Island wählt rechts und wendet der EU den Rücken zu
Reykjavik - Die Isländer haben ihre Mitte-Links-Regierung abgewählt und mit dem Schwenk zu Mitte-Rechts auch das Aus für den bisher angestrebten EU-Beitritt besiegelt. Wie am Sonntag in Reykjavik mitgeteilt wurde, erreichte das bürgerliche Lager hinter dem Konservativen Bjarni Benediktsson bei der Wahl vom Vortag mit 51,1 Prozent die absolute Mehrheit.
Als ausschlaggebend für das Abrutschen der Sozialdemokraten von 29,8 auf 12,9 Prozent und der Links-Grünen von 21,7 auf 10,9 Prozent gilt Unzufriedenheit unter den 320'000 Bürgern mit der Verteilung der Krisenlasten auf der Atlantikinsel nach dem Bankenkollaps 2008.
Die kurz danach abgewählte, aber in Island traditionell dominierende konservative Unabhängigkeitspartei stellt im neuen «Althing» zusammen mit der liberalen Fortschrittspartei die absolute Mehrheit mit 38 der 63 Abgeordneten.
Benediktssons Partei überholte im Schlussspurt noch die Liberalen und kam auf 26,7 Prozent gegenüber zuletzt 23,7 Prozent. Die Fortschrittspartei erzielte bei einem Plus von neun Prozentpunkten die höchsten Zuwächse aller Parteien und wurde zweitstärkste Partei mit 24,4 Prozent.
Die Liberalen entsenden ebenso wie die Konservativen 19 Abgeordnete. Beide Parteien wollen zusammenarbeiten.
Neben neun Sozialdemokraten und sieben Links-Grünen sind erstmals auch die neu angetretene Partei «Helle Zukunft» mit sechs Mandaten (8,2 Prozent) sowie die Piratenpartei mit drei (5,1 Prozent) im Parlament vertreten. Die Wahlbeteiligung unter den 238'000 Stimmberechtigten betrug 83,3 Prozent.
Benediktsson sagte in der Wahlnacht: «Wir haben zusammengehalten und einen guten Sieg eingefahren.» Zudem versprach der Ex-Fussballprofi einen Kurswechsel. «Wir bieten einen anderen Weg, einen Weg der zu Wachstum, zu sozialer Sicherheit, mehr Sozialleistungen und mehr Arbeitsplätzen führt», sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.
Seine Partei wolle die Steuern senken und den Lebensstandard erhöhen. Zudem kündigte er harte Verhandlungen mit den ausländischen Gläubigern der zusammengebrochenen Banken an. Diese müssten sich auf erhebliche Abschreibungen einstellen.
Nach einer Liberalisierung des Bankensektors hatte sich Island vor zehn Jahren zu einem europäischen Finanzzentrum entwickelt. Die Geldhäuser lockten mit hohen Renditeversprechen vor allem Anleger aus Grossbritannien und den Niederlanden an.
Doch in der globalen Finanzkrise brach auch der überdimensionierte Bankensektor in Island zusammen. Die Institute Landsbanki, Kaupthing und Glitnir kollabierten kurz nacheinander und brachten das Land im Oktober 2008 an den Rand der Staatspleite.
Mit einem harten Sparkurs, der vom Internationalen Währungsfonds (IWF) als beispielhaft gewürdigt wurde, gelang es den Sozialdemokraten, das Land aus der Krise zu führen. Doch Steuererhöhungen und ein nachsichtiger Umgang mit den ausländischen Gläubigern sowie steigende Staatschulden und eine Reihe politischer Schnitzer kosteten sie Popularität.
(asu/sda)
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