Hurrikan Sandy und der Nutzen von Klimaprognosen

publiziert: Mittwoch, 31. Okt 2012 / 09:45 Uhr / aktualisiert: Mittwoch, 31. Okt 2012 / 15:28 Uhr
Reto Knutti ist Professor für Klimaphysik an der ETH Zürich.
Reto Knutti ist Professor für Klimaphysik an der ETH Zürich.

Meteorologen hatten den Hurrikan Sandy im Vorfeld als Monstersturm bezeichnet. Tatsächlich hat Sandy eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Können Klimamodelle mit der gleichen Genauigkeit Voraussagen zur Entwicklung des Klimas machen wie Wettermodelle zum Wetter?

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Mindestens seit letztem Donnerstag zeigten die Wettermodelle, dass sich der tropische Wirbelsturm Sandy in Kombination mit einer Kaltfront zu einem Sturm von unvorstellbarem Ausmass entwickeln und grosse Teile der US Ostküste treffen wird. Evakuierungen wurden angeordnet, Notstände ausgerufen und ein Krisenmanagement etabliert - lange bevor der Sturm an Land kam. Entscheidungsgrundlage dafür waren Computermodelle. Und es war keine Frage, dass man die Voraussagen sehr ernst nahm. Zum Glück: Der Sturm entwickelte sich ziemlich genau wie vorausgesagt. Eine Katastrophe - aber die Modellvoraussagen haben viele Menschenleben gerettet.

Klimamodelle als akademische Spielerei?

Sind die Voraussagen der Klimamodelle richtig, weil die Wettermodelle gut sind? Nicht unbedingt. Für das Jahr 2100 interessiert uns nicht, ob der Sturm an Halloween kommt oder eine Woche vorher. Wir wollen nur wissen, ob und wie sich die Häufigkeit von solchen Stürmen ändert. Während bei der Wettervorhersage die aktuelle Wettersituation («Anfangswerte») entscheidend ist, bestimmen die Randbedingungen die langfristigen Trends. Zu den Randbedingungen gehört zum Beispiel der Anstieg der CO2-Konzentration. Dennoch basieren Wetter- und Klimamodelle auf den gleichen physikalischen Grundlagen. Wären die Klimamodelle völlig falsch, wäre es deshalb erstaunlich, dass man Sandy voraussagen konnte.

Klimamodelle: Fortschritt oder nicht?

Trotzdem die Frage: Wie gut sind Voraussagen von Klimamodellen? In gleich drei neuen Studien in Nature Climate Change zeigen wir, dass die Antwort je nach Fragestellung ganz anders ausfällt.

Studie 1: Robuste Voraussagen von Hitzestress

Erstaunlicherweise sind es gerade Voraussagen zur gesundheitlichen Belastung von Hitzewellen (Hitzestress), die robust und relativ sicher sind. Der Hitzestress ist durch die Temperatur, aber auch durch die Feuchte bestimmt. Sicher kennen Sie das: Trockene Hitze ist leichter zu ertragen als feuchte Hitze.

Die Modelle, die eine höhere Feuchte berechnen, zeigen weniger Erwärmung, diejenigen mit weniger Feuchte zeigen mehr Erwärmung. Kombiniert man die beiden Grössen, zeigen alle Modelle eine ähnliche Zunahme des Hitzestresses. Man erhält daher eine sicherere Voraussage für den Hitzestress als für die einzelnen Komponenten Temperatur und Feuchte. Um das Risiko für Hitzeschlag während Hitzewellen zu bestimmen, sind die Modelle also durchaus tauglich.

Studie 2: Unsicherheiten sind nicht kleiner geworden

In anderen Bereichen sieht es schwieriger aus. In den neusten Klimamodellen sind die Vorhersagen von Temperatur und Niederschlag sehr ähnlich wie in den älteren Modellen. Dies ist positiv zu werten. Aber die Unsicherheiten sind nicht kleiner geworden. Trotz fünf Jahre Entwicklungsarbeit und grösseren Computern ist die Unsicherheit für lokale Voraussagen also nicht geschrumpft. Aus der Perspektive der Klimaanpassung ist man versucht zu sagen, dass es keinen Fortschritt gegeben hat. Dies ist eine zu enge Sichtweise: Die neuen Modelle beschreiben mehr Prozesse und dies in realistischerer Weise. Wir sind also sicherer, dass wir alle wichtigen Prozesse berücksichtigt haben, und dass die Voraussagen robust sind. Die grossen Züge der Voraussagen zur Klimaänderung bestätigen sich also einmal mehr. Dieses Wissen genügt, um zu entscheiden, dass es sowohl Massnahmen gegen als auch Anpassungsstrategien an die Klimaerwärmung braucht. Die perfekte Voraussage - um Anpassungsstrategien bis ins kleinste Detail zu optimieren - wird jedoch auch in ein paar Jahren nicht Realität sein.

Studie 3: Das Wetter bleibt zufällig

Währenddessen die Unsicherheit in den Modellen mit Hilfe weiterer Forschung im Prinzip beseitigt werden kann, bleibt die natürliche Variabilität nicht voraussagbar. Der menschgemachte langfristige Klimatrend kann potenziell bestimmt werden, wird aber überlagert vom Wetter: Die gleichen Zirkulationsmuster in der Atmosphäre, die einmal einen Winter ohne Schnee und einmal einen Lawinenwinter verursachen, bringen auch eine Zufallskomponente über die nächsten Jahrzehnte. Diese Zufallskomponente ist besonders in den mittleren Breiten ausgeprägt, in den Tropen hingegen viel kleiner. Der Wunsch nach und damit die Tendenz zu Voraussagen für kürzere Zeiträume (einige Jahrzehnte statt Jahrhunderte) und für lokale Skalen ist verständlich, wenn es darum geht, Anpassungsstrategien zu entwickeln. Man muss jedoch beachten, dass die Zufallskomponente - relativ zum Trend gesehen - bei Voraussagen für die nächsten Jahrzehnte grösser ist als bei solchen für das Jahr 2100.

Die Frage ist entscheidend

Wir werden oft gefragt, ob unsere Modelle gut oder richtig sind. Aus meiner Sicht ist das die falsche Frage. Ein Modell ist zwingend eine Vereinfachung der Realität, und damit immer zu einem gewissen Grad «falsch». Eine sinnvollere Frage ist, ob ein Modell für einen bestimmten Zweck geeignet ist.

Wettermodelle sind geeignet, um einen Sturm über drei Tage vorauszusagen, aber nicht über drei Wochen. Das wissen wir aus der Erfahrung hunderter vorausgesagter Stürme. Das Verifizieren von Klimamodellen ist schwieriger. Die Klimamodelle machen eine Voraussage über Bedingungen, die es in naher Vergangenheit nie gegeben hat. Wir Klimaforscher arbeiten deswegen oft mit Angabe von Wahrscheinlichkeiten. Die Quantifizierung von Unsicherheiten in Klimavoraussagen bleibt eine grosse Herausforderung. Mindestens so wichtige Fragen sind, welche Information die Gesellschaft für die Anpassung an den Klimawandel braucht, wie diese am besten kommuniziert wird, und wie sie in Entscheidungen einfliesst. Was beim Sturm Sandy Routine, ist beim Klima weitgehend Niemandsland.

(Prof. Reto Knutti/ETH-Zukunftsblog)

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