Heimatschutz ist im Tessin nichts wert

publiziert: Dienstag, 2. Sep 2003 / 10:03 Uhr

Lugano - Nadir Sutter, Generalsekretär des Tessiner Heimatschutzes (STAN), hat genug: vielen neureichen Tessinern fehle der Sinn für Kultur. Lieber kauften sie sündhaft teure Kunst, anstatt ihre eigenen historischen Gebäude zu erhalten.

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Tessiner Architekten und Baumeister geniessen seit Jahrhunderten einen exzellenten Ruf. Trotzdem wird ihnen in ihrer Heimat nur wenig Beachtung geschenkt.

Jetzt schlägt der Heimatschutz schlägt Alarm. Nadir Sutter, der Generalsekretär des Tessiner Heimatschutzes (STAN), hat nichts gegen die sündhaft teuren Ausstellungen von renommierten Künstlern, die sich die Stadt Lugano immer wieder leistet.

Aber: "Es handelt sich dabei um eine Form von Kultur, die keine bleibende Spuren hinterlässt", kritisiert er. Sutter wirft den Politikern vor, sich zu wenig um den Erhalt der eigenen Kulturgüter zu kümmern.

Im Tessin hätten viele Neureiche das Sagen, die durch den Immobilienboom zu viel Geld gekommen seien: "Diesen Leuten fehlt der Sinn für echte Kultur." Dies hat zur Folge, dass viele historische Gebäude am Verfallen sind oder vor einer ungewissen Zukunft stehen.

Villa Favorita: Eine Volksabstimmung?

Das bekannteste Beispiel ist die Villa Favorita am Luganersee. Die STAN möchte, dass die öffentliche Hand den 1687 gebauten Herrensitz übernimmt.

"Für repräsentative Zwecke ist die Villa wie geschaffen", sagt Sutter. Doch sowohl der Kanton Tessin als auch die Stadt Lugano winken ab. Begründung: "Kein Geld".

Diesen Einwand lässt Sutter nicht gelten. Für den Umbau des Kasinos habe Lugano Dutzende von Millionen Franken ausgegeben. Für die Villa Favorita aber wolle man nicht einmal eine Nutzungsstudie anfertigen lassen: "Dabei hat dieses Gebäude seinen Wert, das Geld wäre nicht verpulvert."

Sutter möchte, dass Carmen Thyssen-Bornemisza, die Eigentümerin der Villa, einmal einen Tag der offenen Tür veranstaltet. Danach könnte das Volk in einem Urnengang entscheiden, ob ihm die Villa mit Parkanlage 30 Millionen Franken wert sind. Doch die Baronin hat andere Pläne: Sie will auf dem Gelände Privatvillen erstellen.

Dem Grand Hotel droht der Abriss

Unklar ist auch, wie es mit dem Grand Hotel Locarno weitergeht. An Ideen für eine zukünftige Nutzung des Prachtbaus, in dem 1925 die Friedenskonferenz von Locarno stattfand, mangelt es nicht.

Sitz des Filmfestivals, Wellnesszentrum, Tourismus-Universität - allein, es fehlt der schnöde Mammon. Deshalb wird ein Abriss des Hotels aus der Belle Epoque nicht mehr ausgeschlossen.

Düster sieht auch die Zukunft des Sanatoriums in Agra aus, das in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts seine Blütezeit erlebt hat. Wo einst vorab Gäste aus Deutschland kurten, hausen heute nachts Drögeler und lichte Gestalten. Als "skandalös und unhaltbar" bezeichnet ein Mitglied des Gemeinderates von Agra den Zustand des Sanatoriums.

Anfang Juli war eine Versteigerung angesetzt, doch diese wurde wegen eines Rekurses verschoben. In Agra bezweifelt man, dass sich für den geforderten Preis von rund 10 Millionen Franken ein Käufer für die halbverfallene ehemalige Lungenheilanstalt finden wird.

Eine rote Liste

In einem ähnlich trostlosen Zustand befindet sich auch die Villa Branca in Melide, die vom Heimatschutz auf die "rote Liste" gesetzt wurde. Die Liste dient laut Sutter dazu, die Behörden aufzurütteln.

Sie umfasst auch Objekte wie die Endstation der alten Zahnradbahn in Lugano oder den alten Gutshof im Stadtteil Cornaredo.

Ganz in der Nähe befand sich einst das Schloss von Trevano, "die schönste Residenz der Schweiz", wie Sutter sagt. Als Beweis krammt er vergilbte Fotos von türkischen Bädern, Kristallleuchtern, Brunnen und Parkanlagen hervor.

Warum wurde dieses Juwel 1961 abgerissen? "Weil die Behörden und Politiker Ignoranten waren, die nur das Geld sahen", sagt Sutter.

(Omar Gisler/sda)

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