Nicht immer, wenn die Schweiz das Startspiel in eine WM- oder EM-
Kampagne gewonnen hat, schaffte sie danach auch die Qualifikation.
Aber stets, wenn der Beginn misslang, war die gesamte
Qualifikationsphase zum Scheitern verurteilt. Start-Niederlagen
setzte es 1976 (Norwegen), 1978 (Holland), 1980 (Norwegen), 1982
(Belgien), 1986 (Schweden), 1996 (Aserbaidschan), 1998 (Italien)
und 2000 (Russland) ab. Jedes Mal wurde danach das Ziel einer EM- oder WM-Teilnahme verpasst.
Die beiden einzigen Qualifikationen seit 1966 wurden nach
Starterfolgen erreicht. Roy Hodgson führte die Schweiz 1992 zum 6:0-
Startsieg in Estland und zwei Jahre später an die WM in den USA. 1994 leitete der 4:2-Heimerfolg über Schweden die erstmalige EM-Teilnahme 1996 in England ein.
«Ich bin mir der Bedeutung eines Startsieges voll bewusst»,
sagte Nationalcoach Köbi Kuhn im feudalen Mannschaftshotel in
Feusisberg hoch über dem Zürichsee. Er habe einen Sieg budgetiert.
Erst danach wolle er das Punktesoll für die beiden anderen Partien
dieses Jahres Mitte Oktober in Albanien und Irland erstellen.
Die Partie gegen Georgien ist das bisher wichtigste Spiel in der
rund einjährigen Amtszeit Kuhns. Erst jetzt konnte er das Team nach
seinen Vorstellungen zusammenstellen. Beim Amtsantritt hatte er
Enzo Trosseros Mannschaft übernehmen, und in diesem Frühling
Rücksicht auf die EM-Teilnahme des Schweizer U21-Teams nehmen
müssen.
Die geglückte Hauptprobe gegen Österreich (3:2) vor zweieinhalb
Wochen in Basel hat Kuhn aufgezeigt, dass er auf dem richtigen Weg
ist. Die Mannschaft spielte positiven, angriffsorientierten
Fussball, auch wenn defensiv nicht alles gelang. Kuhn macht aber
nicht wieder den gleichen Fehler wie vor einem Jahr, als er nach
seinem Debütsieg in Österreich (2:1) zu vieles umkrempelte,
Routiniers auf die Bank setzte, und damit Unruhe ins Team brachte.
Team wie gegen Österreich
Der Schweizer Nationalcoach wird am Sonntag exakt die gleiche
Formation wie gegen Österreich nominieren, wenn ihm die Verletzung
von Sébastien Fournier keinen Strich durch die Rechnung macht. Jörg
Stiel hütet das Tor; Bernt Haas, Stéphane Henchoz, Murat Yakin und
Fournier bilden die Abwehr; im Mittelfeld kommen Ricardo Cabanas,
Johann Vogel und Patrick Müller zum Einsatz. Hakan Yakin spielt
vorgeschoben im Zentrum hinter den beiden Sturmspitzen Alex Frei
und Stéphane Chapuisat.
Die einzige Ungewissheit betrifft den Fitnessstand von Fournier, der bis am Freitagabend kein einziges Training mitmachen konnte und
wegen einer Meniskusreizung im linken Knie mit einer Kortison-
Injektion behandelt wurde. Erst das zweitletzte Training am
Freitagabend in Freienbach soll Aufschluss geben, ob der Walliser
spielen kann oder durch Ludovic Magnin ersetzt werden muss. Bremen-
Söldner Magnin hat zwar am Donnerstag ebenfalls einen Schlag auf
sein linkes Knie erhalten, die Blessur behindert den Verteidiger
aber nicht mehr.
Kuhn will somit an der Nomination von Lyon-Verteidiger Müller im
linken Mittelfeld festhalten, obwohl der Genfer im Verein in der
Innenabwehr spielt und gegen Österreich auf der ungewohnten
Position nicht überzeugte. Die Alternative wäre Raphaël Wicky, der
sich einer Topform erfreut und beim Hamburger SV zu den Fixstartern
gehört. Wicky kann jedoch nur auf einen Einsatz hoffen, wenn sich
Müller von einer Grippe, die ihn am Donnerstagabend befiel, nicht
rechtzeitig erholen würde.
Georgien, das Brasilien Russlands
Auf Georgien ist die Schweiz in ihren über 600 Länderspielen
noch nie getroffen. 1990 unabhängig geworden, hat die frühere
Sowjet-Republik inzwischen 80 Länderspiele bestritten und davon 29
gewonnen (38 Niederlagen). Eine EM- oder WM-Qualifikation ist in
vier Versuchen nie gelungen. Zweimal schloss Georgien auf dem
dritten Qualifikations-Schlussrang ab. Die bedeutendsten Erfolge
sind der 3:0-Sieg über Polen (1997) und der 3:1-Heimsieg über
Ungarn vor einem Jahr.
Zwischen dem 15. August 2001 und dem 27. März 2002 blieben die
Georgier in fünf Partien gegen Luxembourg (3:0), Ungarn, Litauen
(2:0), Rumänien (1:1) und Südafrika (4:1) ungeschlagen, ehe zuletzt
die beiden Niederlagen gegen die Ukraine (1:2) und die Türkei (0:3)
erfolgten.
Der im letzten Jahr zum zweiten Mal zum Teamchef berufene
Alexandre Tschiwadse verfügt über hervorragende Techniker, die
vornehmlich als Söldner in Westeuropa tätig sind. Wegen ihrer
ausgeprägten Spielfreude und der ausgezeichneten Ballbehandlung
werden die Georgier auch die Brasilianer Russlands genannt. Für das
Spiel in Basel hat Tschiwadse auch die drei «Schweizer» Michail
Kawelaschwili (Luzern), Gocha Jamarauli (ex-FCZ) und Captain Giorgi Nemsadse (ex-GC) nominiert.
(von René Baumann, Feusisberg/sda)