Italienische Antiterrorkapriolen

publiziert: Mittwoch, 13. Jul 2005 / 08:12 Uhr

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Kurz nach den Londoner Bomben antwortete der italienische Premier Silvio Berlusconi auf die Frage, ob sich Italien besondere Massnahmen gegen die Terrorismus-Bedrohung ausgedacht habe: "Vedremo" - Wir werden sehen.

Inzwischen hat sich die italienische Regierung einige Gedanken gemacht. Der erste Schuss kam aus Berlusconis Pistole: Im September zieht Italien 300 Mann aus dem Irak ab. Das sind 10 Prozent des gesamten italienischen Kontingents "Antica Babilonia"; doch dies war der Öffentlichkeit eigentlich schon seit März bekannt. Aussenminister Gianfranco Fini erinnerte sodann, dass der Abzug nichts mit den Londoner Anschlägen zu tun habe, sondern mit der prekären Lage in Nassiriya, wo die italienischen Truppen stationiert sind.

Möglichweise hat sich Berlusconi aber überlegt, dass Italien mit 3000 Soldaten nächstes Jahr gleich viele Truppen wie Grossbritannien im Irak hätte. Und das ist nun mal unter dem Aspekt Terrorgefahr nicht gerade von Vorteil. Die 'Mail on Sunday' berichtete nämlich, dass die Briten 5500 von 8500 Soldaten abkommandieren wollen.

Derweil war in Italien die Diskussion über das Wie und Was von Antiterrormassnahmen ausgebrochen. Der Abgeordnete von "Forza Italia" Carlo Taormina sagte allen Ernstes, dass, wenn es nach ihm ginge, Italien bis auf weiteres allen Muslimen den Eintritt in das Land verweigern müsse.

Normalerweise sind es Abgeordnete der separatistischen "Lega Nord", die auf Ausländer mit Kanonen schiessen wollen oder dergleichen. Diesmal begnügte sich Reformminister und Lega-Mann Roberto Calderoli mit der Bemerkung, man müsse den Kriegszustand ausrufen. Ins gleiche Horn stiess Kommunikationsminister Maurizio Gasparri von der postfaschistischen "Alleanza Nazionale". Man müsse drastische Massnahmen ergreifen, weil Italien im Krieg sei.

Die Opposition unter der Führung von Romano Prodi gab sich anfänglich versöhnlich und liess verlauten, man habe zuerst abwarten wollen, welche Massnahmen Innenminister Beppe Pisanu für die Terrorbekämpfung vorschlagen würde, bevor man etwas dazu sage. Was den Irak betreffe, verlange die Opposition weiterhin den sofortigen Abzug der Truppen. Der Refinanzierung der italienischen Mission könne er nicht zustimmen, schliesslich "haben nicht wir das Feuer gelegt". Damit meinte er wohl die desolate Sicherheitslage im Zweistromland.

So hörte auch die Opposition gespannt zu, als am Dienstag Beppe Pisanu sein Antiterror-Paket in der Abgeordnetenkammer präsentierte. Pisanu pochte auf die Notwendigkeit, so genannte "centri di permanenza temporanea" (Zentren für einen vorübergehenden Aufenthalt) auszubauen. In solche Zentren werden vorwiegend Flüchtlinge aus Nordafrika, die regelmässig in Süditalien landen, gesteckt.

Die Idee ist, möglichst viele verdächtige Islamisten dort einzusperren, so à la Guantanamo. Weiter sollen Gefangene während 24 anstatt 12 Stunden in Gewahrsam gehalten werden können, ohne jeglichen Kontakt mit Anwälten oder Verwandten. Er verlangte auch, dass der Email-Verkehr überwacht und für eine längere Zeit archiviert werden sollte.

Für Diskussionen sorgte schlussendlich sein Vorhaben, islamische Terroristen wie Mafiosi zu behandeln. Den Terroristen soll beispielsweise ein besseres Haftverhältnis angeboten werden, wenn sie mit dem Staat kollaborieren. Nur vergass Pisanu, dass islamische Terroristen sich einen Dreck um Haftverhältnisse kümmern. Sie sind bereit für ihre Ideologie zu sterben, und diese werden sie wohl kaum für eine geräumigere Zelle mit TV aufgeben.

Die Verbindung von Mafiosi und Terroristen hatte zuvor der ehemalige Staatspräsident Francesco Cossiga gewagt. Er verlangte, dass eine "Superprocura" (Superstaatsanwaltschaft) gegründet werde, um die verschiedenen Justiz- und Untersuchungsorgane zusammen zu bringen. Der Ausdruck "Superprocura" steht bisher für die "Direzione Nazionale Antimafia". Diese Superstaatsanwaltschaft war am 20. Januar 1992 gegründet worden um gegen die Mafia anzukämpfen.

An sich ist Cossigas Vorschlag nicht übel. Das Problem ist nur, dass er nicht neu ist. Bereits nach dem 11. September 2001 sprach der damalige Innenminister Claudio Scajola von einer Superstaatsanwaltschaft gegen Terrorismus. Danach wurde das Thema beiseite geschoben bis der 11. März 2004 mit den Madrider Bomben kam. Wieder Aufschrei. "Superprocura antiterrorismo!" Nichts geschah.

Es ist anzunehmen, dass auch dieses Mal die "Superprocura" auf Eis gelegt wird. Ob die restlichen Massnahmen gegen den Terror greifen werden, ist höchst zweifelhaft. Zum Ersten sind sie nicht neu, und zum Zweiten stösst jeder Vorschlag auf mindestens einen Kritiker aus den Reihen der Opposition oder der Datenschützer. Italiens Kapriolen scheinen ins Nichts zu führen. Bleibt nur für die Bevölkerung zu hoffen, dass sich der Schreibende irrt.

(von Maurizio Minetti/news.ch)

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