennen, dass die Charta eher die Position der Mitgliedstaaten stärkt als die der Kommission.» Auch Kommissionspräsident Romano Prodi habe das erkannt. Er gilt als Befürworter einer Charta, weiß aber, dass das Demokratiegebot gegen die Kommission in ihrer jetzigen Institutionalisierung spricht.
Erst die im «Post-Nizza-Prozess» geplante Verbindlichkeitserklärung der Charta durch die Verankerung in den EU-Verträgen hat zur Folge, dass ihre Rechte individuell eingeklagt werden können. Meyer ist dabei ein Verfechter des Vorschlags, sie EU-weit über ein Referendum für verbindlich zu erklären. Wenn der politische Wille wirklich in der gesamten Union vorhanden sei, wäre es seiner Ansicht nach sogar möglich, dies aus Anlass der Europawahl 2004 zu tun.
Dazu wiederum müssten aber einstimmig die Europäischen Verträge geändert werden, denn Volksentscheide dieser Art sind darin nicht vorgesehen. Sie hätten aber den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass mit der erforderlichen Diskussion in der Öffentlichkeit die Charta einer breiten Bevölkerungsschichten bekannt und Misstrauen gegenüber Brüssel abgebaut würde. Nach Meyers Wahrnehmung ist auch der Bundeskanzler nicht gegen ein Referendum. Gerhard Schröder sei aber der Meinung, dass das Ziel - die Verbindlichkeit der Charta zu erreichen - wichtiger sei als der Weg. Der Vorsitzende des Konvents, Altbundespräsident Roman Herzog, sei ebenso für einen Volksentscheid wie sein Nachfolger im Schloss Bellevue, Johannes Rau. Erste, sozusagen inoffizielle Wirkungen hat die Charta bereits entfaltet. Meyer zufolge hat sich die Kommission schon darüber informiert, wie sich eine Entscheidung zum Problem der öffentlich-rechtlichen Sparkassen in Deutschland und der Wettbewerbsrichtlinien der EU mit der Charta vereinbaren lasse. Meyer ist der Ansicht, der Artikel 36 (»Zugang zu Dienstleistungen») spreche für die Beibehaltung.
(sda)
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