Jaromir Jagr: «Der Volksheld»

Jaromir Jagr ist seit mehr als einem Jahrzehnt ein Superstar und Volksheld in seiner Heimat. Er war Stanleycup-Sieger, Weltmeister, wurde Olympiasieger. Vor zwei Jahren schien er jedoch seinen Zenit überschritten zu haben. Der ehemalige Stanleycup-Sieger mit Pittsburgh, war in Washington und später bei den New York Rangers gefangen in Teams, welche spielerisch in einem Tief standen. Doch dann kam zunächst an den Weltmeisterschaften 2005 mit dem WM-Titel und später in dieser Saison 2005/06 in der NHL die grosse Wende.

Zusammen mit seinen Tschechischen Rangers-Kollegen Straka, Sykora, Malik und Rucinsky sowie seinem Protégé und Lieblings-Talent Petr Prucha wird er die Playoffqualifikation schaffen. Ein Riesenereignis in Manhattan, denn die Rangers waren zwar seit Jahrzehnten der Krösus der Liga, aber sportlich die Lachnummer der NHL mit nur einer Playoffqualifikation in zehn Jahren (!).

Der «mutierte Jagr»

Nun werden die Schweizer Nationalspieler wie bereits in Wien an den letzten Weltmeisterschaften sich gegen ihn in Hochform erwehren müssen. Jagr, der zugleich technisch versierte, aber auch körperlich imposante Playmaker und Teamleader, ist nämlich keineswegs mit zunehmendem Alter weniger beweglich oder weniger kräftig geworden. Ganz im Gegenteil: Er ist, wie zum Beispiel Steve Yzerman, im letzten Drittel seiner Karriere sogar vielseitiger geworden.

Jagr entwickelte sich vom Playmaker und Goalgetter zu einem der besten Halbdistanzschützen und Onetimer (=Direktabnahmen ohne zuvor den Puck zurecht gelegt zu haben) der gesamten NHL. Als ob er bisher nichts anderes gemacht hätte, ballert er von der blauen Linie bei Powerplays die Pucks aufs gegnerische Tor. Warum er nun vom Playmaker hinter dem Tor zum Spielmacher an der blauen Linie mutierte, weiss er so recht nicht. Jagr: «Ich wollte im Trainingslager mal endlich lernen, wie man das wirklich macht. Also zeigte es mir Tom Poti und wir entdeckten mein Talent dafür. Ich bin ja selbst überrascht.»

Vom Talent zum Superstar

Am 15. Februar 1972, einem kalten Wintertag, ging ein neuer Eishockeystern über Kladno in der Tschechoslowakei auf. Die Eltern des kleinen Jaromir unterstützten ihren Sohn von klein auf in allen Bereichen und so sagt Jagr, dass seine Eltern den wohl größten Einfluss auf seine Karriere hatten. Selbstverständlich jagte Jagr Jr. zuerst bei seinem Heimatverein Poldi Kladno der Hartgummischeibe hinterher. Bis 1988 zeigte er bei den Junioren seine Künste und steigerte von Jahr zu Jahr seine Punkteproduktion. Dabei fiel auf, dass er beides beherrschte, das Vollstrecken als auch das Vorbereiten.

Mit 16 Jahren wechselte dieser Ausnahmekönner zu den Senioren von Poldi. Nach einem Jahr der Eingewöhnung (29 Sp; 3T-3V) erreichte er in der Folgesaison in 42 Partien gleich 50 Punkte (22T-28V). Auch den Scouts der NHL war dieses Wunderkind nicht entgangen (wie sollte es auch anders sein) und so wurde Jaromir Jagr im Entry Draft 1990 – man kann erst ab 18 Jahren gedraftet werden - von den Pittsburgh Penguins an 1. Stelle (5. insgesamt) ausgewählt. Mit offenen Armen wurde er sofort in der Mannschaft um Mario Lemieux aufgenommen und zusammen wurde das Traumpaar auch direkt Doppel Stanley Cup Sieger (1991 & `92). Wo immer Jaromir Jagr auftauchte, verbreitete er bei den Gegnern Angst und Schrecken.

Während des Lockouts 1994 (dauerte nur die Hälfte der Saison) zeigte er sein Können in seinem Heimatverein Kladno, im italienischen Bozen, sowie für ein Spiel in Deutschlands 2. Liga, bei den Schalker Haien (1T;10V). 2001 wurde er von den Pinguinen zu den Washington Capitals getauscht. Im Januar 2004 wurde ein Deal mit den New York Rangers ausgehandelt und seitdem geht er erfolgreich im Madison Square Garden auf Punktejagd.

Da die letzte Spielzeit dem Arbeitskampf völlig zum Opfer fiel, hielt sich «JJ» wieder in seinem Heimatverein Kladno fit, spielte in der russischen Liga in Omsk und gewann den «Europa-Pokal». Des weiteren half er seiner Nation Tschechien mit zwei Toren und sieben Vorlagen zum Gewinn des Weltmeistertitels und brach so eine jahrelange Regentschaft Kanadas, welches man im Finale bezwingen konnte. Jetzt in der neuen NHL zeigt er seine Dominanz auf dem Eis deutlicher denn je. Nach über der Hälfte der Vorrunde führt er seine Rangers an die Spitze der Division und ist auch persönlich in allen Statistiken vorne zu finden.

Eishockey.ch- Scouting Report Jaromir Jagr

JW. - Notengebung 1 bis 7 gemäss einem international anwendbaren Notenschlüssel.
7 = herausragend/Weltklasse, 6= Internationale Klasse, 5= NLA-Spitze, 4= NLA-Durchschnitt, 3= Rollenspieler, 2= NLA-würdig aber mit Mängel, 1= NLA-unwürdig

Technik/Skating: 7
Mentale Stärke: 6,5
Physis: 7
Kondition: 6,5
Disziplin: 6,5
Taktisches Verständnis: 7
Schusstechnik: 7
Killer Instinkt: 6,5
Belastbarkeit: 6
Zukunftsaussichten: 6,5

Total: Note 6,65

Mitarbeit: Ivo Jaschick

(Von Joël Wüthrich, Working Press Basel-Montreal/eishockey.ch)