Daten-nicht-Schutz in der EU

Ich weiss etwas, was Du nicht weisst

publiziert: Montag, 28. Okt 2013 / 14:30 Uhr / aktualisiert: Dienstag, 29. Okt 2013 / 07:53 Uhr
Merkel und Hollande: Plötzlicher Sinneswandel zum Datenschutz... warum wohl nur?
Merkel und Hollande: Plötzlicher Sinneswandel zum Datenschutz... warum wohl nur?

Am Europäischen Gipfel von letzter Woche lehnten die Regierungschefs die Reform des europäischen Datenschutzgesetzes ab. Die Reform wäre vielen wichtigen Forderungen nach Datenschutz der einzelnen Bürgerinnen und Bürger entgegengekommen und war ein sauberer Vorschlag.

11 Meldungen im Zusammenhang
So hätten sich die Bürger künftig bei der eigenen, nationalen Datenschutzbehörde wegen Persönlichkeitsverletzungen und Datenmissbrauch beschweren können. Die Herrschaft des Niemands, die Facebook, Google et al. praktizieren, wäre damit beendet gewesen. Denn nicht mehr der Sitz des Internetkonzerns mit seinem undurchsichtigen amerikanischen Rechtswesen wäre ausschlaggebend gewesen, sondern das eigene Bürgerrecht. Zudem war eine einheitliche Anlaufstelle für die Aufsicht grosser Konzerne vorgesehen gewesen.

Bei so viel Datenschutz und gestärkten Bürgerrechten haben bei unseren vermeintlich guten Freunden am anderen Ende der Datenkabel in den USA alle Alarmglocken geläutet. Ist ja auch gemein: Da hat man mit einer Gründlichkeit, die selbst die peniblen Deutschen neidisch werden lässt, jahrelang weltweit die Bürger bis in die intimsten Details ausgespäht, und soll nun zukünftig als Datenjunkie keinen neuen Stoff mehr bekommen? Nix da, sagen sich die Abhörfanatiker der NSA und ziehen ihre Jokerkarte, um missliebige europäische Politik im Sinne der Amerikaner umzusteuern.

Es hat sich also anscheinend gelohnt, die Handys von Hollande, Merkel und Cameron abzuhören. Denn anders ist es nicht zu erklären, dass das schon fest vereinbarte europäische Datenschutzgesetz am Europäischen Gipfel von letzter Woche ausgesetzt wurde. Laut Financial Times war es zwar allein David Cameron, dem es gelungen sei, seine europäischen Kollegen und Kolleginnen von der Schädlichkeit einer bürgerrechtsnahen Vorlage abzubringen. Doch Sie und ich sollten es eigentlich besser wissen.

Stellen Sie sich das einfach mal ganz praktisch vor: Sie werden bespitzelt, abgehört, durchleuchtet, haben keinen Millimeter Privatsphäre mehr und dann gehen Sie als Regierungsverantwortliche, die mit grosser Mehrheit vom deutschen Volk, das ebenfalls schon längst bespitzelt wird, gewählt wurde, nach Brüssel und verkünden frohgemut: «Es braucht kein bürgerliches oder gar europäisches Datenschutzgesetz.» Können Sie sich vorstellen, was da in den 1980er Jahren los gewesen wäre? Da kam es in Deutschland zum flächendeckenden Aufruhr über eine Volkszählung, die angesichts der heutigen Datensammelwut geradezu putzig anmutet. Doch heute stellt sich eine Regierungschefin Merkel hin und denkt nicht mal ernsthaft über wirkliche diplomatische Konsequenzen nach. Das zeigt einmal mehr, wo der wahre Souverän zu suchen ist. Nun gut, eine deutsche Kanzlerin, die vor wichtigen Entscheidungen über die Abgasnormen von Autos keine Bedenken hat, eine Spende von 690.000 Euro der BMW-Familie Quandt für ihre Partei anzunehmen, ist da nicht mehr wirklich ernstzunehmen.

Aber was hat die NSA beim Abhören der Handys von Hollande und Cameron rausgefunden? Man wird wahrscheinlich ewig spekulieren können, warum deren Zustimmung zur Reform des Datenschutzes in Ablehnung umschlug. Laut Financial Times jedenfalls ist es Cameron gelungen, Hollande und Merkel davon zu überzeugen, dass Nichtstun das Gebot der Stunde ist. Es gibt vielleicht einige dunkle Seiten in der Politik und im Leben, die man lieber nicht im Lichte offenbart sehen möchte. Wie schön, wenn dann möglicherweise die «guten Freunde» zur Verschwiegenheit bereit sind.

Ein paranoider Schalk, wer Böses dabei denkt.

(Regula Stämpfli/news.ch)

Kommentieren Sie jetzt diese news.ch - Meldung.
Lesen Sie hier mehr zum Thema
Brüssel - Nach langen Verhandlungen haben sich die Europäische Union und die ... mehr lesen
Die USA scannen zwar weiter, aber jetzt können EU-Bürger klagen.
US-Senatorin Dianne Feinstein. (Archivbild)
Washington - Der US-Senat will der ... mehr lesen
Berlin - US-Präsident Barack Obama hat einem Medienbericht zufolge seit 2010 von ... mehr lesen 1
US-Präsident Barack Obama
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. (Archivbild)
Washington - Die deutsche ... mehr lesen
Weitere Artikel im Zusammenhang
Deutschlands Aussenminister Guido Westerwelle.
Berlin - Aus Protest gegen die ... mehr lesen 8
Berlin - Berichte über das Abhören ... mehr lesen 1
Merkel habe am Mittwoch mit US-Präsident Barack Obama telefoniert. (Archivbild)
Auch weltweit soll das europäische Recht gelten, wenn Daten von EU-Bürgern betroffen sind.
Luxemburg - Internet-Giganten wie Facebook oder Google sollen mit den Daten ihrer Nutzer in Europa künftig sorgsamer umgehen. Das Europäische Parlament brachte am Montagabend eine ... mehr lesen
Reformen der Datenschutzregeln werden beschlossen.
Vilnius - Nach Bekanntwerden der ... mehr lesen 1
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
Frauenrechtlerin Ada Wright in London, 1910: Alles könnte anders sein, aber nichts ändert sich.
Frauenrechtlerin Ada Wright in London, 1910: ...
«Männer stimmten für Hofer, Frauen für Van der Bellen» titelte die FAZ nach dem Wahlkrimi in Österreich. «Warum wählen junge Männer so gern rechts?» fragte jetzt.de einen Soziologen. «Duh» war meine erste Reaktion, hier ein paar weitere. mehr lesen 3
Gewinnorientierte Unternehmen wie der ORS machen aus der Flüchtlingshilfe ein Geschäft. Das Rote Kreuz und die Caritas, die gemeinnützig sind und seit Jahren über grosse Erfahrung ... mehr lesen  
Flüchtlinge (hier in Mazedonien): Mit Gewinnziel zu verwaltende Konkursmasse oder doch Menschen?
Korpskommandant André Blattmann wird von den Mainstreammedien der «Beleidigung» bezichtigt. Er nannte den Rundschau-Chef Sandro Brotz, «Sandro Kotz.» Wer meint, dies sei nur ein Sturm im Wasserglas, irrt. Blattmann manifestiert einmal mehr, dass er von Demokratie und Meinungsfreiheit nichts hält, auch wenn er sich unterdessen bei Brotz entschuldigt hat. mehr lesen   2
«Bist Du nicht willig, stimmen wir ab.» So lautet die Devise der unschweizerischen bürgerlichen Mehrheit seit den Wahlen im Herbst 2015. «Wie schamlos hätten Sie es denn gerne?» titelte klug (aber leider zu spät) der TagesAnzeiger. Zeit für eine Umfrage- und Medienschelte. mehr lesen   2
Typisch Schweiz Der Bernina Express Natürlich gibt es schnellere Bahnverbindungen in den Süden, aber wohl ...
Highlight der Kollektion: Eine Gibson Les Paul von 1959, die 300.000 bis 500.000 Pfund einbringen soll.
Shopping Mark Knopfler verkauft seine Gitarrensammlung Die Gitarrensammlung vom Dire Straits-Gitarristen Mark Knopfler wird am 31.01.2024 bei Christie's versteigert.
Erstaunliche Pfingstrose.
Jürg Zentner gegen den Rest der Welt.
Jürg Zentner
Frauenrechtlerin Ada Wright in London, 1910: Alles könnte anders sein, aber nichts ändert sich.
Regula Stämpfli seziert jeden Mittwoch das politische und gesell- schaftliche Geschehen.
Regula Stämpfli
«Hier hätte ich noch eine Resistenz - gern geschehen!» Schematische Darstellung, wie ein Bakerium einen Plasmidring weiter gibt.
Patrik Etschmayers exklusive Kolumne mit bissiger Note.
Patrik Etschmayers
Obama in Hanoi mit der Präsidentin der Nationalversammlung, Nguyen Thi Kim Ngan auf einer Besichtigungstour: Willkommenes Gegengewicht zu China.
Peter Achten zu aktuellen Geschehnissen in China und Ostasien.
Peter Achten
Recep Tayyp Erdogan: Liefert Anstoss, Strafgesetzbücher zu entschlacken.
Skeptischer Blick auf organisierte und nicht organisierte Mythen.
Freidenker
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Mi Do
Zürich 4°C 11°C trüb und nassleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig trüb und nass wechselnd bewölkt, Regen
Basel 5°C 11°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt, Regen
St. Gallen 2°C 9°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig trüb und nass starker Schneeregen
Bern 4°C 10°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen starker Schneeregen
Luzern 6°C 11°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig trüb und nass wechselnd bewölkt, Regen
Genf 8°C 11°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wolkig, aber kaum Regen
Lugano 13°C 19°C sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig recht sonnig wechselnd bewölkt
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten