IPCC-Sonderbericht zu Änderungen in Klimaextremen

publiziert: Donnerstag, 10. Mai 2012 / 15:36 Uhr / aktualisiert: Freitag, 18. Mai 2012 / 17:10 Uhr
Sonia Isabelle Seneviratne ist Professorin für Land-Klima-Wechselwirkung an der ETH Zürich.
Sonia Isabelle Seneviratne ist Professorin für Land-Klima-Wechselwirkung an der ETH Zürich.

Ende März wurde der neue IPCC-Sonderbericht («SREX») veröffentlicht zum Thema klimatische Extremereignisse sowie deren Auswirkungen und mögliche Anpassungsstrategien. Ich habe beim Bericht mitgearbeitet als koordinierende Hauptautorin von Kapitel 3, das sich den Änderungen in Klimaextremen widmet. In diesem Blogbeitrag gehe ich auf einige Kernaussagen des Sonderberichts ein.

2 Meldungen im Zusammenhang
Weiterführende Links zur Meldung:

IPCC-Sonderbericht «SREX»
Link zum vollständigen Sonderbericht und zur politischen Zusammenfassung.
ipcc-wg2.gov/SREX/

Wichtigste Ergebnisse in Kürze

Der Sonderbericht SREX begutachtet auf der Basis der bestehenden Literatur den Stand der heutigen Kenntnisse zu Änderungen in Klimaextremen und deren Auswirkungen. Die wichtigsten Ergebnisse aus unserem Kapitel 3 sind in Kürze:

  • Änderungen im Klima führen zu Änderungen in der Häufigkeit, der Intensität, der räumlichen Ausdehnung, der Dauer sowie des Zeitpunkts von extremen Wetter- und Klimaereignissen. Die Änderungen können zudem zu ausgeprägteren Extremereignissen führen als bisher beobachtet.
  • seit 1950 beobachtete Änderungen in Extremereignissen: Änderungen in einigen Klimaextremen können bereits auf globaler Skala und zum Teil auch auf regionaler Skala festgestellt werden. Die Daten zeigen eine Zunahme der Hitzeextreme, eine Abnahme der Kälteextreme, mehrheitlich eine Zunahme der Starkniederschläge, eine Zunahme der Küstenüberschwemmungen und Änderungen im Auftreten von Trockenheitsperioden (Zunahme respektive Abnahme) in gewissen Regionen. Unsicher ist dagegen, ob es robuste, langzeitige Trends in der Häufigkeit oder Intensität von tropischen Wirbelstürmen gibt.
  • projizierte Änderungen in Extremereignissen bis 2100: Klimaszenarien projizieren häufigere und intensivere Hitzeextreme, seltenere und weniger ausgeprägte Kälteextreme, eine Zunahme von Starkniederschlägen und Küstenüberschwemmungen sowie ausgeprägtere Trockenheit in verschiedenen Regionen (u.a.  in Zentraleuropa und im Mittelmeerraum). Tropische Wirbelstürme sind projiziert, weniger häufig oder gleich häufig wie jetzt aufzutreten aber intensiver zu werden.

Details und die Wahrscheinlichkeiten zu den beobachteten und projizierten Änderungen in extremen Klima- und Wetterereignissen finden Interessierte am Ende des Blogbeitrags.

Extremereignisse: Einige Fakten

Extremereignisse sind Ereignisse, die allgemein selten auftreten weil sie am Rand der Wahrscheinlichkeitsverteilungen einer Klimagrösse liegen (z.B. sehr hohe oder sehr tiefe Temperaturen). Nicht alle Extremereignisse werden mit dem Klimawandel häufiger oder intensiver. So treten z.B. Hitzeextreme mit zunehmenden Temperaturen auf globaler Skala häufiger auf, während Kälteextreme auf dieser Skala seltener werden.

Weil Extremereignisse sehr selten vorkommen, ist die Datenlage für ihre Untersuchung begrenzt. Ausserdem sind gewisse Klimaextreme komplex. Beobachtungen sind teilweise nicht verfügbar oder von ungenügender Qualität. All diese Punkte erschweren es uns Wissenschaftlern für gewisse Extremereignisse, genaue Aussagen zu machen. Dementsprechend gibt es «geringe Konfidenz» («low confidence») in einigen Aussagen zu Extremereignissen, gleichbedeutend mit einer hohen Unsicherheit. Ein Beispiel dafür sind die Aussagen zu den beobachteten Änderungen in der Häufigkeit und Intensität von tropischen Wirbelstürmen.

Wichtig zu betonen ist, dass eine «geringe Konfidenz» in eine Aussage zu Extremereignissen nicht gleichbedeutend ist mit einer «geringen Wahrscheinlichkeit», dass eine Änderung eintreten wird.

