Günter Grass liest erstmals aus Letzte Tänze

Als Abschied oder gar Abgesang wollte er Letzte Tänze nicht verstanden wissen: Es ist ja Plural. Es ist nicht der letzte Tanz, sondern es sind letzte Tänze. In meinem Alter - ich werde jetzt 76 - da ist abzusehen, dass es sich um letzte Tänze handelt, sagte der Literaturnobelpreisträger

Der Tenor ist meist heiter. Tanz und Sex sind die Themen, für Grass sind die Grenzen zwischen beiden ohnehin fliessend. Nach dem Tanz - nicht immer, aber häufig - schliesst sich die fleischliche Liebe an.

Mit dem Gedichtband und den parallel entstandenen Zeichnungen hatte sich Grass im vergangenen Jahr nach der Novelle Im Krebsgang über die Versenkung der Wilhelm Gustloff eine Schreibpause genommen. Ausgleich fand er in seinen nun vorgelegten Jugenderinnerungen.

Als ich des Schiffes Untergang und den nachhallenden Schrei zum Buch verkürzt hatte, wollte ich etwas Heiteres zum Gegenstand meiner Laune machen, schreibt Grass in seinem Eröffnungsgedicht Gottähnlich - eines von 36 Stücken, flankiert und unterbrochen von Kohle- und Rötelzeichnungen.

Von den ersten Annäherungen des halbstarken Grass an das weibliche Geschlecht als Profiteur des Krieges - die erwachsenen Männer waren fast alle an der Front - bis zum reifen Grass, der weder vom Tanz noch vom Sex lassen kann. Im Gedicht Ein Wunder beschreibt er entsprechend selbstironisch das Wunder der Erektion.

Im Haus am Lützowplatz hatte er zuvor eine Ausstellung mit Illustrationen des Gedichtbandes und einem Zyklus von Bronzeskulpturen unter dem Titel Letzte Tänze eröffnet.

Lyrik, Malerei und Bildhauerei sind für Grass auch ein Ausflug zu den Anfängen. Der Nobelpreisträger ist gelernter Bildhauer, erst Anfang der 50er Jahre wandte er sich dem Schreiben zu. Auch hier kam die Lyrik vor der Prosa.

(bert/sda)