Hungerkrise: DEZA-Chef kritisiert Exportsubventionen

publiziert: Donnerstag, 17. Apr 2008 / 11:30 Uhr

Bern - Der scheidende Chef der DEZA, Walter Fust, hat die Exportsubventionen der Industrieländer in der Landwirtschaft kritisiert. Diese zögen die Landwirtschaft in vielen Entwicklungsländern in Mitleidenschaft oder zerstörten sie gar.

Fust zeigte gegenüber der Attac-Kritik Verständnis.
Fust zeigte gegenüber der Attac-Kritik Verständnis.
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Dies sei eine der Hauptursachen der Nahrungsmittelkrise und nicht nur der Anbau von Nutzpflanzen für Biosprit, sagte der Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) am Mittwoch im Gespräch mit der Nachrichtenagentur SDA.

Es gehe nicht an, dass subventionierte Überschussprodukte aus Europa und den USA die Produktion in Entwicklungsländern zerstörten. Die Industrieländer sollen ihre Exportsubventionen aufgeben oder zumindest dafür sorgen, dass «subventionierte Überschüsse nicht als Billigprodukte in Entwicklungsländern die dortige Landwirtschaft zerstören».

«Zerstörerische Politik»

«Wenn in Peru die subventionierte Pasta aus Italien billiger ist als die Kartoffel aus heimischer Produktion, dann kaufen die Menschen das Billigere», gab Fust als Beispiel.

«Wir können noch so viel Entwicklung machen in diesen Ländern, wenn Entwicklung wieder kaputt gemacht wird durch eine verfehlte Export- und Subventionspolitik.» Eine solche Politik sei «unehrlich, inkoheränt und zerstörerisch».

Druck auf WTO-Verhandlung

Er gehe davon aus, dass wegen der Hungerkrisen der Druck auf die Industrieländer in den Verhandlungen der Welthandelsorganisationen (WTO) zunehmen werde.

Schwellen- und Entwicklungsländer verlangen dort neben einer Senkung oder Aufhebung von Exportsubventionen den Abbau von Handelsschranken wie Importzöllen. «Wenn man den Markt spielen lässt, braucht es Regeln, welche den unterschiedlichen Schutzbedürfnissen Rechnung tragen», sagte Fust dazu.

Er zeigt sich zugleich skeptisch, dass die Industrieländer ihre Poltik ändern: «Wir wissen eigentlich vieles, was man tun sollte und dennoch wird es nicht gemacht. Politik ist eben nicht das Gebot des gesunden Menschenverstands, sondern sie folgt ganz anderen Logiken.»

UNO- und Bretton-Woods-Institutionen

Fust befürchtet, dass die Hungerkonflikte «kein temporärers Problem sind, sondern dass diese noch weit stärker zunehmen». Am Wochenende hatten der IWF und die Weltbank wegen der hohen Nahrungsmittelpreise die Geberstaaten zu Spenden für Soforthilfen des Welternährungsprogramms (WFP) aufgerufen.

Die globalisierungskritischen Organisation Attac, hatte darauf die beiden Institutionen der «Heuchelei» beschuldigt. Deren Politik zerstöre seit Jahrzehnten kleinbäuerliche Existenzen.

Fust zeigte gegenüber der Attac-Kritik Verständnis: «Ich glaube, wir müssen dieser Kritik nachgehen. Es gibt immer bei jeder Politik eine Reihe von Auswirkungen. Die Frage ist nur, wie sich diese Auswirkungen artikulieren und summieren.»

Fust selbst kritisierte das WFP und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO). «Eigentlich haben diese beiden Institutionen auch die Aufgabe, strukturelle Krisen zu vermeiden, doch sie haben zu wenig getan. Allenfalls weil die internationalen Geber ihnen nicht genügend finanzielle Mittel dazu gegeben haben.»

Ursachen bekämpfen

Zwar sei in der aktuellen Krise Nahrungsmittelhife nötig, jedoch müssten auch die Ursachen angepackt werden. Neben den Agrarsubventionen, dem Agrarsprit-Anbau seien beispielsweise der Klimawandel, schlechte Infrastruktur oder fehlende Lagermöglichkeiten für Nahrungsmittel weitere Ursachen.

Zudem «hat man in gewissen Entwicklungsländern gelernt, spekulativ zu handeln: Es gibt dort Händler, die ganz bewusst grosse Lager zurückhalten, um den Preis zu steigern.»

(von Daniela Karst/sda)

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