Jeder Monat ist Kirchenaustrittsmonat!
Der beste Grund für einen Kirchenaustritt scheint für viele Menschen das Gebaren der Funktionäre der «Landeskirchen» zu sein. Die schlechtesten Gründe gegen einen Kirchenaustritt sind Unwissen über Vorgehen und Konsequenzen. Gegen dieses Unwissen hier ein paar Zeilen. Ein service public der Freidenker-Vereinigung der Schweiz.
Wegleitung Kirchenaustritt
Alles wichtige zum Kirchenaustritt auf der Seite der Schweizer Freidenker
frei-denken.ch
Es geht grundsätzlich ganz einfach: Zettel nehmen, etwas wie: «Ich erkläre hiermit den Austritt aus der römisch-katholischen/reformierten... Kirche. Bitte senden Sie mir eine Bestätigung zu.» Adresse dazu, Geburtsdatum, Unterschrift, absenden (am besten eingeschrieben) und damit hat's sich. Meistens. Eine Kopie an die Steuerbehörde empfiehlt sich. Später nicht vergessen, auch den weltlichen Behörden den definitiven Bescheid mitzuteilen und die Steuerrechnung zu überprüfen.
Wer mag, darf die vorgefertigten Standardbriefe (in acht Sprachen!) auf der Freidenker-Website verwenden, dann geht es eigentlich ganz schnell von der Hand. Nun halten sich die christlichen Kirchenfunktionäre ja für gute Hirten. Und gute Hirten lassen ihre Schäfchen ja nicht allzu gerne ziehen. D.h. sie bauen auch gerne mal das eine oder andere Hindernis ein oder einen Zaun rund um die Herde.
Meistens reicht es, das abgesandte Formular an die Pfarrei der Wohngemeinde zu senden. Manchmal dauert es 14 Tage bis zur Bestätigung, manchmal 6 Wochen... Wer es noch weiss, kann aufs Formular auch sein Taufdatum drauf schreiben. Das muss allerdings nicht sein, kann aber Rückfragen verhindern. Oft bekommt man dann Post mit einem Vorschlag zu einem Gespräch. Eine Begründung für den Kirchenaustritt muss man nicht geben (siehe Bundesverfassung Artikel 15). Man muss also auch nicht zu einem Gespräch zum Priester oder der Pastorin gehen oder sie bei sich hereinlassen. Letzte Woche ging das Beispiel einer jungen Frau durch die Medien, welche als 17-Jährige von einem Priester vergewaltigt wurde, und immer noch nicht aus der Kirche ausgetreten ist, obwohl sie dies eigentlich wolle. «Ich habe gehört, dass dann ein Priester für ein Gespräch zu mir nach Hause kommt», sagt sie. «Davor habe ich Angst!» (blick.ch) Man sollte also wissen: Solche Gespräche sind freiwillig. Ein Vermerk, dass man keine weiteren Kontakte wünsche, vermeidet auch hier eine Verzögerung.
Da ich keine Angst vor Priestern habe, ging ich übrigens ans vorgeschlagene Gespräch mit meinem Dorfpfarrer. Es war zwar interessant, ich bin aber jämmerlich gescheitert. Der Priester wollte sich partout nicht zum Kirchenaustritt bewegen lassen.
Viele Leute treten nicht aus der Kirche aus, weil sie befürchten, dass ihnen dann eine schickliche Beerdigung/Beisetzung auf dem Friedhof verwehrt bleibe. Fast überall befinden sich jedoch die Ruhestätten in kommunalem Besitz, d.h. es ist jeder Bürgerin und jedem Bürger möglich, angemessen beigesetzt zu werden. Die Beisetzung ist grossteils Staatsangelegenheit und nicht Sache der Kirche. Es wird dann halt einfach kein Priester eine Zeremonie gestalten, sondern man muss sich das privat organisieren oder diese Dienstleistung allenfalls einkaufen.
Man verzichtet beim Kirchenaustritt auf das Recht, eine kirchliche Hochzeit oder Taufe in den Räumlichkeiten der entsprechenden Religionsgemeinschaften «gratis» abhalten zu können. Gratis waren diese Rituale freilich nie. Sie wurden und werden über die Kirchensteuer und Staatsbeiträge «von allen» finanziert. Aber auch hier ist der Trend klar: Mehr und mehr Leute feiern ihre Vermählung/Hochzeit/Partnerschaft ohne religiösen Zelebranten. Hier spielt der Markt und viele Paare geniessen die zusätzliche Freiheit bei der Gestaltung solcher Feiern, statt sich noch in ein (wenngleich immer loser werdendes) religiöses Korsett von Abfolgen und Vorschriften zwängen zu müssen. Eine Hochzeit unter freiem Himmel ist bei privaten Dienstleistern nie ein Problem. Bei manchen religiösen Dienstleistern muss man sich da allenfalls mit dem Priester streiten oder auf einen anderen ausweichen... Wenn wir beim Hirten-und-Schäfchen-Bild bleiben wollen, ist die Drohung, man werde dann halt nicht mehr «richtig» heiraten können, wohl das Äquivalent des Schäferhundes, der austrittswillige Schäfchen anbellt.
Im Kanton St. Gallen muss man seine Unterschrift amtlich beglaubigen lassen, im Wallis sein Austrittsformular an die Taufpfarrei statt die Pfarrei des Wohnortes senden. Und im Wallis muss man der Steuererklärung zusätzlich noch ein Rückforderungsformular beilegen. Aber alle diese Dinge finden sich gratis und franko im Internet. Auch wenn das Prozedere lange dauern sollte, gilt der Kirchenaustritt rückwirkend per Erklärungsdatum. Das ist teilweise wichtig, denn wir hatten im Wallis bei einem Extremfall mehr als 12 Monate daran arbeiten müssen, eine Person aus der Kirche rauszubekommen, d.h. eine Bestätigung zu erhalten. Bisweilen sind Katholiken halt die besten Hirten.
Die Kirche oder staatliche Behörden dürfen den Kirchenaustritt zudem auch nicht öffentlich bekannt machen. Für die meisten Leute ist das heutzutage eh nicht mehr von Belang. Sie stehen offen dazu, keiner Kirche anzugehören. Aber für einen Schreinereibetrieb in einem kleineren Dorf könnte es verheerend wirken, wenn im Pfarrblatt der Austritt seines Inhabers verzeichnet würde. Es ist den religiösen Gemeinschaften aber zum Glück mittlerweile untersagt, Leute an den Pranger zu stellen.
Der Kirchenaustritt ist also vom Ablauf her meistens eine Kleinigkeit. Gute Gründe, nicht weiter einer Kirche anzugehören, gibt es genug. Man sollte nicht zu bequem und so konsequent sein, die paar Minuten administrative Arbeit auf sich zu nehmen. Falls man den inneren Kirchenaustritt schon lange vollzogen hat, sollte man ihm auch den formellen folgen lassen.
Und noch eine Bitte: Sendet mir per Mail zu, falls ihr auch solch drollig-arrogante Formulierungen wie ich in eurer Kirchenaustrittsbestätigung erhaltet. Solches sammle ich gerne. In meiner Austrittsbestätigung vom 13. Dezember 2009 steht: «Es ist unsere Hoffnung und unser Gebet, dass dieser Moment der Verwirrung nicht von Dauer ist.» Sie Bedauern mein Ausbrechen aus der Herde und wünschen mir Besserung. Gute Hirten halt. Ich mag aber kein Schaf mehr sein. Wie so viele.
(Valentin Abgottspon/news.ch)
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