Italiens Fussballgemeinde im Schockzustand

publiziert: Sonntag, 4. Feb 2007 / 14:24 Uhr

Italiens Fussball steht seit Freitagabend still. Ein Polizist ist tot, ein zweiter war stundenlang in Lebensgefahr und 71 Menschen sind verletzt. Das ist die traurige Bilanz der schweren Ausschreitungen am Rande des sizilianischen Derbys Catania - Palermo (1:2).

Romano Prodi schaltete sich ein.
Romano Prodi schaltete sich ein.
5 Meldungen im Zusammenhang
Noch am Freitag wurden vom italienischen Verband sämtliche Spiele am Wochenende sowie das Länderspiel des Weltmeisters am Mittwoch gegen Rumänien abgesagt. Vermutlich wird der Spielbetrieb erst in zwei Wochen wieder aufgenommen; dann dürften zunächst -- zumindest in den vier Profiligen -- zwei Runden unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt werden.

An einer Krisensitzung von morgen Montag mit Ministerpräsident Romano Prodi, Innenminister Giuliano Amato sowie Vertretern des Fussball-Verbandes und des nationalen olympischen Komitees soll das Vorgehen gegen die grassierende Gewalt besprochen werden.

Drastische Massnahmen gefordert

«Wir müssen eine klare Botschaft aussenden, um diese Entartung des Sports zu stoppen, die unglücklicherweise so oft passiert», hiess es in einer ersten Erklärung Prodi. Und Amato drohte, dass er keine Polizisten mehr in die Stadien entsenden werde. «Unter diesen Bedingungen werden wir nicht mehr für die Sicherheit der Matches sorgen. Das Leben der Polizisten darf nicht aufs Spiel gesetzt werden», sagte Amato.

Die Polizeigewerkschaft Silp drohte mit Streik und machte die Klubs für den Tod des Polizisten verantwortlich. Sie würden nicht genug unternehmen, um Hooligans zu isolieren.

Drastische Massnahmen forderte der Präsident der italienischen Spielergewerkschaft AIA, Sergio Campana. Er stand für einen einjährigen Stopp der Meisterschaft ein. «Die Italiener müssen die Ernsthaftigkeit der Dinge begreifen. Hier ist jedes Mass überschritten worden», meinte Campana. Jeden Sonntag gäbe es Ausschreitungen, die Lage habe sich in den vergangenen Monaten verschlechtert.

Der neue UEFA-Präsident Michel Platini versprach den Verantwortlichen in Italien im Kampf gegen die Gewalt die volle Unterstützung des europäischen Verbandes. «Wir müssen nun mit den Offiziellen und den Politikern im Sinne des italienischen Fussballs zusammenarbeiten und eine Lösung finden, wie wir die Spirale der Gewalt in Italien und im gesamten europäischen Fussball stoppen können», meinte der Franzose.

Die Eskalationen auf dem Stiefel betreffen auch die UEFA. Italien kandidiert neben Ungarn/Kroatien und Polen/Ukraine für die EURO 2012 (Vergabe im April) und gilt als grosser Favorit.

Gezielte Attacke?

Der getötete Polizist, der 38-jährige Sicherheitsagent Filippo Raciti, starb offenbar an inneren Blutungen. Er war aus dem Auto gestiegen, weil ein schwerer Stein die Frontscheibe durchschlagen hatte. Dann explodierte eine selbst gebastelte Bombe in seinem Gesicht.

Nach neusten Erkenntnissen könnte der Angriff auf Raciti geplant gewesen sein. Der Polizist kannte die Mitglieder der gewalttätigen Gruppierungen, hatte kürzlich bei einem Prozess gegen einen Ultra ausgesagt und war seither bedroht worden.

Kritisch war lange Zeit auch der Zustand eines weiterer Polizisten, der mit schweren Verletzungen ins Spital eingeliefert wurde. Er war bei den Tumulten von einem Motorrad überfahren worden, ist aber nicht mehr in Lebensgefahr.

In der Nacht auf Samstag wurden Dutzende von Ultras der beiden Klubs von der Polizei verhört. Neun Catania-Ultras, darunter vier Minderjährige, wurden festgenommen. Sie werden für die Krawalle, aber nicht für den Tod des Polizisten verantwortlich gemacht. Nach ersten Ermittlungen wurden die Ausschreitungen von Catania-Ultras ausgelöst, die Palermo-Fans mit Knallkörpern und Steinen angegriffen hatten. Die Staatsanwaltschaft leitete Untersuchungen ein.

Rücktritt des Catania-Präsidenten

Der Präsident des sizilianischen Serie-A-Aufsteigers Catania, Antonino Pulvirenti, hat nach den Ausschreitungen seinen Rücktritt angekündigt. «Der Klub muss weiterleben, doch nach diesen Ereignissen kann ich nicht mehr weitermachen», sagte Pulvirenti. Sein Klub hätte alles unternommen, um gewalttätige Ultras zu isolieren.

«Wir tun das Mögliche. Unser Klub wurde kürzlich bei einem Gipfel über Sicherheit in den Stadien als beispielhaft bezeichnet», versicherte Pulvirenti. Innerhalb von zwei Jahren führte er Catania von der dritthöchsten Spielklasse in die Serie A (derzeit 5. Platz), in der die Sizilianer seit 1983 gefehlt hatten.

