Handball: Olympiasieger demontierte Schweizer

publiziert: Donnerstag, 22. Jan 2004 / 22:00 Uhr / aktualisiert: Donnerstag, 22. Jan 2004 / 23:20 Uhr

Das Schweizer Handball-Nationalteam startete mit einer 20:28-Niederlage gegen Russland zur EM-Endrunde in Slowenien. Obschon der Olympiasieger nicht in bester Formation und Verfassung antrat, war der Aussenseiter von Beginn weg ohne Chance.

Christian Meisterhans gegen Russlands Eduard Koksharov.
Christian Meisterhans gegen Russlands Eduard Koksharov.
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Mit einem Auftakt der eher unangenehmen Kategorie war gegen einen Kontrahenten von dieser Grössenordnung zu rechnen. Davon, dass die Schweizer aber bis zur Pause nur zehn von 27 Angriffen erfolgreich beenden würden, gingen wohl nicht einmal die eher pessimistischen Prognostiker aus. Durch eine kaum zu überbietende Fehlerserie in der ersten Viertelstunde trugen die SHV-Vertreter fast mehr zum frühen Untergang bei, als die bis dato sicher nicht unwiderstehlich aufspielende Prominenz aus Osteuropa.

Aller spätestens nach 30 Minuten stellte sich die Frage endgültig nicht mehr, ob der Nobody bei erstmöglicher Gelegenheit einen Exploit platzieren könnte. Die Russen durften sich den Luxus leisten, die Regisseurposition mit dem nominell dritten Mittelmann Witali Iwanow zu besetzen, ohne auch nur einen Hauch von Durchschlagskraft einzubüssen. Coach Wladimir Maximow brauchte keinen seiner Schützlinge zur Parforceleistung anzutreiben. Dem Olympiasieger genügte gegen einen früh überforderten Widersacher eine mittelmässige Vorstellung zum maximalen Ertrag.

Die Mankos der Rechtshänder-Fraktion

"Ich erhoffte mir schon, dass wir reifer und abgeklärter wären und vor allem besser realisieren würden. Einige sind vermutlich mit einer falschen Erwartungshaltung in die Partie gegangen", hielt Nationalcoach Arno Ehret seine Enttäuschung über die Art und Weise der misslungenen Ouvertüre nicht zurück. Natürlich entbehre das Ergebnis nicht einer gewissen Logik, da für "einen positiven Ausgang von jedem von uns eine Leistung am Limit gefordert gewesen wäre". Trotz aller Gelassenheit deutete Ehret seinen Ärger zumindest an, "gegen diese selber wenig überzeugenden Russen nicht besser ausgesehen zu haben".

Im Vorfeld der EM hatte Ehret mehrfach die Zielsetzung formuliert, den Abstand zur ersten Kategorie verringern zu wollen. Dem Wunsch des Deutschen entsprachen die Spieler nicht. Von der problembehafteten rechten Seite durfte gewiss kein Quantensprung erwartet werden -- schon gar nicht im Vergleich mit einem Team, das seit Dekaden zur Weltspitze zählt. Marco Kurth, der im Rückraum begann und dann für Simon Brogli an den Flügel beordert wurde, spielte zufriedenstellend, derweil Linkshänder Marc Vonlanthen den erhöhten Anforderungen in seinem 15-minütigen Kurzeinsatz abermals nie zu genügen vermochte.

Der knapp bemessene Spielraum des Linkshänder-Trios ist indes hinlänglich bekannt. Mit wesentlich grösseren Fragezeichen ist hingegen die Vorstellung der Rechtshänder-Fraktion zu versehen. Mit Ausnahme des fehlerfreien Linksaussen Manuel Liniger, dem Arno Ehret das Vertrauen nicht ganz überraschend von Anfang an schenkte, wird keiner dieser (anerkannten) Leistungsträger für sich in Anspruch nehmen dürfen, sein Potenzial ausgeschöpft zu haben -- weder Mittelmann Kostadinovich, noch Allrounder Iwan Ursic, oder Linksaussen Carlos Lima, geschweige denn Aufbauer Thomas Gautschi, der in sieben Anläufen einen einzigen Treffer zu Stande brachte.

Kostadinovichs harsche Kritik

Aus 13, teils wirren Aktionen produzierte Kostadinovich fünf Tore. Diese Bilanz ist für einen Schlüsselspieler seines Formats schlicht als unzureichend zu taxieren. Dass der Frust über den seit einigen Wochen nicht (mehr) über alle Zweifel erhabene Formstand beim ungemein ehrgeizigen Captain der Schweizer im Steigen begriffen ist, verdeutlichte auch die Schärfe seiner -- allerdings unmittelbar nach Spielschluss geäusserten -- Kritik: "Ich bin enttäuscht, und zwar nicht nur deshalb, weil wir deutlich verloren haben. Drei bis vier Spieler haben keine hundertprozentige Leistungsbereitschaft gezeigt, sind nicht mit voller Kraft zur Sache gegangen."

Die fraglos zu einem heiklen Zeitpunkt platzierten Worte Kostadinovichs werden im Schweizer Lager vermutlich kein Beben auslösen, Diskussionstoff ist aber schon nach 24 Stunden auf der EM-Bühne reichlich vorhanden. Arno Ehret blieb selbst dann Diplomat, als die harsche Kritik seines Captains zugetragen wurde. Auch die aufs Spiel bezogene Beurteilung Kostadinovichs fiel relativ milde aus: "Es gab bei Robbie Licht und Schatten, das ist unbestritten." In Gesprächen mit den Herren Kostadinovich, Gautschi, Ursic und Lima wird Ehret am heutigen Ruhetag dem "Leistungsabfall" auf den Grund gehen.

Ehret verzichtete darauf, seine Spieler im Anschluss an die missratene Partie allzu hart anzufassen, "weil ich mir nichts davon versprochen habe, sie niederzumachen". Heute Freitag sind keine schonenden Sätze mehr zu erwarten. In deutlicher Form wird Ehret "einige Dinge, die abgelaufen sind, klären". Anlass zur übertriebenen Dramatisierung der Lage besteht (noch) keiner. Die Punkte haben die Schweizer nicht gegen die Russen und schon gar nicht gegen die Schweden budgetiert, schon nach dem ersten Tag kündigt sich das Duell mit der Ukraine am Sonntag als kursweisend an.

Gruppe A

Russland - Schweiz 28:20 (17:10)
Rdeca dvorana, Velenje. -- 1500 Zuschauer. -- SR Boye/Jensen. -- Torfolge: 3:0, 3:1, 6:1, 6:2, 7:2, 7:3, 8:3, 8:5, 9:5, 9:6, 10:6, 10:7, 12:7, 12:8, 13:8, 13:9, 16:9, 16:10, 17:10; 17:12, 19:12, 19:13, 20:13, 22:13, 23:15, 24:16, 24:17, 26:17, 26:18, 27:18, 28:18, 28:20. -- Strafen: 5mal 2 Minuten gegen die Schweiz, 6mal 2 Minuten gegen Russland.

Russland: Kostigow/Andrej Lawrow (ab 51.); Iwanow (6/4), Kokscharow (5/1), Kriwoschlikow, Tutschkin (6), Baschkin, Gorbatikow, Kamanin, Rastwortsew (6), Gorpischin, Pogorelow, Tschipurin (4), Gritsenko (1).

Schweiz: Meisterhans/Ebinger (für 2 Penaltys und ab 48.); Brogli, Kurth (3), Ursic (2), Lima (1), Liniger (2), Gautschi (1), Kostadinovich (5), Furer (3), Stettler (2), Schärer (1/1), Vonlanthen.

Bemerkungen: Schweiz ohne Brüngger (Bänderverletzung am Knöchel), Stauber (überzähliger Torhüter) und Fellmann (nicht eingesetzt), Russland u.a. ohne Torgowanow und Igor Lawrow (beide verletzt). Meisterhans hält Penalty von Kokscharow (3./1:0). Kostadinovich schiesst Penalty an den Pfosten (10./4:1). Schärer schiesst Penalty an den Pfosten (44./22:14). Ebinger hält Penaltys von Kokscharow (48./24:16) und Iwanow (59./28:19). Timeout Russland (53./26:18).

(von Sven Schoch, Velenje/Si)

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