Zukünftige Schäden nicht nur von Treibhausgasemissionen sondern auch von Ausgesetztsein und Verwundbarkeit abhängig

Während Kapitel 3 sich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen bezüglich beobachteten und projizierten Trends in Klimaextremen befasst, liefern die anderen Kapitel des SREX wichtige Erkenntnisse zu möglichen Auswirkungen von Klimaextremen. Dabei geht es insbesondere um das Wechselspiel zwischen Ausgesetztsein («exposure») und Verwundbarkeit («vulnerability») sowie um mögliche Ansätze für die Handhabung von Risiken auf lokaler, nationaler und internationaler Skala. Der Bericht macht klar, dass zukünftige klimabedingte Schäden nicht nur von der Klimaänderung abhängig sind, sondern auch vom Ausgesetzsein und von der Verwundbarkeit der betroffenen Regionen.

Das richtige Mass an Massnahmen ist letztendlich sowohl eine Forschungsfrage als auch eine gesellschaftliche Wahl. Wichtig ist mir persönlich zu unterstreichen, dass IPCC-Berichte diesbezüglich ausdrücklich die Aufgabe haben, für die Entscheidungsträger zwar von Bedeutung zu sein, ohne dabei bestimmte Massnahmen vorzuschreiben. Trotzdem ist offensichtlich, dass die Entscheidungen die wir jetzt treffen, wichtige Auswirkungen für zukünftige Generationen haben werden.

Für Interessierte: Die SREX-Aussagen im Detail

Der SREX Bericht fasst die beobachteten globalen Änderungen seit 1950 wie folgt zusammen:

  • Sehr wahrscheinliche Zunahme von Hitzeextremen
  • Sehr wahrscheinliche Abnahme von Kälteextremen
  • Wahrscheinlich mehr Regionen mit Zunahmen als mit Abnahmen in Starkniederschlägen
  • Wahrscheinliche Zunahme von Küstenüberschwemmungen
  • Mittlere Konfidenz bezüglich der Zunahme oder Abnahme von Trockenheit in einigen Regionen
  • Geringe Konfidenz bezüglich Langzeit-Trends in tropischen Wirbelstürmen, d.h. über längere Perioden als 40 Jahren

Der SREX fasst die projizierten globalen Änderungen in Klimaextremen als Folge von zunehmenden Treibhausgas-Konzentrationen bis Ende des 21sten Jahrhunderts wie folgt zusammen:

  • Praktisch sichere Zunahme von Hitzetagen auf der globalen Skala. Regionale Unterschiede in den Projektionen sind gross sowohl bezüglich der absoluten Temperatur-Änderungen als auch bezüglich der relativen Unsicherheit, aber eine Zunahme von Hitzetagen ist in allen Regionen wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich.
  • Praktisch sichere Abnahme von Kältetagen auf der globalen Skala
  • Wahrscheinlich häufigere Starkniederschläge oder stärkeren Beitrag von Starkniederschlägen zum gesamten Niederschlag, insbesondere in hohen Breiten und in den Tropen
  • Sehr wahrscheinliche Zunahme von Küstenüberschwemmungen
  • Mittlere Konfidenz, dass Trockenheit in bestimmten Regionen und Jahreszeiten zunehmen wird (Mittelmeerraum, Zentraleuropa, zentrale Gebiete Nordamerikas, Mexiko, Zentralamerika, Nordost-Brasilien, südliches Afrika)
  • Wahrscheinlich niedrigere oder unveränderte Häufigkeit tropischer Wirbelstürme, aber wahrscheinlich stärkere Windgeschwindigkeit und stärkerer Niederschlag bei auftretenden Ereignissen

Der IPCC-SREX Bericht benützt die neue Unsicherheitsterminologie, die 2010 eingeführt wurde. Wird von Konfidenz (Engl: «confidence», manchmal auch mit «Vertrauen» übersetzt) gesprochen, so bedeutet:

  • Hohe Konfidenz: sichere Evidenz bezüglich Datentyp, Datenqualität, Datenmenge und Konsistenz sowie hohe Übereinstimmung der Evidenz.
  • Mittlere Konfidenz: mittelgute Evidenz, mittlere Übereinstimmung
  • Geringe Konfidenz: limitierte Evidenz, limitierte Übereinstimmung

Wahrscheinlichkeitsangaben werden nur in Fällen von hoher Konfidenz angegeben:

  • Praktisch sicher: 99-100% Wahrscheinlichkeit
  • Sehr wahrscheinlich: 90-100% Wahrscheinlichkeit
  • Wahrscheinlich: 66-100% Wahrscheinlichkeit

(Prof. Sonia Seneviratne/ETH-Zukunftsblog)

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