Die Ultras von Catania hatten die massiven Ausschreitungen schon während der Partie durch Abschüsse von Feuerwerkskörpern und Steinwürfen ausgelöst. Dass es zu Strassenschlachten kommen könnte, hatten die Behörden bereits Tage zuvor geahnt. Weil an diesem ersten Februarwochenende in Catania das Volksfest für die Stadtheilige Sant´Agata stattfindet, wurde die Partie auf den Freitag und gegen den Willen der Vereine auf den späteren Nachmittag angesetzt.

Über 1500 Polizisten waren schon den ganzen Tag in Alarmbereitschaft. Und um Konfrontationen zwischen den verhassten Fan-Lagern vor der Partie zu verhindern, wurden die Palermo-Tifosi in ihren Bussen unterwegs angehalten und erst auf die zweite Halbzeit ins Stadion gelassen.

(smw/sda)

Lesen Sie hier mehr zum Thema
Der Mord vom vergangenen Freitag in der sizilianischen Stadt Catania ist nur das letzte einer Reihe von vielen und unnötigen Verbrechen rund um italie ... mehr lesen 
Drei Tage nach den Ausschreitungen ... mehr lesen
Innenminister Giuliano Amato präsentierte heute das Ergebnis der Krisensitzung. (Archivbild)
Die Meisterschaftsspiele sind bis auf weiteres ausgesetzt.
Nach den für einen Polizisten tödlich ... mehr lesen
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
Der Datenklau trifft die Schweiz hart.
Der Datenklau trifft die Schweiz hart.
Ein unbekannter Hacker oder eine Gruppe von Hackern hat Anfang Juni 2023 sensible Daten des IT-Unternehmens XPlain in der Schweiz gestohlen. Zu den gestohlenen Daten gehören Kundeninformationen, Finanzdaten, geistiges Eigentum und Daten von Schweizer Behörden. mehr lesen 
Fotografie Vom 26. Januar bis 20. August 2023 im Schweizerischen Kameramuseum Vevey  Nach mehrjähriger Arbeit wurde die fotografische Sammlung von Rodolphe Archibald Reiss von der ... mehr lesen  
Der Kriminalist Rodolphe Archibald Reiss (1875-1929).
Die Angriffe auf KMU werden im kommenden Jahr ebenso zunehmen, wie die auf Städte und Gemeinden.
Konzentration auf Ransomware begünstigt Angriffe auf weniger geschützte Bereiche  Jena - Wenn die Kassen in Elektro-Flächenmärkten nicht mehr klingeln, im Strassenverkehrsamt keine Kfz zugelassen werden können oder Kliniken neue Patienten abweisen ... mehr lesen  
Spyware der israelischen Firma Candiru im Fokus der Ermittlungen  Jena - Die Forscher des europäischen IT-Sicherheitsherstellers ESET haben strategische Angriffe auf die ... mehr lesen  
Watering‑Hole‑Angriffe im Nahen Osten.
Der Remoteserver hat einen Fehler zurückgegeben: (500) Interner Serverfehler.
Source: http://www.news.ch/ajax/top5.aspx?ID=19&col=COL_2_1
Titel Forum Teaser
  • paparazzaphotography aus Muttenz 1
    Foto Sanatorio Liebes news.ch Team, es ist für mich eine Ehre dass sie mein Foto des ... Di, 03.01.17 22:12
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Motor hinten oder vorne war dem Tram in Basel völlig egal! Ob ein Auto über- oder untersteuert, ist nicht von der Lage des Motors ... Mi, 01.06.16 10:54
  • Mashiach aus Basel 57
    Wo bleibt das gute Beispiel? Anstatt sichere, ÜBERSTEUERNDE Heckmotorwagen zu fahren, fahren sie ... Mo, 30.05.16 11:56
  • zombie1969 aus Frauenfeld 3945
    Zugang "Das sunnitische Saudi-Arabien, das auch im Jemen-Konflikt verstrickt ... So, 29.05.16 22:06
  • zombie1969 aus Frauenfeld 3945
    Pink Phanter-Bande? Am 25. 7. 2013 hat eine Befreiung von Pink Panther-Mitglied Milan ... So, 29.05.16 15:38
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    ja, weshalb sollte man solches tun? Ist doch krank, Gott zu beschimpfen! Das hat etwas, ... So, 29.05.16 12:12
  • Gargamel aus Galmiz 10
    Warum sollte man überhaupt den Glauben an Gott beschimpfen oder verspotteten? Wie krank ... So, 29.05.16 10:11
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Wir sind ja alle so anders als diese "Flüchtlinge". Warum sind auch nicht alle so edel, wie ... Sa, 28.05.16 20:25
Unglücksfälle Zorn über Tötung von Gorilla in US-Zoo Cincinnati - Die Tötung eines Gorillas im Zoo der ...
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Fr Sa
Zürich 3°C 5°C starker Schneeregenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt, Regen
Basel 4°C 9°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wechselnd bewölkt, Regen
St. Gallen 0°C 5°C starker Schneeregenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig trüb und nass starker Schneeregen
Bern 0°C 7°C Schneeschauerleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt, Regen
Luzern 3°C 7°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt, Regen
Genf 4°C 9°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wolkig, aber kaum Regen
Lugano 9°C 15°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich recht sonnig
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten